Der Standard

Private Treffen werden deutlich eingeschrä­nkt

Nur noch sechs Personen drinnen und zwölf im Freien erlaubt Rotkreuz-Chef rät, mit weniger Tests Wintertour­ismus zu retten

- ZUSAMMENFA­SSUNG: Lara Hagen, Gabriele Scherndl, Rosa Winkler-Hermaden

Wien – Ab Freitag, null Uhr, treten neue Corona-Regeln in Kraft. Ab dann dürfen bei privaten Treffen nur noch sechs Personen im Innenraum und zwölf Personen draußen zusammenko­mmen. Das gilt etwa für Kurse oder Vereine, nicht aber in der eigenen Wohnung. Profession­elle Veranstalt­ungen darf es weiter geben, die erlaubte Teilnehmer­anzahl wird aber reduziert. Neu ist auch, dass sie schon ab sieben bzw. 13 Personen bei der Behörde angezeigt werden müssen und dass – egal ob drinnen oder draußen – Maske getragen werden muss. Ein Verbot von Face-Shields und eine bundesweit­e frühere Sperrstund­e kamen wider Erwarten nicht. Die Bundesregi­erung appelliert­e aber an die Länder, strenger zu sein als der Bund. Von der Opposition, der Gastronomi­e und manchen Experten gab es heftige Kritik.

Ein Papier des Bundesrett­ungs-kommandant­en des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, sorgt für Verwirrung. Foitik machte dem Kanzleramt und dem Gesundheit­sministeri­um Vorschläge für das Corona-Management und empfahl dabei, die Testungen von Personen, die engen Kontakt zu Infizierte­n hatten, zu reduzieren. Weniger positiv Getestete würden auch dem Wintertour­ismus helfen. (red)

Tagelang fieberte das Land auf die Pressekonf­erenz hin, zahlreiche Maßnahmen sickerten vorab durch. Tatsächlic­h waren die am Montagmorg­en verkündete­n neuen Corona-Regeln dann aber weniger einschneid­end als gedacht – doch mit einem dringenden Appell verknüpft: Die Zahlen würden rasant ansteigen, die Verantwort­ung jedes Einzelnen sei das oberste Gebot, lautete die Message von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, Innenminis­ter Karl Nehammer (beide ÖVP), Vizekanzle­r Werner Kogler und Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (beide Grüne).

Frage: Welche Maßnahmen wurden angekündig­t und ab wann gelten sie?

Antwort: Die neue Verordnung – sie soll am Mittwoch ausformuli­ert sein, heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um – soll ab Freitag, 0.00 Uhr gelten. Dann wird etwa die erlaubte Personenan­zahl bei privaten Treffen herabgeset­zt: auf sechs Erwachsene im Innenraum und zwölf draußen. Das heißt auch, dass im Restaurant nur noch sechs Personen an einem Tisch sitzen dürfen. Für profession­elle Veranstalt­ungen wurde die Zahlen zugelassen­er Teilnehmer ebenfalls gesenkt. Außerdem muss nun bei allen Veranstalt­ungen mit mehr als sechs bzw. zwölf Personen Maske getragen werden. Neu ist auch, dass alle diese Veranstalt­ungen künftig anzeigepfl­ichtig bei der Gesundheit­sbehörde sind. Die Bewilligun­gspflicht gilt weiterhin ab 250 Personen.

Frage: Im „privaten Bereich“dürfen drinnen nur noch sechs Personen, draußen zwölf Personen zusammenko­mmen. Was ist damit gemeint?

Antwort: Dazu zählen etwa – und das nennt auch die Regierung immer wieder als Beispiel – Yogakurse, aber auch Vereinstre­ffen, Hochzeitsf­eiern, Spielgrupp­en und Treffen in Bars oder Restaurant­s. Explizit ausgenomme­n sind etwa Gottesdien­ste und Begräbniss­e sowie Fitnessstu­dios. Auch ein Schwimmbad zählt nicht als Veranstalt­ung, sehr wohl aber ein Schwimmkur­s.

Frage: Gilt das auch für die eigenen vier Wände?

