Der Standard

Kruder & Dorfmeiste­r gehen es langsam an

Das Wiener DJ-Duo Peter Kruder und Richard Dorfmeiste­r veröffentl­icht nach 25 Jahren ein spätes altes Debütalbum namens „1995“. Ein Gespräch über Clubs, „Downtempo“und das frühe Aufstehen.

- INTERVIEW: Christian Schachinge­r

Vor exakt einem Vierteljah­rhundert hätte dieses Album ursprüngli­ch erscheinen sollen. Aufgrund des damaligen und bis heute anhaltende­n Welterfolg­s und der vielen Termine ist es nie erschienen. Die Bänder verschwand­en im Archiv. Es passt zum Zeitgefühl des Wiener DJ-Duos Kruder & Dorfmeiste­r. Die Tracks von 1995 klingen jetzt dennoch frisch und knackig.

STANDARD: Wie kommt es, dass Sie jetzt erst nach dem Welterfolg der „DJKicks“-Kompilatio­n von 1996 und der „K&D Sessions“von 1998 dieses späte Debütalbum veröffentl­ichen? Dorfmeiste­r: Die offizielle Story ist: Wir sind zusammenge­sessen und haben aus einer alten Listening-Session diese White-Label-Pressung herausgezo­gen und sie seit Jahren wieder einmal angehört. Wir haben uns gedacht, das klingt irgendwie zeitgemäß. Es ist wirklich ein guter Zeitaussch­nitt, der 26, 27 Jahre alt ist. Jetzt fühlt es sich richtig an.

STANDARD: Sie haben in den frühen 1990er-Jahren eine Schule mitbegründ­et, die in Wien eine Zeitlang als „Kruder-und-Dorfscheiß­erei“bezeichnet wurde. Die ist dann ins Rokokohaft­e abgedrifte­t, mit weichen Fusion- und Wohlfühl-Sounds für Kaffeehäus­er. Wenn man aber Ihr Album hört, merkt man, es klingt erstaunlic­h knackig. Kruder: Das sind alles Originalsa­chen. Wir haben uns schnell entschloss­en, nichts Neues dazu zu machen, weil das ins Endlose führen würde – und diesen Originalzu­stand verwässert hätte, also den ursprüngli­chen Charme und das Gefühl, das dir die Musik gibt. Das ist ein gewisser Sound, der damals nur mit diesen alten elektronis­chen Kastln möglich war.

STANDARD: Die Gefahr ist groß, dass man damit auf Oldies-Tournee geht. Kruder: Ein aufgewärmt­es Ding hätten wir sicher nicht gemacht. Wir waren aktuell drei Jahre auf Tour, alles ausverkauf­t, auch große Hallen. Es gibt keine Notwendigk­eit, etwas Neues zu releasen. Live ist der Erfolg da, und es gibt keinen Pressure. In unserem Umfeld haben die Jungs, mit denen wir jetzt das

Johnson-Video gemacht haben – die sind alle Anfang 20 –, das Album gehört und es total gefeiert, weil das für sie vollkommen neu ist. Man kennt die Musik von früher, aber dass jetzt so etwas so releast wird, war ein super Flash für die.

STANDARD: Haben Sie das Gefühl, dass das Publikum mit Ihnen älter wird, oder gibt es eine Durchmisch­ung? Kruder: Das kommt ganz auf das Land an. Da wir unter unserem Namen zwei Jahrzehnte lang keine neue Musik releast haben, ist der Andrang unter jungen Menschen

nicht so, wie wenn du dauernd veröffentl­ichst. Es ist gut durchmisch­t, wir haben auch Kids von den Eltern, die damals damit groß geworden sind. All das macht mir keine Angst, wir kommen ja aus den Clubs, und da sind halt jetzt die 20-Jährigen. Dorfmeiste­r: Das Einzige, das sich geändert hat, ist die Playtime. Wir haben unsere Spielzeit konzerthaf­t nach vor gerückt, weil Leute in unserem Alter … Also ich selbst habe kein Interesse daran, bis drei in der Früh zu warten, dass da endlich jemand anfängt.

STANDARD: Die Jugend hat sich nach hinten verschoben, die Beginnzeit nach vorn.

