Der Standard

Die FPÖ hat sich selbst zerstört

Die Partei vertraute Heinz-Christian Strache blind, jetzt kassiert sie die Rechnung

- Fabian Schmid

Die Politik der Ausländerf­eindlichke­it hat am Sonntag in Wien nur indirekt verloren. Nicht ein plötzliche­r Schwung an Humanismus hat die FPÖ auf ein Viertel ihrer früheren Stärke dezimiert, sondern einzig und allein die Partei selbst. Entscheide­nd war wohl nicht einmal das Ibiza-Video, sondern die Spesen-Affäre, die das „System Strache“vor allem in der Wiener Landespart­ei offengeleg­t hat.

Mehr als fünfhunder­ttausend Euro Schaden soll das Ehepaar Strache laut Ermittlern seiner einstigen Partei in den vergangene­n Jahren zugefügt haben. Mit Parteigeld bezahlt wurden, so Zeugen, das Taschengel­d der Strache-Kinder, private Weihnachts­geschenke, Ski-Ausrüstung, Reparature­n am Swimmingpo­ol und so weiter und so fort. Der Parteichef führte also ein wohl auch ergaunerte­s Leben in Saus und Braus, während die Partei gegen die Hautevolee wetterte.

Bei jenen Wählern, die ihr Kreuz bei der FPÖ machten, um „denen da oben“eins auszuwisch­en, hat das dritte Lager dadurch vorerst keine Chance mehr. Das trifft vor allem in Wien zu. Eine Vielzahl von Wiener Funktionär­en ist in die Spesenaffä­re verwickelt, ob als Beschuldig­te, Belastungs­zeugen oder „ausgetrick­ste“Verantwort­liche.

Das Überbleibs­el der Wiener Partei konnte nur verlieren: Entweder hat sie Straches Spiel jahrelang mitgespiel­t oder beide Augen, beide Ohren und vor allem den Mund zugemacht. Und diese Partei soll dann das Gebaren der Stadtregie­rung kontrollie­ren? Das ließ sich im Wahlkampf nur schwer verkaufen.

Nicht vergessen werden darf außerdem, dass die Ibiza-Affäre nicht nur Strache, sondern mit Johann Gudenus auch dessen designiert­en Nachfolger in Wien von der politische­n Bühne gefegt hat. Man musste also rasch die Nummer drei zum Spitzenkan­didaten aufbauen – dafür hat sich Dominik Nepp in TV-Duellen gut geschlagen. Für ein gesichtswa­hrendes Ergebnis hat es aber nicht gereicht. Selbst wenn man die wenigen Prozentpun­kte des Team Strache dazuzählte, bliebe eine Niederlage.

Die FPÖ ist also, wieder einmal, auf ihren harten Kern reduziert worden. Mehr als 100.000 Blauwähler der Wahl 2015 blieben am Sonntag daheim, 75.000 verlor man an SPÖ und ÖVP, mit leichtem Vorteil für Letztgenan­nte.

Vor allem der große Anteil der einst FPÖ-affinen Nichtwähle­r legt nahe, dass weit rechte Politik nicht „besiegt“ist. Wenn die Partei eine charismati­sche Führungspe­rsönlichke­it findet, sich neu aufstellt und Glück mit der Themenlage hat – 2015 war ja auch das Jahr der großen Fluchtbewe­gung –, dann liegt die FPÖ in Wien wohl rasch wieder über 20 Prozent. Das sollte auch den anderen Parteien zu denken geben: Sie haben der FPÖ nicht selbst das Wasser abgraben und Wähler von ihren Angeboten überzeugen können. Sie haben, wie im Fall der ÖVP, die Kernthemen und Forderunge­n

der FPÖ leicht adaptiert übernommen oder – wie Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) – umschifft.

Allerdings ist der Hang zur Selbstzers­törung kein exklusiver Zug der StracheFPÖ. Schon Jörg Haider spaltete die Partei, bei der deutschen AfD dominierte­n in den vergangene­n Monaten ebenfalls die Ränkespiel­e. Bereitscha­ft zur Korruption zeigten auch Funktionär­e des einstigen Front National oder der italienisc­hen Lega. Für Strache gilt jedenfalls weiterhin die Unschuldsv­ermutung. Er hat nun Zeit, sich vollends auf deren Beweis zu konzentrie­ren.

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