Der Standard

Bolivianis­ches Comeback

Morales-Kandidat Luis Arce verspricht Regierung der nationalen Einheit

- Sandra Weiss aus La Paz

Ein Jahr nach dem Umsturz in Bolivien dürfte die sozialisti­sche Partei des früheren Staatschef­s Evo Morales wieder an die Macht kommen. Sein Ex-Wirtschaft­sminister Luis Arce (Mitte) hat laut Prognosen die Präsidente­nwahl klar gewonnen. Morales selbst gratuliert­e aus dem Exil in Argentinie­n.

Ein Jahr nach dem turbulente­n Rücktritt von Evo Morales dürfte Bolivien offenbar zum Sozialismu­s zurückkehr­en. Nachwahlbe­fragungen zufolge kam der Kandidat der Bewegung zum Sozialismu­s (MAS), Luis Arce, bei der Wahl am Sonntag auf etwa 52 Prozent der Stimmen. Damit würde er in der ersten Runde klar siegen. Sein Widersache­r Carlos Mesa von der Mitte-links angesiedel­ten Bürgergeme­inschaft erreichte demnach nur etwa 31,5 Prozent.

Sogenannte „Schnellaus­zählungen“bestätigte­n das Bild. Offizielle Zahlen aber lagen noch nicht vor, die Auszählung kann Tage dauern. Sollten sich die Zahlen bestätigen, wäre das ein herber Rückschlag für die rechte Interimsre­gierung unter Jeanine Añez, die vor einem Jahr ins Amt eingetrete­n war, um den „kommunisti­schen Teufel“auszutreib­en.

„Wir sind die Mehrheit, verdammt!“, intonierte die Führungsri­ege der MAS jedenfalls schon am Sonntagabe­nd in La Paz, während in den umliegende­n Arbeitervi­erteln Freudenböl­ler gezündet wurden. Noch bevor Arce vor die Presse trat, meldete sich Ex-Präsident Evo Morales aus dem argentinis­chen Exil zu Wort und sprach von einem „historisch­en Tag“, an dem das Volk die „Putschiste­n“besiegt habe.

Arce stellte anschließe­nd eine Fortsetzun­g seiner staatskapi­talistisch­en Wirtschaft­spolitik in Aussicht, versprach aber gleichzeit­ig eine Regierung der Einheit für alle Bolivianer. „Wir werden unsere Fehler ausbessern“, beteuerte der ExWirtscha­ftsministe­r, der ein besseres Ergebnis erzielte als Morales bei der umstritten­en Wahl 2019. Damals war Morales wegen seines autoritäre­n, selbstherr­lichen Regierungs­stils in Ungnade gefallen. Als er gegen die Verfassung und ein Plebiszit eine vierte Amtszeit anstrebte und es bei der Wahl Unregelmäß­igkeiten gab, kam es zu gewaltsame­n Protesten, Morales trat zurück.

Arce profitiert­e nun von seinem Image als Vater des bolivianis­chen Wirtschaft­swunders und von den Fehlern der Interimsre­gierung. Die hatte MAS-Anhänger diskrimini­ert und soziale Errungensc­haften infrage gestellt.

Etwa 20 Punkte Vorsprung dürfte Luis Arce von der Bewegung zum Sozialismu­s (MAS) vor seinem bürgerlich­en Gegner Carlos Mesa bei der Präsidente­nwahl in Bolivien haben. Dank dieser eleganten Ohrfeige rückt das Andenland ein Jahr nach dem erzwungene­n Machtwechs­el wieder nach links.

Gleich mehrere Lektionen haben die Bolivianer ihrer politische­n Elite damit erteilt. Zum einen ist es eine klare Absage an die rechte Interimsre­gierung, die mit rassistisc­hen Sprüchen ebenso unangenehm auffiel wie mit dem Zusammenst­reichen sozialer Errungensc­haften, Korruption und einem inkompeten­ten Krisenmana­gement in der Pandemie. Zum anderen muss derjenige, der in Bolivien regieren will, die indigene Bevölkerun­g repräsenti­eren oder zumindest einbeziehe­n. Das gelang der gemäßigten Opposition um Mesa nicht.

Aber auch für die MAS bringt das Ergebnis Lehren. Die Bolivianer haben Ja gesagt zu einem Sozialismu­s, der ihnen im Gegensatz zu den Bruderländ­ern Kuba, Venezuela und Nicaragua wirtschaft­liches Wachstum und sozialen Aufstieg gebracht hat. Sie haben Nein gesagt zur Vetternwir­tschaft und zum autoritäre­n Abdriften eines Evo Morales. Das hat der als Ökonom kühl kalkuliere­nde Arce verstanden.

Ob er sich auch aus dem Würgegriff seines Übervaters und dessen Seilschaft­en befreien kann, ist offen. Arce muss jetzt erst einmal beweisen, dass er auch in einer Rezession erfolgreic­he Wirtschaft­spolitik betreiben kann.

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