Private Treffen werden deutlich eingeschränkt
Nur noch sechs Personen drinnen und zwölf im Freien erlaubt Rotkreuz-Chef rät, mit weniger Tests Wintertourismus zu retten
Wien – Ab Freitag, null Uhr, treten neue Corona-Regeln in Kraft. Ab dann dürfen bei privaten Treffen nur noch sechs Personen im Innenraum und zwölf Personen draußen zusammenkommen. Das gilt etwa für Kurse oder Vereine, nicht aber in der eigenen Wohnung. Professionelle Veranstaltungen darf es weiter geben, die erlaubte Teilnehmeranzahl wird aber reduziert. Neu ist auch, dass sie schon ab sieben bzw. 13 Personen bei der Behörde angezeigt werden müssen und dass – egal ob drinnen oder draußen – Maske getragen werden muss. Ein Verbot von Face-Shields und eine bundesweite frühere Sperrstunde kamen wider Erwarten nicht. Die Bundesregierung appellierte aber an die Länder, strenger zu sein als der Bund. Von der Opposition, der Gastronomie und manchen Experten gab es heftige Kritik.
Ein Papier des Bundesrettungs-kommandanten des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, sorgt für Verwirrung. Foitik machte dem Kanzleramt und dem Gesundheitsministerium Vorschläge für das Corona-Management und empfahl dabei, die Testungen von Personen, die engen Kontakt zu Infizierten hatten, zu reduzieren. Weniger positiv Getestete würden auch dem Wintertourismus helfen. (red)
Tagelang fieberte das Land auf die Pressekonferenz hin, zahlreiche Maßnahmen sickerten vorab durch. Tatsächlich waren die am Montagmorgen verkündeten neuen Corona-Regeln dann aber weniger einschneidend als gedacht – doch mit einem dringenden Appell verknüpft: Die Zahlen würden rasant ansteigen, die Verantwortung jedes Einzelnen sei das oberste Gebot, lautete die Message von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne).
Frage: Welche Maßnahmen wurden angekündigt und ab wann gelten sie?
Antwort: Die neue Verordnung – sie soll am Mittwoch ausformuliert sein, heißt es aus dem Gesundheitsministerium – soll ab Freitag, 0.00 Uhr gelten. Dann wird etwa die erlaubte Personenanzahl bei privaten Treffen herabgesetzt: auf sechs Erwachsene im Innenraum und zwölf draußen. Das heißt auch, dass im Restaurant nur noch sechs Personen an einem Tisch sitzen dürfen. Für professionelle Veranstaltungen wurde die Zahlen zugelassener Teilnehmer ebenfalls gesenkt. Außerdem muss nun bei allen Veranstaltungen mit mehr als sechs bzw. zwölf Personen Maske getragen werden. Neu ist auch, dass alle diese Veranstaltungen künftig anzeigepflichtig bei der Gesundheitsbehörde sind. Die Bewilligungspflicht gilt weiterhin ab 250 Personen.
Frage: Im „privaten Bereich“dürfen drinnen nur noch sechs Personen, draußen zwölf Personen zusammenkommen. Was ist damit gemeint?
Antwort: Dazu zählen etwa – und das nennt auch die Regierung immer wieder als Beispiel – Yogakurse, aber auch Vereinstreffen, Hochzeitsfeiern, Spielgruppen und Treffen in Bars oder Restaurants. Explizit ausgenommen sind etwa Gottesdienste und Begräbnisse sowie Fitnessstudios. Auch ein Schwimmbad zählt nicht als Veranstaltung, sehr wohl aber ein Schwimmkurs.
Frage: Gilt das auch für die eigenen vier Wände?
Antwort: Nein. Obwohl die allermeisten Ansteckungen im Privatbereich passieren, kann und darf die Polizei nicht zu Hause Nachschau halten, wie viele Personen sich dort aufhalten. Selbst wenn sie etwa wegen Lärmbelästigung gerufen wird, kann sie nicht in einer Wohnung wegen einer Verletzung gegen Corona-Maßnahmen strafen, sagte Kurz nach mehrmaligem Nachfragen.
