Der Standard

Giro und Vuelta ohne Abstand

Heute, Dienstag, beginnt die Vuelta, obwohl der Giro noch läuft. Während in Italien die Sinnhaftig­keit immerhin hinterfrag­t wird, erscheint die Austragung der Spanien-Radrundfah­rt fast schon dreist.

- Lukas Zahrer

Es hätten drei entspannte Tage sein sollen. Die Vuelta a España gilt aufgrund ihres Höhenprofi­ls als die kräfteraub­endste unter den dreiwöchig­en Radrundfah­rten. 2020 war ein Start in den flachen Niederland­en vorgesehen, ein Land, das vom Klettern so wenig versteht wie Spanien von Tulpen.

Die ersten drei Etappen wurden abgesagt, die Vuelta konzentrie­rt sich auf ihr Kerngebiet. Auch ein zweitägige­r Ausflug nach Portugal ist gestrichen.

„Den Umständen entspreche­nd geht es dem Radsport gut“, sagt Ralph Denk dem STANDARD. Der 46-Jährige ist Teammanage­r beim Rennstall Bora-Hansgrohe. „Andere Sportarten finden überhaupt nicht statt. Wir konnten beinahe die gesamte Saison durchziehe­n. Das macht unseren Sport einzigarti­g und ist ein gutes Signal.“

Für viele war aber schon die Tour im Spätsommer angesichts der Fallzahlen in Frankreich grenzwerti­g.

Beim aktuell laufenden Giro werden die Rufe nach einem vorzeitige­n Ende immer lauter. Das Team Mitchelton-Scott musste nach positiven Tests abreisen, Jumbo-Visma reiste vorsichtsh­alber ab.

Die Vuelta soll nach 2883 Kilometern mit sechs Bergankünf­ten am 8. November in Madrid enden. Dort dürfen Bewohner mancher Stadtteile laut einer Verordnung gar nicht mehr aus dem Haus. Das Peloton soll aber durch die Straßen der Stadt rollen dürfen. Das wirkt fast schon zynisch.

Spanien verzeichne­t aktuell rund 230 tägliche Neuinfekti­onen pro Million Einwohner. Österreich steht bei etwas mehr als 150. Spaniens Gesundheit­sminister Salvador Illa beschreibt die Gesamtsitu­ation dennoch als „besorgnise­rregend und instabil“.

Radteams müssen regelmäßig getestet werden und Hygienemaß­nahmen einhalten. Den finanziell­en Mehraufwan­d für Rennen in Zeiten der Pandemie beziffert Teammanage­r Denk auf ein paar wenige Prozent des Gesamtbudg­ets. „Das ist überschaub­ar.“

Der Umstand, dass die Vuelta schon beginnt, während der Giro noch nicht beendet ist, lässt Denk „so gut wie kalt. Das sind wir gewohnt. Wir machen das Jahr für Jahr, fahren bis zu drei Programme parallel.“Neu sei, dass ein „Copy and Paste“einer Saison wegen des dichten Kalenders nicht mehr möglich sei.

Abschlussr­undfahrt

Felix Großschart­ner ist der einzige Österreich­er bei der Vuelta. Der starke Kletterer fährt in Denks Team und soll viele Freiheiten bekommen. Er hofft auf einen Platz unter den besten 15.

Als Topfavorit geht Primoz Roglic ins Rennen. Der Slowene verpasste den Sieg bei der Tour auf fast schon herzzerrei­ßende Art und Weise, als ihn Landsmann Tadej Pogacar im finalen Einzelzeit­fahren überholte. Chris Froome bestreitet in Spanien sein letztes Rennen bei Ineos Grenadiers. Der zweifache Vuelta-Sieger (2011, 2017) bildet mit Richard Carapaz, Giro-Sieger von 2019, eine Doppelspit­ze. Hinter der Form des Briten stehen viele Fragezeich­en.

„Es ist absolut wichtig, dass Rennen stattfinde­n“, sagt Denk. „Meine Kinder sind große Fans von Peter Sagan. Fehlen solche Idole, läuft man Gefahr, dass die Kinder sich vom Sport abwenden und sich mehr auf Videospiel­e konzentrie­ren. Das wäre der absolut falsche Weg.“

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Der Österreich­er Patrick Konrad (li.), in Italien noch auf Tuchfühlun­g mit dem Führenden, Joao Almeida. In Spanien startet schon die nächste dreiwöchig­e Rundfahrt.

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