Laut Experten Sprenger haben Verschärfungen nur „geringen Einfluss“
Verordnung für Alten-und Pflegeheime überfällig – Politik versuche, Schuld an steigenden Infektionen auf Bevölkerung zu schieben
Bevor nicht die vielen bestehenden Maßnahmen optimiert seien, solle die Regierung nicht weitere beschließen, sagt der Public-Health-Experte Martin Sprenger im Standard-Gespräch.
Die von der Regierungsspitze am Montag verkündeten weiteren Einschränkungen der erlaubten Gästeund Besucherhöchstzahlen im privaten und professionellen Bereich hätten auf die Verbreitung des Virus „einen vergleichsweise geringen Einfluss“. Die Politik versuche die Schuld an dem Verlauf der Pandemie auf die Bevölkerung zu schieben. Für die Verzögerungen beim Testen, die Folgen von Reisewarnungen, oder die aktuelle Verwirrung und Verunsicherung trage die Bevölkerung aber keine Verantwortung. Faktum sei, dass die Pandemie und die Gegenmaßnahmen weite Teile der Bevölkerung schwer belasteten.
„Im Frühjahr“, so Sprenger, „haben sich die Menschen in Österreich vorbildlich an die verordneten Maßnahmen gehalten. Dann begann die Kommunikation vonseiten der Regierung immer chaotischer zu werden. Die öffentliche Debatte wurde politisiert, die Bevölkerung gespalten. Dadurch hat das Vertrauen der Bevölkerung gelitten.“
Gegen Masken im Freien
Sprenger will nicht missverstanden werden: „Um gut durch den Winter zu kommen, müssen wir alle Maßnahmen umsetzen, die sinnvoll sind. Dabei ist aber immer auf eine Wissensbasierung und die Verhältnismäßigkeit zu achten. Alle Maßnahmen müssen mehr nutzen als schaden.“Eine Maske im Freien zu tragen sei nicht wissensbasiert, ein Lockdown meist nicht verhältnismäßig.
Mehr als 40 Prozent aller Todesfälle durch Covid-19 seien bis dato in Alten- und Pflegeheimen registriert worden, mit einem Altersdurchschnitt von 82 Jahren. Zwar sei es „nie zu spät“, aber eine Verordnung für Altenheime, die Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Montag ankündigte, hätte in den Sommermonaten umgesetzt werden müssen, sagt der Experte. So aber gelte jetzt dringend, mit den Ländern und Bezirken einheitliche Regeln zu vereinbaren und die Lage vor Ort zu erkunden: „Haben alle Heime genügend Schnelltests oder Kontakt zu einem Labor, um Corona-Tests rasch auswerten zu lassen? Gibt es genug Personal, genug Schutzausrüstung, wo braucht es mehr?“Die Arztordinationen wiederum müssten dabei unterstützt werden, Patienten mit Infekten getrennt von Hochrisikopersonen versorgen zu können – von der großen Gruppenpraxis bis hin zum Landarzt: „Gibt es überall schon ein professionelles Infektionsmanagement? Ich sage: Ich hoffe es. Wissen tu ich es nicht.“