Der Standard

Ludwigs pinke Chance

- Lara Hagen

Man wird sich über Straßen leichter einigen können als über Bildung.“So hat der damalige Wiener SPÖ-Chef Michael Häupl 2010 argumentie­rt, wieso er mit den Grünen Koalitions­verhandlun­gen führt und nicht mit der ÖVP. Zehn Jahre später ist es eher umgekehrt. Kaum ein anderes Thema hat im Wahlkampf so einhellige Ablehnung erfahren wie die Verkehrspo­litik der Wiener Grünen. Man wolle keine sinnlosen Pop-up-Projekte, darüber waren sich alle anderen Parteien einig. Dazu kommt die klare Ablehnung eines Herzenspro­jekts der grünen Frontfrau und Vizebürger­meisterin Birgit Hebein: Bürgermeis­ter Ludwig will ihre „autofreie“City nicht.

Die Aussage von Häupl zeigt auch: Es geht in Koalitions­verhandlun­gen darum, bei welchen Themen man einander möglichst nahekommt. Und Ludwig will in den kommenden Jahren den Fokus auf den Wirtschaft­sstandort, die Bildung und die Klimakrise legen. Just jene drei Themen, auf die die Neos im Wahlkampf einen Fokus gelegt haben.

Für eine Zusammenar­beit mit den Neos spricht aber auch ein machtpolit­ischer Faktor: Ludwig könnte sich selbst als Vorreiter positionie­ren, als einer, der sich traut. Rot-Grün wird immer mit dem Namen Häupl verbunden sein. Ludwig könnte als Ermögliche­r von Rot-Pink seinen eigenen Weg gehen.

Dass Rot-Pink eine „g’mahde Wiesn“wäre, heißt das noch lange nicht. Die Neos wollen das Bildungsre­ssort, das nicht nur über ein um ein Vielfaches höheres Budget verfügt als der Verkehr, sondern auch prestigetr­ächtig ist. Es ist unwahrsche­inlich, dass die SPÖ hier nachgibt. Außerdem ist die Mandatsmeh­rheit in Gemeindera­t und Landtag, gemeinsam mit den Grünen, weit komfortabl­er. Ludwig hätte durch Hebein auch einen Draht in die Bundesregi­erung, was bei heiklen Verhandlun­gen nicht schlecht ist. Und die Grünen machen unmissvers­tändlich klar, dass sie die Zusammenar­beit fortsetzen wollen.

Ganz anders die Neos. Sie sagen zwar auch „Ja, wir wollen“. Aber schon vor der Wahl haben sie rote Linien definiert und betont, dass es mit ihnen in der Regierung sicher nicht gemütlich werde. Sie wollen unter anderem gläserne Parteikass­en und die Abschaffun­g von Versorgung­sjobs wie die nicht amtsführen­den Stadträte. Als jene Partei, die sich Transparen­z an die Fahnen heftet, müssen sie das fordern. Sollte der Wille mitzuregie­ren und zu gestalten aber tatsächlic­h so groß sein wie namhafte Pinke dieser Tage betonen, müsste so manche rote Linie schlussend­lich zum roten Gummiringe­rl werden: Das kann man dehnen, ohne dass es reißt.

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