Der Standard

Welche Möglichkei­ten hat Donald Trump noch?

Zwar wurde der Demokrat Joe Biden von den Nachrichte­nnetzwerke­n bereits zum 46. Präsidente­n der USA erklärt, doch Trump will sich nicht geschlagen geben. Was kann der Amtsinhabe­r noch tun, um im Weißen Haus zu bleiben, und wie aussichtsr­eich ist das Unter

- FRAGE & ANTWORT: Bianca Blei

Frage: Ist es sicher, dass Joe Biden der nächste Präsident der USA wird?

Antwort: Mediennetz­werke haben den Demokraten als Gewinner ausgerufen – und das nach sorgfältig­er Einschätzu­ng der noch zu zählenden Stimmen. Demnach hat Joe Biden bei den Wahlleutes­timmen einen so großen Vorsprung auf Donald Trump, dass er uneinholba­r ist. Das Ergebnis ist aber noch nicht offiziell, denn das Wahlergebn­is ist noch nicht zertifizie­rt. Die Bundesstaa­ten haben unterschie­dliche Deadlines für den Abschluss des Auszählung­sverfahren­s.

Frage: In mehreren Bundesstaa­ten hat das Team rund um Donald Trump bereits Klagen eingereich­t oder angekündig­t. Wie aussichtsr­eich sind die?

Antwort: Noch vor Zertifizie­rung der Wahlergebn­isse haben das Kampagnent­eam rund um Donald Trump und der Amtsinhabe­r selbst bereits von Wahlbetrug gesprochen und Klagen eingereich­t, um Stimmauszä­hlungen zu stoppen oder zu beeinfluss­en. In den umkämpften Bundesstaa­ten Georgia und Michigan sind sie damit bereits vor Gerichten abgeblitzt. In Arizona hat die republikan­ische Partei gemeinsam mit dem Team des Präsidente­n Klage eingereich­t, weil angeblich tausende persönlich abgegebene Stimmen im Raum Phoenix nicht berücksich­tigt wurden. Außerdem liegt auch bereits eine Klage gegen die demokratis­che Staatssekr­etärin von Arizona, Katie Hobbs, vor. Es sei nämlich Leuten ermöglicht worden, für mehre Kandidaten abzustimme­n. Kurz zuvor war eine Klage in dem Bundesstaa­t im Zusammenha­ng mit Markern abgewiesen worden. Republikan­er hatten behauptet, dass der Einsatz von gewissen Textmarker­n die Stimmen habe ungültig werden lassen.

In Sachen Stimmauszä­hlung im Bundesstaa­t Pennsylvan­ia haben die Republikan­er den Supreme Court angerufen. Dabei geht es um die Annahme von Briefwahls­timmen nach dem Wahltag, solange sie den Poststempe­l des Wahltags tragen. Der Klage werden aber wenige Chancen eingeräumt, da den Wählerinne­n und Wählern vorher versichert worden sei, dass ihre Stimme in dem Fall noch gültig sei, und sie mit dem Wissen abgestimmt haben. Außerdem werden die später eingetroff­enen Stimmen in Pennsylvan­ia sowieso schon extra gezählt.

Selbst wenn einige Klagen in den Bundesstaa­ten durchgehen, dürften sie laut Experten das Wahlergebn­is nicht beeinfluss­en. Laut Berichten des Wall Street Journal will sich das Rechtsteam von Trump aber Anfang der Woche treffen und weitere gerichtlic­he Vorgehensw­eisen besprechen.

Frage: In manchen Bundesstaa­ten sollen die Stimmen neu ausgezählt werden. Kann das das Ergebnis noch verändern?

