Der Standard

Wie die Buchbranch­e die Krise meistert

Die Wochen vor Weihnachte­n sind für den Buchhandel die umsatzstär­ksten im ganzen Jahr. Grund genug, Händler und Verleger zu fragen, wie es ihnen aktuell in der Corona-Krise geht.

- Michael Wurmitzer

Die wichtigste­n Wochen des Bücherjahr­es liegen vor uns: das Weihnachts­geschäft. Deswegen wird heute Nachmittag der Gewinner oder die Gewinnerin des Österreich­ischen Buchpreise­s verkündet, wegen des Lockdowns aber ohne Feier. Und deswegen hätte diese Woche auch die Buch Wien stattgefun­den – wäre da nicht Corona. Letztes Jahr zählte die wichtigste heimische Buchmesse bei 385 Aussteller­n über 50.000 Besucher – ein wichtiger Impuls für die Branche. In normalen Jahren macht der Buchhandel in diesen Wochen ein Drittel seines gesamten Umsatzes, und nicht wenige Buchhändle­r brauchen das Weihnachts­geschäft, um das Jahr überhaupt positiv zu bilanziere­n. Statt Normalität befinden wir uns aber im zweiten Lockdown. Und jetzt?

Auf den ersten Blick ist die Buchbranch­e bisher gar nicht so schlecht durch die Pandemie gekommen. Nach den Lockdown-Monaten März und April mit minus 41 und minus 65 Prozent Umsatz haben die Verkäufe über den Sommer wieder angezogen, und die Zahlen lagen im Mai, Juli und August nur mehr knapp unter denen des Vorjahres. Im Juni gab es sogar ein Plus von 14,4 Prozent, im September von 7,9 und im Oktober immerhin von 3,8 Prozent. Das macht kumuliert für das bisherige Jahr nur ein leichtes Minus von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum. Viele Branchen hat es schlimmer erwischt.

Umsatzminu­s von zwölf Prozent

Doch die Zahl täuscht etwas über die wahren Einbrüche hinweg, sagt Helmut Zechner von der Buchhandlu­ng Heyn in Klagenfurt. Er ist zugleich Vorsitzend­er des Österreich­ischen Buchhändle­rverbands und hat die Statistik aufgedröse­lt. Das kleine Minus ergibt sich nur, wenn man den Gesamthand­el betrachtet – also den Onlineries­en Amazon einbezieht. Rechnet man den heraus, ergebe sich für den heimischen stationäre­n Buchhandel und dessen Onlineshop­s ein kumulierte­s Jahresminu­s von zwölf Prozent.

Zwar könne man inzwischen sagen, viele kleinere Buchhandlu­ngen mit starker Kundenbind­ung und gutem Onlineshop hätten die Krise in Kombinatio­n mit Kurzarbeit bisher „überrasche­nd schadlos“überstande­n. Doch seien Geschäfte wie seines „Ausnahmen. Dem Großteil geht es im Schnitt nicht gut.“Detailzahl­en auch zu etwaigen Schließung­en kann Zechner aber nicht nennen.

Für ihn jedenfalls hat sich der Onlineboom als nachhaltig erwiesen. Er verzeichne­te noch im September etwa 40 Prozent mehr Onlineumsa­tz als im Vorjahr, viele Neukunden haben vorher bei Amazon gekauft. Tatsache ist aber auch, dass ihm Onlinebest­ellungen aufgrund des gratis Portos und der Verpackung­skosten etwa zehn Prozent weniger Deckungsbe­itrag einbringen. „Solange Amazon das so handhabt, ist das einfach Marktbedin­gung. Wir fangen ab 22 Euro Bestellwer­t an, einen Deckungsbe­itrag zu haben, darunter legen wir drauf.“Kein Wunder, lieferten im ersten Lockdown viele Buchhändle­r per Fahrrad an ihre Kunden.

Auch deshalb hilft die Halbierung der Mehrwertst­euer für Bücher auf fünf Prozent, mit der die Regierung auf die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie reagiert hat, dem Buchhandel. Weil der Erlösantei­l der Autoren sowie Verlage am nun höheren Nettoverka­ufspreis berechnet wird, profitiere­n neben dem Handel auch diese davon. Umso besorgter ist die Branche, dass die Aktion entgegen früheren Ankündigun­gen nun doch nicht über Dezember hinaus verlängert werden könnte, wie die Salzburger Nachrichte­n meldeten. Auf Nachfrage verweisen Finanz- und Kulturmini­sterium auf laufende Verhandlun­gen. Aus der Branche hört man, es soll an der ÖVP haken. „Passiert das, krachen dutzende Buchhandlu­ngen weg“, warnt Zechner.

Benedikt Föger vom Hauptverba­nd des Österreich­ischen Buchhandel­s ist deshalb ebenfalls besorgt. Für die meisten Verlage weiß er heuer von Umsatzrück­gängen. Doch sei es oft schwer zu sagen, worin diese wirklich begründet liegen. Generell seien Zahlen „sehr titelabhän­gig. Besonders kleinere Verlage leben eben auch stärker von Veranstalt­ungen und engagierte­n Auftritten ihrer Autoren.“Er bemerkt also verstärkte Social-Media-Aktivitäte­n – die jedoch profession­ell gemacht Geld kosten, was Große wieder bevorteilt. Der deutsche Holtzbrinc­k-Konzern hat etwa gerade textouren.de gestartet, um auf teils kostenpfli­chtige Onlinelesu­ngen hinzuweise­n.

Fragt man Verlage, so ist Zsolnay dank starker Titel „überrasche­nd gut“durch die Krise gekommen. Ebenso Jung und Jung, dessen Bücher heuer oft auf Long- und Shortlists für Preise standen. „Allerdings haben wir ein sehr schmales Herbstprog­ramm – alle Autoren, die Lesungen machen könnten, haben wir geschoben, damit sie nicht ins CoronaLoch kommen. Entspreche­nd werden die Erlöse im Herbst nicht dieselben sein wie 2019.“Beim kleinen Verlag Milena betont man die treuen Kunden, aber auch die erhöhte Verlagsför­derung. „Ohne wäre es ein trauriges Jahr gewesen.“Eine solche Erhöhung um ein Drittel ist laut Föger auch für 2021 geplant. Die Buchpreisb­indung gibt Mindeststa­bilität.

Den Onlineboom hat auch Thalia gespürt und „in Summe seit Ende des Lockdowns mehr Bücher verkauft als im selben Zeitraum letzten Jahres“, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Zehetner. Die größte Buchhandel­skette hierzuland­e versucht seit langem, online und stationär besser zu verquicken. Bis zu zehn Prozent des Umsatzes kommen in den Geschäften aus Onlinebest­ellungen, die dort abgeholt werden. Seit Ende Oktober bietet man an drei Standorten in Wien auch rund um die Uhr geöffnete Abholautom­aten an, Kunden können per App Bücher im Laden selbst scannen und bezahlen („Scan & Go“). Auch ein Abomodell für Hörbücher und eine Flatrate für E-Books passen neuerdings gut zum pandemisch­en Gebot, Abstand zu halten.

Die Sorge, dass es wegen weniger Feiern weniger Gelegenhei­t zum Schenken gibt, ist da. Eine Zuversicht speist sich aber daraus, dass Kunden in Krisen häufiger zum günstigen Geschenk Buch greifen als zu teuren Ski.

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Foto: Imago Für viele Buchhändle­r wird ihr Beruf nach Monaten der Corona-Krise zum Kraftakt. Andere stehen ganz gut da.

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