Experte: Effekt des Lockdowns nur langsam zu erreichen
Bei den Corona-Infektionszahlen gab es auch am Wochenende keine Entwarnung. Laut dem Experten Niki Popper liegt das auch daran, dass sich die Menschen in Österreich, anders als im März, vor dem Lockdown nicht bereits von sich aus zurückgehalten hätten.
Wien – Laut dem Simulationsforscher und Krisenstabmitarbeiter Niki Popper ist im Herbst kein mit dem Lockdown im Frühjahr vergleichbares rasches Sinken der Corona-Neuinfektionen – und eine darauffolgende nachhaltige Entspannung der Situation – zu erwarten.
Im März hätten die Menschen in Österreich schon vor Inkrafttreten der strengen Maßnahmen ihre sozialen Kontakte stark eingeschränkt, daher habe es einen dämpfenden Voreffekt auf die Infektionsentwicklung gegeben. Dieser falle jetzt aus, denn noch vor einer Woche habe es ausgedehnte Halloween-Feiern sowie Umtrunke am Abend vor Inkrafttreten des neuerlichen Lockdowns gegeben.
Popper sowie der Geschäftsführer des öffentlichen Planungs- und Forschungsinstituts Gesundheit Österreich (Gög), Herwig Ostermann, halten daher für die kommenden Tage weiter steigende Corona-Neuinfektionszahlen für möglich. Danach müsse es rasch zu einer Stabilisierung kommen, es sei denn, die gesetzten Maßnahmen seien nicht ausreichend. Von Freitag auf Samstag war die bisherige Negativrekordzahl von 8241, von Samstag auf Sonntag waren dann 5933 neue Fälle registriert worden.
Angesichts dessen kündigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) mögliche zeitnahe Verschärfungen an. Sollte es zu keiner Stabilisierung der Infektionen kommen und nehme die Zahl von Covid-19Patienten wie zuletzt weiter zu, gebe es keine Alternative. Im Gespräch waren zuletzt vor allem die neuerliche Schließung sämtlicher Pflichtschulen, aber auch Einschränkungen im Handel. (red)
Mit 5933 Infektionen binnen 24 Stunden schien die Corona-Statistik am Sonntag weniger drastisch als noch am Samstag; an diesem Tag wurde ein Plus von 8241 Fällen registriert, für Österreich ein Allzeithoch. Doch von Experten und aus dem Gesundheitsministerium kam keine Entwarnung: „Die Fallzahlen sind am Wochenende tendenziell niedriger als jene während der Woche“, hieß es aus dem Büro von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).
Anschober kündigte zeitnah mögliche Verschärfungen an. Sollten die täglichen Neuinfektionszahlen nicht zurückgehen und es wie zuletzt auch weiter starke Zuwächse bei den Covid-19-Patienten auf Intensivstationen geben, würden die Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche verstärkt, sagte er am Sonntag.
Halloween-Feiern und Umtrunke
Das könnte sehr bald der Fall sein. Für die kommenden Tage sehen der Geschäftsführer des öffentlichen Planungs- und Forschungsinstituts Gesundheit Österreich (Gög), Herwig Ostermann, sowie der Simulationsforscher Niki Popper in STANDARD-Gesprächen noch
keine Wende. Von Montag bis Mittwoch seien neue Negativrekordwerte möglich, denn hier können allfällige Infektionen von den vergangenen Halloween-Feiern sowie von den Umtrunken Montagabend vor Lockdown-Beginn zu Buche schlagen.
Überhaupt sei die Infektionsentwicklung rund um die neuen Einschränkungen jetzt im
Herbst anders als im Frühjahr, sagte Popper: „Im März hatten wir einen LockdownVoreffekt. Die Infektionszahlen sanken rapide, weil viele Menschen ihre sozialen Kontakte schon vor Beginn der Maßnahmen stark eingeschränkt hatten. Das fällt jetzt im November weg.“Auch hätten die Verschärfungsmaßnahmen, die bereits zwei Wochen vor dem jetzigen Lockdown gesetzt wurden, keine spürbare Entlastung gebracht.
Umso länger, so Popper, könne es jetzt dauern, bis es zu einer Stabilisierung der Infektionszahlen komme – wobei er zuversichtlich sei, dass eine solche positive Entwicklung eintreten werde. In der Folge werde sich dann die Frage stellen, „ob die gesetzten Maßnahmen geeignet sind, die Fallzahlen substanziell zu senken“.
Derzeit müsse jeder und jede danach trachten, zu verhindern, dass es zu einem Überspringen des Virus von einer Gruppe auf die nächste komme: „Wenn ich immer dieselben Leute treffe und auch diese sich so verhalten, werden im Fall einer Infektion nur Menschen aus dieser Gruppe erkranken. Das Virus kann sich darüber hinaus nicht verbreiten, die Infektionszahlen sinken tendenziell. Vernetzen sich die Gruppen hingegen, etwa im Rahmen besucherstarker Partys, kommt es zu großen Zuwächsen.“
Doch welche Verschärfungen sind überhaupt möglich? Hier hielt sich das Gesundheitsministerium am Sonntag bedeckt: „Die Experten und Expertinnen evaluieren laufend das Infektionsgeschehen, auf Basis dessen
Empfehlungen für Handlungsmaßnahmen erarbeitet werden“, hieß es als Antwort auf die Frage, ob konkret etwa Schulschließungen, weitere Einschränkungen für Handel und Dienstleistungen oder gar zusätzliche Ausgangsbeschränkungen angedacht seien.
Alternativen zur Schulschließung
Dass ein nächster Schritt im Zusperren der Pflichtschulen bestehen könnte, hält sich als Gerücht seit Tagen. Am Sonntag meldete sich dazu der Bildungsaktivist und ehemalige Lehrer Daniel Landau – „Ich bitte hier im Namen vieler Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern“– zu Wort: „Statt holzschnittartig vom Offenlassen oder Schließen von Schulen zu sprechen“, richte er „einen Blick auf Zwischenlösungen“, sagte er.
Immer mehr Studien gingen davon aus, dass Kinder ebenso Corona-infektiös wie Erwachsenen seien. Ein vorübergehendes Aussetzen der Unterrichtspflicht auf freiwilliger Basis wäre daher eine „sinnvolle Sofortmaßnahme“. Eltern, die das leisten könnten, sollten Homeschooling machen können.
Auch Maßnahmen zur Virenkontrolle in den Klassenräumen seien binnen weniger Tage umsetzbar. Etwa der Ankauf von CO2-Messoder Luftfiltergeräten; effiziente gebe es laut Max-Planck-Institut schon um 300 Euro. Detto der rasche Ankauf von FFP2-Masken für alle Lehrenden sowie die Finanzierung wirksamer Masken für alle Schulkinder: „Finanziell könnten hier auch die Elternvereine einspringen.“