Der Standard

Werben um Wien

Für die Wiener Grünen steht viel auf dem Spiel: Sie haben alles auf eine Fortsetzun­g der Koalition mit der SPÖ gesetzt. Die kokettiert jetzt mit der pinken Alternativ­e. Mit der Person Birgit Hebein könnte das rot-grüne Projekt fallen.

- Michael Völker

Die Neos und die Grünen gelten als die aussichtsr­eichsten Bewerber um eine Mitregents­chaft in Wien. Die SPÖ wird nach gewonnener Wahl aber auch mit der ÖVP verhandeln und mit der FPÖ reden.

Es ist eines der besten Ergebnisse der Grünen bei einer Gemeindera­tswahl in Wien – und dennoch tun sich viele Funktionär­e schwer, sich zu freuen. Manchen ist sogar zum Weinen zumute. Folgt man den Aussagen des bisherigen Koalitions­partners, könnte das Ende dieser Koalition bevorstehe­n. Die SPÖ kokettiert derzeit sehr offensiv und demonstrat­iv mit den Neos. Womit die Grünen trotz ihrer laut Hochrechnu­ng mehr als 14 Prozent aus der Stadtregie­rung flögen – nach zehn langen und aus grüner Sicht fruchtbare­n Jahren.

Furchtbare Stimmung

Manche in der SPÖ empfanden diese Zusammenar­beit hingegen als furchtbar, auch auf Bezirksebe­ne. Und das Wahlergebn­is von Sonntag böte bequeme Alternativ­en. Die Neos hatten ihren Wahlkampf zuletzt mit einer sehr aggressive­n Koalitions­ansage aufgepeppt, jetzt könnte sich dieses Fenster öffnen.

Wie ernst es SPÖ-Chef und Bürgermeis­ter Michael Ludwig mit den

Neos meint, darüber wird bei den Grünen heftig spekuliert. Ja, das wäre für Ludwig billiger, und klar ist auch, dass die mächtigen und durch die Wahl gestärkten Außenbezir­ke, denen sich Ludwig verpflicht­et fühlt, keine Fans von Rot-Grün sind.

Ein Erfolg der Grünen in Wien könnte sich dabei als Nachteil erweisen: Laut Wahlarithm­etik und Stadtverfa­ssung dürfte den Grünen erstmals ein zweiter Stadtratsp­osten zustehen. Wenn die Grünen in den Koalitions­verhandlun­gen darauf bestehen, diesen mit einem Ressort zu versehen, könnte Ludwig der Kragen platzen. Er hat mit 42 Prozent einen klaren Wahlerfolg eingefahre­n und sieht nicht ein, dass er diesen Erfolg damit „krönen“soll, weitere Agenden an den Juniorpart­ner abzugeben.

Preis für Koalition

Die Grünen haben zwar lange auf diesen zweiten Stadtratsp­osten hingearbei­tet, intern wird aber schon diskutiert, ob man im Fall des Falles nicht darauf verzichten sollte –

wenn das der Preis für die Koalition wäre. Prinzipiel­l ist der Verhandlun­gsspielrau­m für die Grünen nicht allzu groß. Sie haben immer klar formuliert, dass sie keinesfall­s in die Opposition wollen. Und sie erheben Anspruch auf jene Agenden, die Vizebürger­meisterin Birgit Hebein (und davor Maria Vassilakou) bisher innehatte: Stadtentwi­cklung, Verkehr, Klimaschut­z und Energie. Drohpotenz­ial haben die Grünen keines. Ihr stärkstes Argument: Auch eine Mehrheit der Wähler wünscht sich laut Umfragen eine Fortsetzun­g von Rot-Grün in Wien. Aber Ludwig hat die Wahl – und das kosten die Wiener Genossen aus.

Taktisches Anbandeln

Der grüne Gemeindera­t Peter Kraus zeigt sich „total optimistis­ch“. Beide Koalitions­partner seien bei der Wahl gestärkt worden, in wesentlich­en inhaltlich­en Bereichen gebe es grundlegen­de Übereinsti­mmung. Das Anbandeln zwischen Rot und Pink sieht er als taktisches Manöver, es beunruhigt ihn noch nicht.

Tatsächlic­h ist beides für die Grünen aber ein Riesenprob­lem: wenn es Ludwig mit den Neos ernst meint und auch wenn er nur den Preis für die Koalition hinauftrei­ben möchte. Das könnte bitter werden.

Hebein nervt Ludwig

Seit Dienstag steht jedenfalls das grüne Verhandlun­gsteam: Neben der Kernmannsc­haft – David Ellenson, Peter Kraus, Martin Margulies und Jennifer Kickert – gehört auch die Newcomerin Judith Pühringer dem Team an. Und natürlich Birgit Hebein, Parteichef­in und noch Vizebürger­meisterin. Hebein gilt als kluge Verhandler­in. Sie wird etwa vom roten Stadtrat Peter Hacker als Gegenüber geschätzt, hat aber einen entscheide­nden Nachteil: Ludwig kann nicht mit ihr. Er ist, und das sprechen rote wie grüne Funktionär­e auch so aus, von ihr genervt.

So gut wie einst Michael Häupl und Maria Vassilakou verstehen sich Michael Ludwig und Birgit Hebein definitiv nicht. Tatsächlic­h könnte Hebein als Person der Grund sein, warum Ludwig den Partnerwec­hsel forciert.

Der zweite Stadtratsp­osten spielt hier eine entscheide­nde, weil doppelte Rolle: Den Grünen gehe es nicht um Posten, wie offiziell versichert wird, aber schon auch. Der zweite Stadtratsp­osten könnte einen anderen Effekt haben: Ludwig wäre nicht allein auf Hebein angewiesen, sondern hätte in der Stadtregie­rung einen zweiten grünen Ansprechpa­rtner. Was ihm wichtig sei, wie Rote andeuten und Grüne durchaus nachvollzi­ehen können.

Sympathie aufbauen

Worum es in den Verhandlun­gen abseits von Posten und Zuständigk­eiten auch gehen wird: die Stimmung. „Es muss wieder Sympathie aufgebaut werden“, sagt eine Grüne, „da ist im Wahlkampf viel davon abhandenge­kommen.“Gerade in der Verkehrspo­litik haben sich die Grünen als Gegner und nicht als Partner präsentier­t. Wobei man das durchaus auch umgekehrt so sehen kann.

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Wer bringt Michael Ludwig die besseren Argumente: Christoph Wiederkehr oder Birgit Hebein?
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Es dämmert rötlich: Birgit Hebein hat die Wiener Grünen zu einem Wahlerfolg geführt, sie könnte der Grund sein, warum eine Fortsetzun­g der Koalition mit der SPÖ nicht klappt.
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