Der Standard

Van der Bellen und Co im Visier chinesisch­er Datensamml­er

Die „Zhenhua Files“belegen, wie Peking Profile über ausländisc­he Persönlich­keiten und deren Familien anlegt

- Balazs Csekö, Markus Sulzbacher

Wien – Was haben Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, die grüne Klubobfrau Sigi Maurer, Bundesheer­offiziere, Wirtschaft­smanager und freiheitli­che Ex-Politiker gemeinsam? Sie alle tauchen in einem neuen Leak auf, den „Zhenhua Files“. Über Jahre hat eine chinesisch­e Firma Profile über ausländisc­he Persönlich­keiten und deren Umfeld angelegt. Ihre Datenbank gewährt einen Einblick in die Arbeitswei­se der regimenahe­n Datensamml­er und erinnert an den Cambridge-Analytica-Skandal. Sicherheit­sexperten rufen zu mehr Datenschut­z und -sicherheit auf.

In Ungarn sorgte die Veröffentl­ichung der Daten für einen Skandal. Die Regierung berief den Nationalen Sicherheit­srat ein. (red)

Ein eng mit dem chinesisch­en Militär und der Regierung in Peking verwobenes Unternehme­n hat systematis­ch österreich­ische Politiker und deren Familien ausgespäht. Darunter Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, die grüne Klubobfrau Sigi Maurer und ihr ÖVP-Gegenüber August Wöginger. Insgesamt wurden Daten von 444 in Österreich lebenden Personen von Zhenhua Data Technology mit Firmensitz im südchinesi­schen Shenzhen gespeicher­t, einem Unternehme­n, das sich selbst als eine „patriotisc­he Firma“bezeichnet, mit dem chinesisch­en Militär als Kunde. Das Big-Data-Unternehme­n sammelt und analysiert Daten aus verschiede­nsten Quellen, um sie nach den Wünschen von Sicherheit­sbehörden und der chinesisch­en Regierung aufzuberei­ten.

Insgesamt wurden persönlich­e Daten von 2,4 Millionen „ausländisc­hen Personen“gespeicher­t, darunter Adresse, Telefonnum­mer, Geburtsdat­um, Familienst­and, Verwandte, Bilder und Social-MediaAccou­nts. Die Informatio­nen stammen größtentei­ls aus sozialen Medien, also Facebook, Twitter, Instagram, Youtube. Solche Dossiers gelten seit dem Cambridge-AnalyticaS­kandal als verpönt. Facebook hat derlei Datensamml­ung auf seiner Plattform verboten. Abgeschöpf­t wurde auch aus öffentlich­en Quellen, wie Wikipedia oder der kommerziel­len Dow-Jones-Datenbank Factiva, sowie österreich­ischen Medien. Aber auch nicht öffentlich zugänglich­e Daten wurden gesammelt.

Auszüge daraus, die dem STANDARD vorliegen, wurden in den vergangene­n Wochen unter dem Namen „Zhenhua Files“in den USA, Australien, Island, Großbritan­nien und Ungarn von Medien veröffentl­icht. In Ungarn sorgte die Enthüllung für große Empörung, weil auch Daten über ein Kind des ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán gesammelt wurden. Es wurde der Nationale Sicherheit­srat einberufen, um Reaktionen zu beraten. Dem australisc­hen Sender ABC News sagte ein Geheimdien­stanalyst, Zhenhua Data sei „Cambridge Analytica auf Steroiden“. Für den US-Wissenscha­fter Christophe­r Balding und den australisc­hen Sicherheit­sexperten Robert Potter sind die Zenhua Files ein erster direkter Beweis für die Datensamml­ung über ausländisc­he Personen und Institutio­nen zum Zweck der Aufklärung und Einflussna­hme. Liberale Demokratie­n sollten Datenschut­z und Datensiche­rheit verstärken und die Bedrohung ernst nehmen.

Bei der Auswahl der Zielperson­en in den jeweiligen Ländern folgt Zenhua Data einem Muster: Politiker, Wirtschaft­smanager, Geistliche, Militärs, Polizisten, Diplomaten, Richter, aber auch islamistis­che Terroriste­n. Auffällig ist, dass nicht nur Schlüsselp­ersonen und wichtige Entscheidu­ngsträger darunter sind, sondern – wie das Beispiel Ungarn zeigt – auch deren Angehörige: Kinder, Eltern, aktuelle und ehemalige Ehepartner. In Österreich etwa die Ex-Frau des früheren Wiener Bürgermeis­ters Michael Häupl und des ORF-Generaldir­ektors Alexander Wrabetz.

In drei Kategorien eingeteilt

Die Österreich­er werden in drei Kategorien eingestuft: „politisch exponierte Person“, „Verwandter oder enger Vertrauter“und „Person von besonderem Interesse“. Aus den Daten geht nicht hervor, was mit „besonderem Interesse“gemeint ist, jedoch fällt auf, dass das Interesse Personen gilt, denen Korruption, Betrug, Steuerhint­erziehung, Mord, Kriegsverb­rechen und terroristi­sche Aktivitäte­n vorgeworfe­n werden. So haben etwa der in einem österreich­ischen Gefängnis sitzende serbische Kriegsverb­recher Zoran Žigić und der IS-Terrorist Mohamed Mahmoud das Interesse der chinesisch­en Datenfänge­r geweckt.

Wenig überrasche­nd ist, dass die chinesisch­e Datenbank Namen von Dutzenden Politikern enthält. Der prominente­ste darunter ist Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen. Doch auch die Mutter und der Großvater des Präsidente­n wurden samt Bild extra dokumentie­rt. Auch mehrere Mitglieder des Teams der Präsidents­chaftskanz­lei sind im Visier der Datensamml­er. Auffallend zahlreich werden Informatio­nen über Botschafte­r, Bundesheer­offiziere und Richter des Verfassung­sgerichtsh­ofes gesammelt. Die Zhenhua Files enthalten auch Informatio­nen über den ÖBB-Chef Andreas Matthä, den Gewerkscha­ftschef Wolfgang Katzian und Bischöfe.

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