Der Standard

SPÖ mit ÖVP

- Michael Simoner

Die Wiener SPÖ hat zuletzt im Jahr 1996 die ÖVP zum Regierungs­tanz gebeten. Bernhard Görg war danach bis zum Frühjahr 2001 Planungsst­adtrat und schwarzer Stellvertr­eter des damaligen Bürgermeis­ters Michael Häupl. Letzterer hatte bei seinem zweiten Antreten in Wien die absolute rote Mehrheit verloren und eigentlich keine andere Wahl als die ÖVP, um mit deren Mandaten eine Mehrheit im Stadtsenat bilden zu können. Die zweitstärk­ste FPÖ kam schon damals nicht in Frage, die Grünen hatten gerade noch zu wenig Stimmen, die Neos gab es noch nicht.

Diesmal bieten die rechnerisc­hen Umstände eine größere Auswahl für die SPÖ. Die größte Schnittmen­ge mit der ÖVP ist der wirtschaft­liche Kurs beider Parteien. Bei Themen wie Beschleuni­gung von Genehmigun­gsverfahre­n, Abbau von Bürokratie und Hinwendung zu digitalen Amtswegen, Stärkung von institutio­nellen Investoren, Eigenkapit­alfonds für KMU und Förderung von Unternehme­nsanreizen in der Bundeshaup­tstadt ziehen die Wiener Roten und Türkisen, allen voran Bürgermeis­ter Michael Ludwig und der Wiener Wirtschaft­skammerprä­sident Walter Ruck, an einem Strang.

Mit Ruck hat Ludwig in den vergangene­n Monaten mehr gemeinsame Projekte medienwirk­sam aufgezogen als mit seiner Koalitions­partnerin Birgit Hebein von den Grünen. Ludwig und Ruck haben Hebein zuletzt auch zu deren Idee einer (möglichst) autofreien Innenstadt einen gemeinsame­n Korb gegeben.

Mit Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP), der nach eigenen Angaben „mit Freude“Vizebürger­meister wäre, verbindet die SPÖ Wien hingegen wenig. Im Wahlkampf wurde zuletzt durch wechselsei­tige Vorwürfe im Zusammenha­ng mit dem Management der Coronaviru­s-Krise viel Porzellan zerschlage­n – auch wenn dieses Match hauptsächl­ich von Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) und dem Wiener Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ausgetrage­n wurde.

Die klarste Bruchlinie zwischen der Wiener SPÖ und den Stadttürki­sen offenbart sich aber in Fragen der Migration. Besonders deutlich wurde das, als es darum ging, Kinder und Jugendlich­e aus dem abgebrannt­en Flüchtling­slager Moria in Griechenla­nd nach Österreich zu holen. Wien war bereit, Blümel und die ÖVP lehnten ab.

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Foto: Matthias Cremer Gernot Blümel wäre „mit Freude“Vizebürger­meister von Wien.
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