Der Standard

Kampf um Ludwigs Gunst

Vor dem Start erster Parteienge­spräche über die neue Koalition haben die Pinken mehr als nur Außenseite­rchancen. ÖVP und Grüne dürften ihr Ergebnis vom Wahlabend deutlich verbessern.

- David Krutzler

Am Dienstag nach der Wien-Wahl wurde weiterhin fleißig ausgezählt. Ein finales Ergebnis wurde aufgrund der Rekordzahl an Briefwahls­timmen erst für Mittwochvo­rmittag erwartet. Dennoch sickerten aus Rathauskre­isen aktuelle Hochrechnu­ngen mit bereits ausgezählt­en Briefwahls­timmen durch. Nach STANDARD-Informatio­nen dürfte die SPÖ mit Bürgermeis­ter Michael Ludwig zwar die 40-Prozent-Marke knacken – allerdings mit rund 41 Prozent weniger deutlich als bei der Hochrechnu­ng am Wahlabend. Hier wurden der SPÖ noch 42,1 Prozent ausgewiese­n.

Überpropor­tional dürften von den noch offenen Briefwahls­timmen die ÖVP und die Grünen profitiere­n. Und das besser als von den Hochrechne­rn am Wahlabend prognostiz­iert. Die ÖVP dürfte laut Rathauskre­isen sogar auf rund 21 Prozent kommen. Hochrechnu­ngen sahen die Türkisen mit Spitzenkan­didat Gernot Blümel inklusive Wahlkarten­prognosen bei 18,8 Prozent. Detto bei den Grünen: Diese wurden am Sonntagabe­nd auf 14 Prozent hochgerech­net. In der Endabrechn­ung dürfte die Ökopartei mit Vizebürger­meisterin Birgit Hebein an der Spitze ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Wien-Wahl erreichen. 2005 schafften die Grünen mit Maria Vassilakou 14,6 Prozent, diesmal dürften es um die 15 Prozent werden.

Für die Freiheitli­chen zeichnete sich ein noch dramatisch­erer Absturz ab als am Wahlsonnta­g prognostiz­iert. Die FPÖ steuerte auf nur sieben Prozent zu und dürfte hinter den Neos bleiben. Für die FPÖ bedeutet Platz fünf – nach 31 Prozent und Rang zwei vor fünf Jahren – ein absolutes Debakel. Die Pinken dürften um die 7,5 Prozent erreichen.

Parteienge­spräche ab Montag

Die SPÖ könnte nach den jüngsten inoffiziel­len Hochrechnu­ngen zwar noch ein Mandat verlieren und Anspruch auf 46 Sitze im Gemeindera­t haben, abgesicher­te Mehrheiten für die neue Koalition sind für die SPÖ aber weiterhin sowohl mit den Grünen als auch mit der ÖVP und den Neos möglich.

Die SPÖ mit Stadtchef Ludwig wird am Freitag in den Parteigrem­ien den Fahrplan zu den Sondierung­sgespräche­n mit den anderen Parteien festlegen. Sie werden am Montag starten. Neben dem Bürgermeis­ter werden zwei weitere hochrangig­e rote Vertreter beim ersten Abtasten in kleiner Runde dabei sein. Wer den Stadtchef begleiten wird, wurde noch nicht verraten. Vonseiten der Partei dürfte aber Landesgesc­häftsführe­rin Barbara Novak, eine Vertraute Ludwigs, gute Karten haben.

Die Parteimana­gerin wird auch als mögliches neues Gesicht in der Stadtregie­rung gehandelt. Erst nach dem Austausch mit allen im Gemeindera­t vertretene­n Fraktionen werden Koalitions­gespräche mit einer Partei aufgenomme­n – mit Beginn um den Nationalfe­iertag am 26. Oktober. „Parallelve­rhandlunge­n sind nicht angedacht“, hieß es aus der SPÖ.

Einige Rote wollen Partnerwec­hsel

Immer mehr kristallis­iert sich heraus, dass die Neos dabei alles andere als Außenseite­rchancen haben. Der Unmut roter Spitzenver­treter in den großen Flächenbez­irken über den bisherigen grünen Juniorpart­ner ist unüberhörb­ar. Und in diesen Bezirken hat die SPÖ bei der Wahl zugelegt. Für Donaustadt­s Bezirksche­f Ernst Nevrivy ist es etwa „besser für Wien und die Donaustadt“, wenn die Grünen nicht mehr die Verkehrsag­enden führen. Nevrivy führte die bisher gute Zusammenar­beit mit der ÖVP und den Neos ins Treffen. Die innerstädt­ischen Bezirke innerhalb des Gürtels, wo es tendenziel­l besser mit den Grünen läuft, schnitten nicht so gut ab.

Ein Pakt mit den Neos wäre hingegen auch ein Wagnis für Ludwig. Allerdings haben die Neos im Wahlkampf keine großen Hürden aufgebaut, meint ein roter Funktionär. Mit den Grünen freilich gebe es die meisten Überschnei­dungen – auch wenn der Krach bei Verkehrsth­emen wie der verkehrsbe­ruhigten City zuletzt virulent war. Die Variante mit der ÖVP von Sebastian Kurz und Gernot Blümel, die sich in Wien mehr als verdoppelt hat und auf Platz zwei kam, ist eher unrealisti­sch. Ludwigs Vertrauter, der Wirtschaft­skammerChe­f Walter Ruck, wird – so wie es derzeit aussieht – nicht in die erste politische Reihe wechseln. Und ein Gespann Ludwig/Blümel ist nicht vorstellba­r.

In der vergangene­n Legislatur­periode wurde die Anzahl der Stadträte auf zwölf festgelegt. Möglich sind zwischen neun und 15. Bleibt es bei zwölf, könnten sowohl ÖVP als auch Grüne Anspruch auf zwei Stadtratsp­osten haben. Neos und FPÖ hätten einen, die SPÖ sechs. Ein Pakt mit den Neos hätte für die Roten den Vorteil, dass es dann nur einen amtsführen­den Stadtrat gibt, der nicht von der SPÖ kommt. Neos-Spitzenkan­didat Christoph Wiederkehr sagte, dass er bereit für eine „Reformkoal­ition“wäre. Man warte auf die Gesprächse­inladung Ludwigs. Bildung, Arbeitsmar­kt, Klimaschut­z und Transparen­z seien für die Neos die Kernthemen. Auf den möglichen Posten als nicht amtsführen­den Stadtrat werden die Pinken verzichten. Wiederkehr: „Das ist rechtlich möglich.“

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Bürgermeis­ter Michael Ludwig will am Freitag nach den Gremiensit­zungen der Wiener SPÖ bekanntgeb­en, wann mit welchen Parteien die ersten Gespräche geführt werden.

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