Kampf um Ludwigs Gunst
Vor dem Start erster Parteiengespräche über die neue Koalition haben die Pinken mehr als nur Außenseiterchancen. ÖVP und Grüne dürften ihr Ergebnis vom Wahlabend deutlich verbessern.
Am Dienstag nach der Wien-Wahl wurde weiterhin fleißig ausgezählt. Ein finales Ergebnis wurde aufgrund der Rekordzahl an Briefwahlstimmen erst für Mittwochvormittag erwartet. Dennoch sickerten aus Rathauskreisen aktuelle Hochrechnungen mit bereits ausgezählten Briefwahlstimmen durch. Nach STANDARD-Informationen dürfte die SPÖ mit Bürgermeister Michael Ludwig zwar die 40-Prozent-Marke knacken – allerdings mit rund 41 Prozent weniger deutlich als bei der Hochrechnung am Wahlabend. Hier wurden der SPÖ noch 42,1 Prozent ausgewiesen.
Überproportional dürften von den noch offenen Briefwahlstimmen die ÖVP und die Grünen profitieren. Und das besser als von den Hochrechnern am Wahlabend prognostiziert. Die ÖVP dürfte laut Rathauskreisen sogar auf rund 21 Prozent kommen. Hochrechnungen sahen die Türkisen mit Spitzenkandidat Gernot Blümel inklusive Wahlkartenprognosen bei 18,8 Prozent. Detto bei den Grünen: Diese wurden am Sonntagabend auf 14 Prozent hochgerechnet. In der Endabrechnung dürfte die Ökopartei mit Vizebürgermeisterin Birgit Hebein an der Spitze ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Wien-Wahl erreichen. 2005 schafften die Grünen mit Maria Vassilakou 14,6 Prozent, diesmal dürften es um die 15 Prozent werden.
Für die Freiheitlichen zeichnete sich ein noch dramatischerer Absturz ab als am Wahlsonntag prognostiziert. Die FPÖ steuerte auf nur sieben Prozent zu und dürfte hinter den Neos bleiben. Für die FPÖ bedeutet Platz fünf – nach 31 Prozent und Rang zwei vor fünf Jahren – ein absolutes Debakel. Die Pinken dürften um die 7,5 Prozent erreichen.
Parteiengespräche ab Montag
Die SPÖ könnte nach den jüngsten inoffiziellen Hochrechnungen zwar noch ein Mandat verlieren und Anspruch auf 46 Sitze im Gemeinderat haben, abgesicherte Mehrheiten für die neue Koalition sind für die SPÖ aber weiterhin sowohl mit den Grünen als auch mit der ÖVP und den Neos möglich.
Die SPÖ mit Stadtchef Ludwig wird am Freitag in den Parteigremien den Fahrplan zu den Sondierungsgesprächen mit den anderen Parteien festlegen. Sie werden am Montag starten. Neben dem Bürgermeister werden zwei weitere hochrangige rote Vertreter beim ersten Abtasten in kleiner Runde dabei sein. Wer den Stadtchef begleiten wird, wurde noch nicht verraten. Vonseiten der Partei dürfte aber Landesgeschäftsführerin Barbara Novak, eine Vertraute Ludwigs, gute Karten haben.
Die Parteimanagerin wird auch als mögliches neues Gesicht in der Stadtregierung gehandelt. Erst nach dem Austausch mit allen im Gemeinderat vertretenen Fraktionen werden Koalitionsgespräche mit einer Partei aufgenommen – mit Beginn um den Nationalfeiertag am 26. Oktober. „Parallelverhandlungen sind nicht angedacht“, hieß es aus der SPÖ.
Einige Rote wollen Partnerwechsel
Immer mehr kristallisiert sich heraus, dass die Neos dabei alles andere als Außenseiterchancen haben. Der Unmut roter Spitzenvertreter in den großen Flächenbezirken über den bisherigen grünen Juniorpartner ist unüberhörbar. Und in diesen Bezirken hat die SPÖ bei der Wahl zugelegt. Für Donaustadts Bezirkschef Ernst Nevrivy ist es etwa „besser für Wien und die Donaustadt“, wenn die Grünen nicht mehr die Verkehrsagenden führen. Nevrivy führte die bisher gute Zusammenarbeit mit der ÖVP und den Neos ins Treffen. Die innerstädtischen Bezirke innerhalb des Gürtels, wo es tendenziell besser mit den Grünen läuft, schnitten nicht so gut ab.
Ein Pakt mit den Neos wäre hingegen auch ein Wagnis für Ludwig. Allerdings haben die Neos im Wahlkampf keine großen Hürden aufgebaut, meint ein roter Funktionär. Mit den Grünen freilich gebe es die meisten Überschneidungen – auch wenn der Krach bei Verkehrsthemen wie der verkehrsberuhigten City zuletzt virulent war. Die Variante mit der ÖVP von Sebastian Kurz und Gernot Blümel, die sich in Wien mehr als verdoppelt hat und auf Platz zwei kam, ist eher unrealistisch. Ludwigs Vertrauter, der WirtschaftskammerChef Walter Ruck, wird – so wie es derzeit aussieht – nicht in die erste politische Reihe wechseln. Und ein Gespann Ludwig/Blümel ist nicht vorstellbar.
In der vergangenen Legislaturperiode wurde die Anzahl der Stadträte auf zwölf festgelegt. Möglich sind zwischen neun und 15. Bleibt es bei zwölf, könnten sowohl ÖVP als auch Grüne Anspruch auf zwei Stadtratsposten haben. Neos und FPÖ hätten einen, die SPÖ sechs. Ein Pakt mit den Neos hätte für die Roten den Vorteil, dass es dann nur einen amtsführenden Stadtrat gibt, der nicht von der SPÖ kommt. Neos-Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr sagte, dass er bereit für eine „Reformkoalition“wäre. Man warte auf die Gesprächseinladung Ludwigs. Bildung, Arbeitsmarkt, Klimaschutz und Transparenz seien für die Neos die Kernthemen. Auf den möglichen Posten als nicht amtsführenden Stadtrat werden die Pinken verzichten. Wiederkehr: „Das ist rechtlich möglich.“