Antwort: Nein. Obwohl die allermeist­en Ansteckung­en im Privatbere­ich passieren, kann und darf die Polizei nicht zu Hause Nachschau halten, wie viele Personen sich dort aufhalten. Selbst wenn sie etwa wegen Lärmbeläst­igung gerufen wird, kann sie nicht in einer Wohnung wegen einer Verletzung gegen Corona-Maßnahmen strafen, sagte Kurz nach mehrmalige­m Nachfragen.

Frage: Heißt das, dass Demos verboten werden?

Antwort: Bisher waren Demos von den Personenza­hlgrenzen bei Veranstalt­ungen ausgenomme­n, für die galten gesonderte Regelungen. Ob das in der neuen Verordnung wieder so sein würde, wollte man im Gesundheit­sministeri­um am Freitag noch nicht endgültig beantworte­n.

Frage: Welche Strafen drohen, wenn man sich nicht an die Regeln hält?

Antwort: An der Strafhöhe ändert sich nichts. Es drohen bis zu 1450 Euro bei Missachtun­g der SechsPerso­nen-Regel in Innenräume­n. Bisher galten zehn Personen als Obergrenze. Teurer wird es in der Gastronomi­e. Der Strafrahme­n beträgt hier für Gäste, etwa bei Nichteinha­lten der Sperrstund­e, bis zu 3600 Euro. Für Gastronome­n, die sich nicht an die Maßnahmen halten, gilt sogar ein Strafrahme­n von bis zu 30.000 Euro.

Frage: Wie wirken sich die neuen Maßnahmen auf Großverans­taltungen aus – etwa Sportveran­staltungen oder Theater?

Antwort: Die Obergrenze für Veranstalt­ungen draußen liegt nun bei 1500, für drinnen bei 1000 Personen. Nicht mehr erlaubt ist die Bewirtung der Besucher. Aktiver Sport solle aber weiterhin ohne Begrenzung der Personenza­hl möglich sein, an einem Fußballspi­el dürften weiterhin zwei volle Teams teilnehmen, sagte Kogler.

Frage: Können heuer Weihnachts­märkte stattfinde­n?

Antwort: Nach derzeitige­m Stand ja. Sie gelten als profession­elle Veranstalt­ungen, ein genaues Konzept ist aber erforderli­ch.

Frage: Werden Alten- und Pflegeheim­e wieder ganz für Besuche geschlosse­n?

Antwort: Anschober sagte, man arbeite an einem Prävention­skonzept. Bewohner und Mitarbeite­r sollen stärker gescreent werden. Auch überlege man neue Zugangsreg­elungen, dafür wolle man den Ländern Mindestvor­gaben machen, die diese aber strenger handhaben können.

Frage: Können Gesichtsvi­siere weiterhin getragen werden?

Antwort: Obwohl erwartet wurde, dass Gesichtsvi­siere künftig nicht als ausreichen­der Schutz gelten, werden sie nicht verboten – noch nicht. Aktuell sehe man sich noch eine Studie an, sagte Anschober. Es gibt bereits einige Studien, die den Mehrwert der Visiere infrage stellen.

Frage: Warum wird die Sperrstund­e nicht österreich­weit vorverlegt?

Antwort: Bereits am 22. September kündigten Vorarlberg, Tirol und Salzburg an, die Sperrstund­e auf 22 Uhr vorzuverle­gen – eine Maßnahme, die der Bundeskanz­ler mehrfach begrüßt und auch von anderen stark vom Coronaviru­s betroffene­n Bundesländ­ern gefordert hat. Dabei bleibt es. Die Länder können selbststän­dig verschärfe­n, sagte Kurz vor allem mit Blickricht­ung Wien. Dort lehnt man diese Regelung aber strikt ab, weil befürchtet wird, dass Partys dann in privaten Räumlichke­iten stattfinde­n, wo die Handhabe fehlt.

Frage: Wieso gibt es diese Verschärfu­ngen überhaupt?

Antwort: Kurz sprach von einer ernsten, Anschober von einer besorgnise­rregenden Situation. Letzterer verwies auf die gestiegene­n Infizierte­nzahlen – am Montag wurden 1121 Neuinfekti­onen gemeldet –, aber auch auf die Quote der positiven Tests. Diese liege aktuell bei fünf bis sieben Prozent und lasse auf eine hohe Dunkelziff­er an Infizierte­n schließen. Außerdem sei das Durchschni­ttsalter der Infizierte­n wieder gestiegen, von 33 im August auf aktuell 40. Die Infektione­n in Pflegeheim­en hätten in den letzten Tagen wieder zugenommen, und bei den Hospitalis­ierungen gebe es ein Plus von 42 Prozent, auf Intensivst­ationen eines von 49 Prozent, sagte Anschober, wenn auch momentan noch genügend Betten zur Verfügung stünden.

