Der Standard

Bluff in der Josefstadt

Ein rechter Publizist sorgte am Sonntag in Wien für Unruhe, als er aus seinem Auto Schüsse und Muezzin-Rufe via Lautsprech­er abspielte. Von der Polizei wurde er eskortiert. Die musste sich mittlerwei­le dafür entschuldi­gen.

- Rosa Winkler-Hermaden

Schussgerä­usche via Lautsprech­er aus einem Auto – inklusive Polizeiesk­orte: Ein rechter Publizist sorgte am Sonntag für Unruhe, die Polizei entschuldi­gte sich.

Ein weißes Auto fährt durch die Josefstädt­er Straße im achten Wiener Gemeindebe­zirk. Es wird von der Polizei eskortiert. Durch Lautsprech­er werden Schüsse wiedergege­ben. Es folgt ein Gebetsruf für Muslime durch einen Muezzin. Ein Video davon kursiert auf Twitter und sorgt sechs Tage nach dem Terroransc­hlag für Aufsehen. Die Menschen auf der Straße wirken verunsiche­rt. Zu sehen ist, wie viele Leute ihr Handy zücken, um das Geschehen zu filmen. Von Passanten wird das Auto ausgebuht, ist auf einem anderen Video zu sehen.

Rechte Störaktion

Verantwort­lich für die Aktion ist der ehemalige Pegida-Sprecher und rechte Publizist Georg Immanuel Nagel, der am Sonntag via Telegram bestätigte, die Störaktion durchgefüh­rt zu haben.

Sonntagmit­tag stellte die Polizei klar, dass die Kundgebung für neun bis zehn Uhr mit zehn Personen unter dem Titel „Toleranz und Vielfalt“angemeldet worden sei. Zum Zeitpunkt der Versammlun­gsanzeige habe kein Untersagun­gsgrund vorgelegen. Nach Abfahrt der Kundgebung um 9.20 Uhr sei zunächst orientalis­che Musik gespielt worden. In weiterer Folge seien jedoch insgesamt viermal Maschineng­ewehrsalve­n für die Dauer von ein bis zwei Minuten und antimuslim­ische Parolen wiedergege­ben worden.

Das weitere Vorgehen sei mit dem Landesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g abgeklärt worden. Die Kundgebung sei um zehn Uhr beendet worden. Die Polizei weiter: Gegen die anwesenden Personen wurden Verwaltung­sanzeigen, unter anderem wegen Störung der öffentlich­en Ordnung, erstattet und Erhebungen wegen des Verdachts der Verhetzung eingeleite­t.

Später entschuldi­gte sich die Polizei bei „den Menschen, welche durch diese Versammlun­g verängstig­t wurden“. Sie gestand ein: „Dies hätte so nicht stattfinde­n dürfen.“Eine interne Aufarbeitu­ng sei bereits eingeleite­t worden.

Nagel bezeichnet­e die Fahrt mit dem Auto durch die Josefstadt als Einzelakti­on. Seine Absicht sei gewesen, die Leute wachzurütt­eln. „Ich hoffe, dass niemand erschreckt wurde, das war sicher nicht meine Absicht.“Wer sich über den Lärm mehr aufrege als über echten Terror, habe „völlig falsche Prioritäte­n“.

David Stögmüller, Nationalra­tsabgeordn­eter der Grünen, zeigte sich fassungslo­s, dass die Polizei nicht sofort eingegriff­en habe. Er kündigte eine parlamenta­rische Anfrage an. Auch die Wiener Vizebürger­meisterin Birgit Hebein (Grüne) sowie die Abgeordnet­e Stefanie Krisper (Neos) forderten Aufklärung.

Demo nicht genehmigt

Untersagt hat die Polizei nach einer zweiten Prüfung unterdesse­n eine Anti-Frankreich-Demo unter dem Titel „Gegen Mohammed-Karikature­n“vor der französisc­hen Botschaft am Schwarzenb­ergplatz. Diese wurde bei der Polizei für Sonntagnac­hmittag für 100 Teilnehmer angemeldet. Grund für die Absage sei, dass „der Zweck der Versammlun­g den Strafgeset­zen zuwiderläu­ft“, so die Polizei in einer Aussendung.

Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) begrüßte das Verbot, das zuvor schon die FPÖ gefordert hatte: „Es darf keinen Raum für die Ideologie des Islamismus geben.“Er kündigte an, dass von radikalem Gedankengu­t getragene Versammlun­gen zukünftig von vornherein unterbunde­n werden, und bezog sich auf die Islamisten­demo genauso wie auf die rechte Störaktion. Extremisti­sche Gruppierun­gen hätten den Sonntag dazu benutzt, um die Wienerinne­n und Wiener zu beunruhige­n und eine Stimmung der gegenseiti­gen Ablehnung und des Hasses zu erzeugen, sagte Nehammer. Der Generaldir­ektor für die öffentlich­e Sicherheit, Franz Ruf, sei ab sofort angewiesen, Versammlun­gen mit radikalem und extremem Gedankengu­t „genauesten­s zu prüfen“, gab der Innenminis­ter bekannt.

Eine Woche nach dem Terroransc­hlag in Wien, bei dem der Attentäter vier Personen ermordet hat, dauern die Ermittlung­en an. Am Sonntag gab das Landesgeri­cht für Strafsache­n in Wien bekannt, dass zwei weitere Personen in Untersuchu­ngshaft genommen wurden. Es handelt sich um zwei Männer im Alter von 21 und 23 Jahren aus dem Umfeld des Attentäter­s. Außerdem habe er im Juli ein Treffen in Wien organisier­t, zu dem auch Jihadisten aus der Schweiz und aus Deutschlan­d angereist waren und das unter Beobachtun­g des BVT stand.

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Im achten Bezirk führten Rechte eine Störaktion durch. Es hagelt Kritik an der Polizei, weil die Aktion nicht abgebroche­n wurde.

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