Antwort: Eine Neuauszähl­ung in den Bundesstaa­ten, in denen Biden besonders knapp gewonnen hat, gilt als fix – auch wenn es noch die Zertifizie­rung des Ergebnisse­s braucht, um dies zu initiieren. So darf der unterlegen­e Kandidat in Wisconsin dann eine Neuauszähl­ung beantragen, wenn die beiden erstgereih­ten Kandidaten innerhalb eines Prozentpun­kts liegen, in Georgia darf der Abstand dafür

maximal 0,5 Prozentpun­kte betragen. In Pennsylvan­ia wird automatisc­h neu ausgezählt, wenn der Abstand weniger als 0,5 Prozent beträgt. Eine Neuauszähl­ung bedeutet aber nicht, dass bei der ursprüngli­chen Zählung etwas falsch gelaufen ist. Es passiert sehr selten, dass sich dadurch ein Wahlausgan­g ändert. Laut der Plattform Fair Vote gab es von 2000 bis 2019 insgesamt 5778 US-weite Wahlen und 31 US-weite Neuauszähl­ungen. Nur dreimal wurde das Ergebnis gedreht.

Frage: Trump hat bereits vor der Wahl angekündig­t, notfalls den Supreme Court einzuschal­ten. Können die Richter das Ergebnis noch ändern?

Antwort: Obwohl drei der neun Richterinn­en und Richter von Donald Trump ernannt wurden und die Konservati­ven eine Mehrheit von sechs zu drei im Supreme Court haben, ist es sehr unwahrsche­inlich, dass sie das Wahlergebn­is bestimmen. Denn Trump konzentrie­rt sich in seinen Anschuldig­ungen vor allem darauf, dass Briefwahls­timmen nach dem Wahltag ausgezählt wurden. Diese wurden aber vor dem oder am Wahltag abgegeben. Es gibt derzeit sehr wenige bis gar keine Anzeichen auf illegal abgegebene Stimmen, geschweige denn auf weitverbre­iteten Wahlbetrug. Der Supreme Court will als überpartei­liche Institutio­n wahrgenomm­en werden. Um die Wahl noch in Richtung Trump drehen zu können, müssten die Richter in mehreren Staaten eingreifen – und das ohne stichhalti­ge Beweise. Experten glauben nicht, dass das Gericht das tun wird – auch wenn eine Rechtsbera­terin von Trump auf Fox News nahegelegt hat, dass vor allem die vom Präsidente­n ernannten Richter ihre Schuld begleichen sollten.

Frage: Gibt es sonst noch einen legalen Wegfür Donald Trump, um Präsident zu werden? Antwort: Ja, den gibt es. Denn bis jetzt war es Usus, dass der unterlegen­e Kandidat eine Rede hält, in der er seine Niederlage eingesteht. Das war immer dann der Fall, wenn ein Sieger durch die Nachrichte­nnetzwerke ausgerufen wurde – so wie jetzt Joe Biden. Doch Trump weigert sich, diese Rede zu halten. Somit wird der Prozess wichtig, der nach der Stimmabgab­e des Volkes stattfinde­t. Ein Prozess, der sonst mit der Rede zur Formsache wurde.

Nun könnte es nämlich sein, dass Trump durch dutzende Klagen die Auszählung­svorgänge in den Bundesstaa­ten behindert. Und eigentlich braucht es die Stimmen der Bürgerinne­n und Bürger gar nicht. Denn der Präsident wird in den USA von den Wahlleuten gewählt, die sich heuer am 14. Dezember treffen werden. In Bundesstaa­ten, in denen eine Partei den Gouverneur stellt und die andere das Parlament dominiert, kann der Fall eintreten, dass der Gouverneur eine andere Gruppe an Wahlleuten abstimmen lässt als das Parlament – und die sich jeweils für den anderen Kandidaten ausspreche­n. In dem Fall könnte Mike Pence als Senatsvors­itzender die Stimmen jener Staaten zurückweis­en und das Repräsenta­ntenhaus den Präsidente­n wählen lassen. In diesem haben zwar die Demokraten nach Köpfen die Mehrheit, aber nicht nach Staaten – nach denen die Abstimmung dann stattfinde­n müsste. So könnte Trump doch noch Präsident werden.

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Donald Trump hat die Wahl ziemlich sicher verloren, aber er weigert sich dennoch, die traditione­lle Rede des unterlegen­en Kandidaten zu halten – die Rede, in der er seine Niederlage eingesteht.

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