Frage: Heißt das, dass Demos verboten werden?
Antwort: Bisher waren Demos von den Personenzahlgrenzen bei Veranstaltungen ausgenommen, für die galten gesonderte Regelungen. Ob das in der neuen Verordnung wieder so sein würde, wollte man im Gesundheitsministerium am Freitag noch nicht endgültig beantworten.
Frage: Welche Strafen drohen, wenn man sich nicht an die Regeln hält?
Antwort: An der Strafhöhe ändert sich nichts. Es drohen bis zu 1450 Euro bei Missachtung der SechsPersonen-Regel in Innenräumen. Bisher galten zehn Personen als Obergrenze. Teurer wird es in der Gastronomie. Der Strafrahmen beträgt hier für Gäste, etwa bei Nichteinhalten der Sperrstunde, bis zu 3600 Euro. Für Gastronomen, die sich nicht an die Maßnahmen halten, gilt sogar ein Strafrahmen von bis zu 30.000 Euro.
Frage: Wie wirken sich die neuen Maßnahmen auf Großveranstaltungen aus – etwa Sportveranstaltungen oder Theater?
Antwort: Die Obergrenze für Veranstaltungen draußen liegt nun bei 1500, für drinnen bei 1000 Personen. Nicht mehr erlaubt ist die Bewirtung der Besucher. Aktiver Sport solle aber weiterhin ohne Begrenzung der Personenzahl möglich sein, an einem Fußballspiel dürften weiterhin zwei volle Teams teilnehmen, sagte Kogler.
Frage: Können heuer Weihnachtsmärkte stattfinden?
Antwort: Nach derzeitigem Stand ja. Sie gelten als professionelle Veranstaltungen, ein genaues Konzept ist aber erforderlich.
Frage: Werden Alten- und Pflegeheime wieder ganz für Besuche geschlossen?
Antwort: Anschober sagte, man arbeite an einem Präventionskonzept. Bewohner und Mitarbeiter sollen stärker gescreent werden. Auch überlege man neue Zugangsregelungen, dafür wolle man den Ländern Mindestvorgaben machen, die diese aber strenger handhaben können.
Frage: Können Gesichtsvisiere weiterhin getragen werden?
Antwort: Obwohl erwartet wurde, dass Gesichtsvisiere künftig nicht als ausreichender Schutz gelten, werden sie nicht verboten – noch nicht. Aktuell sehe man sich noch eine Studie an, sagte Anschober. Es gibt bereits einige Studien, die den Mehrwert der Visiere infrage stellen.
Frage: Warum wird die Sperrstunde nicht österreichweit vorverlegt?
Antwort: Bereits am 22. September kündigten Vorarlberg, Tirol und Salzburg an, die Sperrstunde auf 22 Uhr vorzuverlegen – eine Maßnahme, die der Bundeskanzler mehrfach begrüßt und auch von anderen stark vom Coronavirus betroffenen Bundesländern gefordert hat. Dabei bleibt es. Die Länder können selbstständig verschärfen, sagte Kurz vor allem mit Blickrichtung Wien. Dort lehnt man diese Regelung aber strikt ab, weil befürchtet wird, dass Partys dann in privaten Räumlichkeiten stattfinden, wo die Handhabe fehlt.
Frage: Wieso gibt es diese Verschärfungen überhaupt?
Antwort: Kurz sprach von einer ernsten, Anschober von einer besorgniserregenden Situation. Letzterer verwies auf die gestiegenen Infiziertenzahlen – am Montag wurden 1121 Neuinfektionen gemeldet –, aber auch auf die Quote der positiven Tests. Diese liege aktuell bei fünf bis sieben Prozent und lasse auf eine hohe Dunkelziffer an Infizierten schließen. Außerdem sei das Durchschnittsalter der Infizierten wieder gestiegen, von 33 im August auf aktuell 40. Die Infektionen in Pflegeheimen hätten in den letzten Tagen wieder zugenommen, und bei den Hospitalisierungen gebe es ein Plus von 42 Prozent, auf Intensivstationen eines von 49 Prozent, sagte Anschober, wenn auch momentan noch genügend Betten zur Verfügung stünden.