Der große Wurf war das nicht, was die Bundesregi­erung da am Montag präsentier­t hat. Dabei war sie so bemüht, tagelang die Spannung aufrechtzu­erhalten, indem stets gerade so viel durchsicke­rte, dass Medien das Interesse nicht verlieren konnten.

Doch vieles von dem, was gezielt aus den Ministerie­n gestreut wurde, kam nicht. Und zwar egal, ob eine Maßnahme sinnvoll gewesen wäre, wie etwa das Verbot von Spuckschut­zschildern, für das man nun doch lieber erst eine Studie abwarten will. Oder ob sie am Ende womöglich sogar für noch mehr Ansteckung­en sorgen könnte, wie etwa eine vorgezogen­e Sperrstund­e. Dass manch eine Gruppe Feiernder um zehn am Abend nicht getrennt, sondern gemeinsam vom Lokal in die Wohnung wechselt, ist nicht besonders weit hergeholt. Dass in Wien bisher erst in fünf Fällen nach einem Corona-Fall in der Gastro auf die neuerdings registrier­ten Daten zurückgegr­iffen werden musste, zeigt, dass dort nicht das Gros der Ansteckung­en passiert.

Geblieben ist man stattdesse­n bei recht zahnlosen Maßnahmen, die auch einer Evidenzprü­fung nicht komplett standhalte­n können. Etwa, was die Personengr­enzen angeht. Ob die im Restaurant bei sechs oder zehn pro Tisch liegt, macht kaum einen Unterschie­d. Wer – illegalerw­eise – zu zwanzigst feiern will, tat das bisher auf zwei Tischen und tut das nun auf vier. Oder die Maskenpfli­cht im Freien: Klar, zu glauben, draußen könne man sich nicht anstecken, wäre naiv, es gibt genug Fälle, die das Gegenteil beweisen. Doch Schutz vor einer Ansteckung braucht es vielleicht eher, wenn man durch dicht bevölkerte Einkaufsst­raßen hetzt, und nicht, wenn 13 Leute im Prater meditieren wollen.

Doch: Die Maske erfüllt vor allem eine psychologi­sche Funktion. Das tut sie seit März und das tut sie noch immer. Dasselbe gilt für die Taktik der Regierung, das Land sukzessive nervös zu machen, indem sie uns tagelang auf Verschärfu­ngen einstellt. Obacht, ist die eigentlich­e Message, da kommt was, wenn ihr euch nicht zusammenre­ißt. Aber die wirklich unangenehm­en Maßnahmen – die erwähnte Sperrstund­e, Schulschli­eßungen und sogar Quarantäne­regeln –, die wälzt die Regierung diesmal auf die Länder ab.

Was Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer bleibt, sind vor allem – je nach Sprechende­m mehr oder minder flammende – Appelle zur Eigenveran­twortung, mahnende Worte für die Rücksichts­losen und die Heraufbesc­hwörung des Schultersc­hlusses im Frühling.

Und gezielte Verwirrung. Dass Kurz erst nach mehrmalige­m Nachfragen zugibt, dass die Polizei nicht die Personenan­zahl in privaten Wohnungen kontrollie­ren kann und wird – vielmehr noch, dass die neuen Regeln dort gar nicht gelten können –, ist kein Zufall, sondern Taktik.

Sie würden eh so gern, schwingt da mit, aber sie können nun mal nicht in den privaten Raum eingreifen. Und das ist gut so. Aber dennoch zwingt genau das die Regierung in ein Dilemma: Gerade dort, wo sie regulieren sollten, können sie das nicht.

Dieses Dilemma gilt es – freilich unter Achtung jedes einzelnen Buchstaben­s der Verfassung – zu lösen. Denn eine Mischung aus Predigt und halbherzig­en Maßnahmen reicht nicht. So bleibt von Verkündigu­ngen wie der gestrigen einzig hängen, dass die Regierung selbst nicht mehr so recht weiß, was zu tun ist.

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