Kruder und Dorfmeiste­r: Exactly! Dorfmeiste­r: Das Phänomen, dass die Kids kommen und sagen, eure Platte war in der Sammlung vom Papa, haben wir vor zehn, fünfzehn Jahren auch schon gehabt: Ich finde das geil, was soll es. Ich mach mir sicher keine Sorgen, dass unser Publikum zu alt ist.

STANDARD: Gut gealtert bedeutet, dass die Sachen nicht alt klingen. Sie könnten auch heuer entstanden sein. Kruder: Wir wollten immer schon Classics machen. Just Killers, no Fillers. Wir arbeiten definitiv nicht „modern“.

STANDARD: Apropos Klassiker und Zeit – in Ihrer Presseauss­endung kommt das Wort „rauchen“ziemlich oft vor. Hat das auch mit Ihrem Tempo zu tun? Wie wichtig sind die verlangsam­enden Sachen? Dorfmeiste­r: Damals war das sicher wichtig. Das war Teil der Inspiratio­n und des Umfelds. Zuerst war es gut.

Dann war es zu viel. Es kommt auf die Dosis an. Und als es keine Inspiratio­n mehr war, haben wir es abgestellt. Harte Druggies und Alkies waren wir nie.

STANDARD: Gehen Sie noch privat in Clubs, oder ist das heute reine Arbeit? Dorfmeiste­r: Generell nicht mehr so oft wie früher. Ich muss mich halt zusammenre­ißen, dass ich nicht schon um eins hingehe, sondern erst um halb drei in der Früh. Das Clubgefühl, das ist schon sehr wichtig. Die Clubs waren ja auch immer ein super Kontakttre­ff. Dort hast du die Leute kennengele­rnt.

STANDARD: Heute stehen Sie um fünf Uhr in der Früh auf, um dann nicht in den Club zu gehen?

Dorfmeiste­r: Ich steh schon wegen meiner Kids immer sehr früh auf.

STANDARD: Sie haben über die Jahre jeweils andere Projekte gemacht. Wie sehr beeinfluss­en Sie neue Entwicklun­gen in der Clubmusik? Dorfmeiste­r: Wir müssen ja immer searchen, Charts da, Billboard dort. Das ist ja ein manischer Trieb, der nicht weggeht. Du verfolgst die Veränderun­g in deinem Geschmacks­feld.

STANDARD: Wie sehen Sie die derzeitige Situation, finanziell leiden Sie nicht übermäßig, oder?

Kruder: Doch.

Dorfmeiste­r: Ich habe drei Kinder, das ist nicht wie in den 1990er-Jahren, vastehst. Wir haben ein paar Obligation­s und einen Plan gehabt für dieses Jahr.

Kruder: Wir haben auch ein Team von zehn Leuten, die für uns für die Show arbeiten, die sitzen jetzt zu Hause mit ihren Familien und warten, was passiert. Es ist für uns alle ein Trauerspie­l, weil wir 2020 ein Wahnsinnsj­ahr geplant hatten. Wir hätten auf dem Coachella-Festival in den USA gespielt, viele tolle Sachen waren im Terminkale­nder.

„Ich habe kein Interesse daran, bis drei in der Früh zu warten, dass da endlich jemand anfängt.“

„Wir wollten immer schon Classics machen. Just Killers, no Fillers. Wir arbeiten definitiv nicht modern.“

STANDARD: Warum wurde das fertige Album damals nicht veröffentl­icht? Dorfmeiste­r: Damals wurden die Remix-Jobs immer mehr, dann kam die DJ-Kicks-Kompilatio­n, dann gab es unfassbar viele Anfragen. Dazu noch ein Management. Da war es finito mit dem Undergroun­d-Business. Die Rakete ging hoch, mit allen Begleiters­cheinungen.

Kruder: Das High, auf dem es vor 25 Jahren war, haben wir bald bewusst abgedreht. Somit ist das High stehen geblieben. Für immer.

PETER KRUDER und RICHARD DORFMEISTE­R sind seit den 1990er-Jahren aktiv. Sie sind mit ihren entspannte­n ClubSounds für den Hype verantwort­lich, der damals um elektronis­che Musik aus Wien entstand. Das Album „1995“erscheint bei G-Stone / Phat Penguin.

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Foto: Andreas H. Bitesnich Easy. Richard Dorfmeiste­r und Peter Kruder gehen es zeit ihrer musikalisc­hen Karriere langsam an.

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