Der große Wurf war das nicht, was die Bundesregierung da am Montag präsentiert hat. Dabei war sie so bemüht, tagelang die Spannung aufrechtzuerhalten, indem stets gerade so viel durchsickerte, dass Medien das Interesse nicht verlieren konnten.
Doch vieles von dem, was gezielt aus den Ministerien gestreut wurde, kam nicht. Und zwar egal, ob eine Maßnahme sinnvoll gewesen wäre, wie etwa das Verbot von Spuckschutzschildern, für das man nun doch lieber erst eine Studie abwarten will. Oder ob sie am Ende womöglich sogar für noch mehr Ansteckungen sorgen könnte, wie etwa eine vorgezogene Sperrstunde. Dass manch eine Gruppe Feiernder um zehn am Abend nicht getrennt, sondern gemeinsam vom Lokal in die Wohnung wechselt, ist nicht besonders weit hergeholt. Dass in Wien bisher erst in fünf Fällen nach einem Corona-Fall in der Gastro auf die neuerdings registrierten Daten zurückgegriffen werden musste, zeigt, dass dort nicht das Gros der Ansteckungen passiert.
Geblieben ist man stattdessen bei recht zahnlosen Maßnahmen, die auch einer Evidenzprüfung nicht komplett standhalten können. Etwa, was die Personengrenzen angeht. Ob die im Restaurant bei sechs oder zehn pro Tisch liegt, macht kaum einen Unterschied. Wer – illegalerweise – zu zwanzigst feiern will, tat das bisher auf zwei Tischen und tut das nun auf vier. Oder die Maskenpflicht im Freien: Klar, zu glauben, draußen könne man sich nicht anstecken, wäre naiv, es gibt genug Fälle, die das Gegenteil beweisen. Doch Schutz vor einer Ansteckung braucht es vielleicht eher, wenn man durch dicht bevölkerte Einkaufsstraßen hetzt, und nicht, wenn 13 Leute im Prater meditieren wollen.
Doch: Die Maske erfüllt vor allem eine psychologische Funktion. Das tut sie seit März und das tut sie noch immer. Dasselbe gilt für die Taktik der Regierung, das Land sukzessive nervös zu machen, indem sie uns tagelang auf Verschärfungen einstellt. Obacht, ist die eigentliche Message, da kommt was, wenn ihr euch nicht zusammenreißt. Aber die wirklich unangenehmen Maßnahmen – die erwähnte Sperrstunde, Schulschließungen und sogar Quarantäneregeln –, die wälzt die Regierung diesmal auf die Länder ab.
Was Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer bleibt, sind vor allem – je nach Sprechendem mehr oder minder flammende – Appelle zur Eigenverantwortung, mahnende Worte für die Rücksichtslosen und die Heraufbeschwörung des Schulterschlusses im Frühling.
Und gezielte Verwirrung. Dass Kurz erst nach mehrmaligem Nachfragen zugibt, dass die Polizei nicht die Personenanzahl in privaten Wohnungen kontrollieren kann und wird – vielmehr noch, dass die neuen Regeln dort gar nicht gelten können –, ist kein Zufall, sondern Taktik.
Sie würden eh so gern, schwingt da mit, aber sie können nun mal nicht in den privaten Raum eingreifen. Und das ist gut so. Aber dennoch zwingt genau das die Regierung in ein Dilemma: Gerade dort, wo sie regulieren sollten, können sie das nicht.
Dieses Dilemma gilt es – freilich unter Achtung jedes einzelnen Buchstabens der Verfassung – zu lösen. Denn eine Mischung aus Predigt und halbherzigen Maßnahmen reicht nicht. So bleibt von Verkündigungen wie der gestrigen einzig hängen, dass die Regierung selbst nicht mehr so recht weiß, was zu tun ist.