2., LEOPOLDSTADT wird von Grün auf Rot umgefärbt
Es sei schon erstaunlich, wie wahlentscheidend die Errichtung eines temporären Radwegs sein könne, sagt die Grün-Wählerin Sophia zu ihrer Freundin Claudia, als sie gemeinsam mit ihren kleinen Kindern die Prater Hauptallee entlangspazieren. Gerade hatte Claudia erklärt, dass sie dieses Mal SPÖ gewählt habe, weil sie von Verkehrsprojekten wie dem Popup-Radweg auf der Praterstraße dermaßen genervt war, dass sich die Grünen ihrer Ansicht nach einen Denkzettel verdient hätten.
Egal, wen man bei einem Streifzug durch die Leopoldstadt am Tag nach der Wahl fragt: Früher oder später kommen die Bewohner auf das Thema Verkehr und seiner Beruhigung zu sprechen. Entweder es herrscht totale Ablehnung oder volle Unterstützung; kaum einer hat keine Meinung dazu. Dessen ist sich auch Alexander Nikolai (SPÖ) bewusst, der dem Bezirk aller Voraussicht nach künftig vorstehen wird und der damit das vierjährige grüne Intermezzo beenden und Bezirksvorsteherin Uschi Lichtenegger (Grüne) in ihrer Funktion ablösen wird. „Ich halte nichts von temporären Lösungen“, sagt der langgediente Gewerkschafter zu dieser Diskussion im STANDARD-Gespräch. Er sei sich zwar bewusst, dass man hie und da Parkplätze reduzieren müsse, aber „nicht auf die brachiale Tour“.
Das Verhältnis zwischen SPÖ und Grünen im Bezirk gilt als zerrüttet. Viele Bewohner sind, angesprochen auf die Wahl, genervt von dieser, manche bemängeln auch, dass sie nicht mitkriegen würden, was die Bezirksvorstehung überhaupt politisch umsetze. „Wählen gehen interessiert mich schon lange nicht mehr“, sagt eine Frau während ihrer Zigarettenpause vor einer Supermarktfiliale. Die Nichtwähler wolle er wieder zurückholen, kündigt Nikolai an; etwa durch Sprechstunden in Cafés, bei denen er Nöte und Bedürfnisse im Grätzel abfragen wolle. Was er jetzt schon weiß: Die Anwohner seien unglücklich mit dem angekündigten Busterminal beim Stadioncenter. „Da treten wir ein Erbe an, das wir so nicht haben wollten. Da müssen wir schauen, wie wir das in der Form vielleicht noch abwenden können.“
Sie hätte sich schon gewünscht, dass die Grünen ihre Arbeit fortsetzen können, sagt eine Frau, die durchs Nordbahnviertel spaziert. Aber die SPÖ sei als kleineres Übel schon auch okay. (van)