Rot-Pink – klare Verhältnisse
Für die Wiener Sozialdemokratie wären die Neos der einfachste Partner: Dank der Proporzregierung hätte die liberale Partei auf nur einen Stadtratssitz Anspruch – im Gegensatz zu ÖVP und Grünen, die jeweils zwei erhielten. Damit wäre aber auch schon ein zentrales Thema für die Koalitionsverhandlungen gesetzt – zumindest für die Neos, denn die Abschaffung der nicht amtsführenden Stadträte in Wien gehört zu den pinken Urforderungen.
Die Größenverhältnisse zwischen den beiden potenziellen Partnern könnten aber ein Problem sein: Auf Bundesebene wurde dem Koalitionsübereinkommen und der Ressortaufteilung das Stimmenverhältnis 1:2,7 (Grüne zu Volkspartei) zugrundegelegt. In Wien hieße das 1:5,5 – für den Juniorpartner blieben da nur Krümel übrig. Die sind den Gesinnungsgenossen eher schlecht zu verkaufen.
Kernthema Bildung
Umso wichtiger wären deutliche Duftmarken für die Neos in einer etwaigen Koalition. Dem pinken Kernthema, der Bildungspolitik, im Koalitionsübereinkommen gerecht zu werden, erscheint machbar: Mehr Personal und Geld sowie stärkerer Fokus auf die Elementarpädagogik werden schnell zu Konsensthemen. Bei der objektivierten Bestellung von Schulleitern wird es schon heikler. Verbunden damit wäre wohl jedenfalls der Anspruch von Neos auf das Bildungsressort.
Politstrategisch würde eine solche Konstellation im von beiden Seiten durchaus gerne forcierten Match zwischen Bund und Wien für klare Verhältnisse sorgen: ÖVP und Grüne auf der einen, SPÖ und
Neos auf der anderen Seite. Einzig mit der klassischen Zuordnung von links und rechts täte man sich schwer. Schwere Kost
Zudem könnte die SPÖ mit einer rot-pinken Koalition ihre Innovationsaffinität unter Beweis stellen. Erstens wäre es die erste solche Konstellation in Österreich auf legislativer Ebene, zweitens gehören zu den zentralen Elementen des Neos-Gründungsnarrativs politkulturelle Anliegen: die Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern sowie die Transparenz von politischen Prozessen. Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Stadtplanungsprojekten, transparente Auftragsvergaben, objektive Postenbesetzungen – das ist für Parteien, die seit Jahrzehnten weitgehend allein regieren, schwer verdauliche Kost. Für die SPÖ Wien somit ein Offenbarungseid zu ihrer Reformfähigkeit, gleichzeitig vielleicht die Blaupause einer bundesweiten Parteierneuerung.
Zum Neos-Gründungsnarrativ gehört auch der Gestaltungswille. Die Veränderung Österreichs, der sich die pinke Bürgerbewegung in ihren Anfängen verschrieben hat, ist ein klarer Auftrag für eine Regierungsbeteiligung – sofern Veränderung dann auch tatsächlich möglich ist.
Wenn sich die Neos nach der Salzburger Dirndlkoalition (ÖVP, Grüne, Neos) nun in einer zweiten Variante an einer Regierung beteiligen, würden sich die Liberalen endgültig als Machtfaktor etablieren – und auch auf Bundesebene zur Koalitionsoption werden.