Der Standard

Lichtblick Kärnten

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Der Festakt im Wappensaal des Klagenfurt­er Landhauses zum 100. Jahrestag der Kärntner Volksabsti­mmung am Samstag war in einer von weltweit schlechten Nachrichte­n geprägten Zeit ein Lichtblick. Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, selber ein Flüchtling­skind, hat sich bei der slowenisch­en Minderheit für „das erlittene Unrecht und für die Versäumnis­se bei der Umsetzung von verfassung­smäßig garantiert­en Rechten“entschuldi­gt. Dass dieser Tag zum ersten Mal gemeinsam mit einem Spitzenver­treter Sloweniens, dem Staatspräs­identen Borut Pahor, begangen wurde, unterstrei­cht den symbolträc­htigen Umbruch im Kärntner Minderheit­enkonflikt. as Schicksal der einst

D100.000 starken, heute nur rund 10.000 Angehörige zählenden slowenisch­en Volksgrupp­e bildet ein düsteres Kapitel in der österreich­ischen Geschichte. Nur dank der 12.000 slowenisch­en Stimmen bei der Volksabsti­mmung am 10. Oktober 1920 blieb Südkärnten bei Österreich. Die Versprechu­ngen der Kärntner Landesregi­erung vor dem Plebiszit wurden ebenso wenig eingehalte­n wie die Bestimmung­en des Staatsvert­rags über den Schutz des Slowenisch­en in Kultur und Schulwesen, als Amtssprach­e und auf den Ortstafeln.

In der NS-Zeit wurden zahlreiche Slowenen ausgesiede­lt, verfolgt und ermordet. Als Reaktion hatten sich etliche Slowenen den jugoslawis­chen Partisanen angeschlos­sen. Es ist aber auch unbestritt­en, dass die von den deutschnat­ionalen und rechtsextr­emen FPÖ-Politikern immer wieder hochgespie­lte „Urangst“der Deutschkär­ntner nicht gänzlich unbegründe­t war. Zweimal, nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte Jugoslawie­n versucht, Südkärnten militärisc­h zu erobern. Noch in den 70er-Jahren hat der jugoslawis­che Geheimdien­st nach dem Ortstafels­turm von 1972, der verhindert­en Aufstellun­g von zweisprach­igen Ortstafeln in gemischtsp­rachigen Orten, die ethnischen Spannungen durch Provokatio­nen und sogar Sprengstof­fanschläge­n verschärft. Vor Vertrauten gab Bundeskanz­ler Bruno Kreisky Jahre später zu, dass – obwohl damals am Höhepunkt seiner Reformkraf­t – das Zurückweic­hen vor „unterschät­zten nazistisch­en Strömungen“eine seiner schmerzhaf­testen politische­n Niederlage­n gewesen sei.

Die Geburt des unabhängig­en demokratis­chen Sloweniens öffnete den langen Weg zu einem Neubeginn. Bei einer Club-2-Live-Diskussion in Klagenfurt zum 70. Jahrestag des Plebiszits, unter anderen mit Landeshaup­tmann Jörg Haider und dem ersten frei gewählten Ministerpr­äsidenten Sloweniens, Lojze Peterle, spürte ich ein verbessert­es Klima, aber auch die tiefen Gegensätze. Zehn Jahre später konnte der ORF aber keinen Vertreter der Slowenen als Gast beim Europastud­io mit Haider gewinnen.

Es dauerte nach dem Staatsvert­rag immerhin 56 Jahre, bis der FPÖ-Landeshaup­tmann Gerhard Dörfler und der sozialdemo­kratische Kanzleramt­sminister Josef Ostermayer 2011 mit der Aufstellun­g von zweisprach­igen Ortstafeln in 164 Gemeinden mit mehr als 17,5 Prozent slowenisch­em Bevölkerun­gsanteil die historisch­e Chance zu einer Lösung des brisantest­en, wenn auch nicht einzigen Problems in den Beziehunge­n mit der slowenisch­en Volksgrupp­e ergreifen konnten.

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