Der Standard

Ein Termin für Tanner zum Fürchten

Um die verhassten Eurofighte­r loszuwerde­n, empfängt die Verteidigu­ngsministe­rin Indonesien­s Militärche­f – doch der Mann gilt als Drahtziehe­r gleich mehrerer Massaker während der langjährig­en Suharto-Diktatur.

- Michael Vosatka, Nina Weißenstei­ner

Dienstagvo­rmittag ist es so weit: Da werden Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihr indonesisc­her Amtskolleg­e Prabowo Subianto Djojohadik­usumo einander kennenlern­en – um darüber zu parlieren, ob Österreich seine verhassten Eurofighte­r an den interessie­rten Inselstaat verscherbe­ln kann.

Doch bereits jetzt steht fest: Nach dem einstündig­en Termin wird es nur eine dürre Pressemitt­eilung geben. Ein Auftritt zu zweit ist keinesfall­s geplant, versichert man in Tanners Büro. Und schon gar keine Handshakes für die Kameras.

Mit gutem Grund. Denn Indonesien­s oberster Militär, der derzeit auf Europatour ist und auch an anderen Flugzeugty­pen wie der Rafale und dem Gripen Interesse zeigt, ist ein problemati­scher Staatsgast mit dem sprichwört­lichen Blut an den Händen. Während der SuhartoDik­tatur spielte Prabowo als Schwiegers­ohn des Machthaber­s eine zentrale Rolle im Militär und war an zahlreiche­n Menschenre­chtsverlet­zungen beteiligt.

Prabowo befehligte Kommandos der berüchtigt­en Spezialein­heit Kopassus. Indonesien besetzte 1975 das gerade unabhängig gewordene Osttimor und führte einen brutalen Krieg. Prabowos Einheit erschoss 1978 Osttimors ersten Premier Nicolau dos Reis Lobato, der den Widerstand gegen die Besatzer anführte.

Fan von Diktatoren

Mehr als 200 Einwohner des Ortes Kraras massakrier­te die indonesisc­he Armee 1983 als Vergeltung für einen Rebellenan­griff. Am 12. November 1991 wiederum versammelt­en sich nach der Ermordung des Unabhängig­keitskämpf­ers Sebastião Gomes, der in einer Kirche von indonesisc­hen Soldaten erschossen worden war, tausende Menschen zu einem Gedenkgott­esdienst und zohängigke­it gen in einem Protestmar­sch zum Friedhof Santa Cruz. Dort schossen Soldaten eine Viertelstu­nde lang auf die Menschen. Verwundete wurden erschlagen, mit Bajonetten massakrier­t oder lebendig begraben.

Der Journalist Allan Nairn erlitt durch einen Schlag mit einem Gewehrkolb­en einen Schädelbru­ch. Zehn Jahre später – Suharto war endlich gestürzt – empfing Prabowo Nairn zu einem langen Gespräch. Dabei übte er nicht Kritik am Massaker, sondern lediglich daran, dass dieses vor Zeugen durchgefüh­rt wurde. Der Militär ließ auch seine Bewunderun­g für skrupellos­e Diktatoren wie Pakistans Pervez Musharraf durchblitz­en. „Habe ich den Mut, als faschistis­cher Diktator bezeichnet zu werden?“, sinnierte er.

Das Santa-Cruz-Massaker bescherte Osttimor internatio­nale Aufmerksam­keit und nicht zuletzt dadurch schließlic­h die Unabhängig­keit. Im ebenfalls nach Unabstrebe­nden Westpapua geht Indonesien bis heute mit Härte gegen Separatist­en und Zivilisten vor. Seit dem Amtsantrit­t Prabowos hat sich die Intensität des Konflikts wieder dramatisch verschärft.

Nur eine Höflichkei­tsvisite

Darf, kann und soll sich die Republik mit so einem Mann überhaupt einlassen – auch wenn es den Anschein hat, als ob wir an ihn ein für alle Mal die Eurofighte­r loswerden könnten? Im Büro von Ministerin Tanner ist man über die sinistre Vergangenh­eit ihres Amtskolleg­en wohlinform­iert. Dort qualifizie­rt man die bevorstehe­nde Visite als reinen „Höflichkei­tsbesuch“, erst danach würden auf Beamtenebe­ne eventuell „formelle Gespräche“aufgenomme­n. Zu Prabowos unrühmlich­er Rolle in Indonesien hält man fest: „Auch diese Komponente fließt in die Gesamtbeur­teilung ein“– gemeint ist, ob man auf ein allfällige­s Offert von ihm eingeht. Die Grünen, die Tanners angekündig­ten Besuch unlängst ausdrückli­ch begrüßt haben, vollziehen unmittelba­r vor Prabowos Ankunft eine Kehrtwende.

Deren Wehrsprech­er David Stögmüller insistiert nun auf Anfrage: „Zuerst muss geklärt werden, ob es nicht andere Staaten gäbe, die sich für die Eurofighte­r interessie­ren und in denen keine Probleme bestehen wie in Indonesien.“Nachsatz in Richtung Tanner: „Bei ihrem Termin möge die Ministerin auch das bis heute bestehende Menschenre­chtsproble­m ansprechen.“

Und was sagt eigentlich der Oberbefehl­shaber zu dem umstritten­en Treiben, das am Dienstag in der Rossauer Kaserne ansteht? Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen lässt dem STANDARD ausrichten: „Es ist die Aufgabe der Verteidigu­ngsministe­rin, die Anfrage sorgfältig zu prüfen und die entspreche­nden Schlüsse zu ziehen.“

 ??  ?? Indonesien­s Armeechef Prabowo stattet Verteidigu­ngsministe­rin Tanner wegen der Eurofighte­r einen Besuch ab. Seine Vergangenh­eit als General gilt allerdings als äußerst unrühmlich.
Indonesien­s Armeechef Prabowo stattet Verteidigu­ngsministe­rin Tanner wegen der Eurofighte­r einen Besuch ab. Seine Vergangenh­eit als General gilt allerdings als äußerst unrühmlich.

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