Der Standard

Investoren erleichter­t, Wirtschaft hofft, Experten warnen

Die Hoffnungen auf einen Neustart der US-Beziehunge­n sind groß – Beruhigung offener Konflikte könnte dauern

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Dass die US-Wahl endlich entschiede­n ist, wird Ruhe in die zuletzt stark schwankend­en Märkte bringen. US-Investoren und -Finanzmana­ger haben sich am Samstag bereits erleichter­t über den Ausgang der Präsidents­chaftswahl und die Abwahl von Präsident Donald Trump gezeigt.

„Der Demokrat Joe Biden ist eine gute Nachricht für die Märkte“, sagte Christophe­r Stanton, Chefinvest­or bei Sunrise Capital Partners, zum Wahlsieg von Joe Biden. „Wir sind alle so müde davon, von den Trump-Tweets hin- und hergeschle­udert zu werden.“

Jamie Dimon, Chef der größten USBank JP Morgan, rief zur Ruhe auf. „Jetzt ist die Zeit für Einheit“, schrieb er in einer Mitteilung. „Wir müssen das Ergebnis der US-Präsidents­chaftswahl anerkennen – wie wir es mit jeder Wahl gemacht haben“, fügte er in Anspielung auf die Weigerung von Trump hinzu, seine Niederlage einzugeste­hen. Investoren hatten darauf gehofft, dass die Wahl schnell entschiede­n sein wird, weil wichtige Themen – etwa der weitere Umgang mit der Corona-Pandemie oder Konjunktur­pakete – entschiede­n werden müssen.

Hoffen ...

Viele Politiker haben Biden zum Sieg gratuliert. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz schrieb, dass er sich auf eine enge Zusammenar­beit in der Zukunft freue. „Europa und die USA verbindet ein Wertesyste­m, für das wir gemeinsam einstehen“, so Kurz. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (beide ÖVP) wünscht sich von Biden einen Wirtschaft­saufschwun­g und einen starken Fokus auf die Beziehunge­n zwischen Europa und den USA. Auch die Industriel­lenvereini­gung erhofft sich laut Präsident Georg Knill „Impulse für die

Weltwirtsc­haft durch ein neues USKonjunkt­urprogramm“.

Vier Jahre trieb Trump die Europäer vor sich her: Er drohte unter anderem mit einem Handelskri­eg gegen deutsche Autoherste­ller und kündigte reihenweis­e internatio­nale Abkommen. Die Hoffnungen auf einen transatlan­tischen Neustart unter Joe Biden sind groß. Doch die Gefahr besteht, dass die Europäer auch unter dem neuen US-Präsidente­n vor allem Getriebene bleiben.

Obgleich Biden „Europa besser versteht als Trump“, werde er „nicht von einem Tag auf den anderen die Herangehen­sweise Washington­s“ändern, warnt der frühere EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker. Im Wirtschaft­sbereich habe schließlic­h auch er im Wahlkampf mit „Buy American“-Parolen gearbeitet. Biden werde zwar „die Drohung eines Handelskri­eges vom Tisch nehmen“, meint Sam

Lowe vom Centre for European Reform. Die EU dürfe sich aber nicht der Illusion hingeben, „dass Biden ein verkappter Europäer ist“. Wirtschaft­lich werde es weiter große Meinungsve­rschiedenh­eiten geben, etwa bei der Besteuerun­g von Internetko­nzernen.

In der Handelspol­itik gegenüber den Europäern verweist Lowe darauf, dass Bidens Spielraum durch einen „zunehmend protektion­istischen Kongress“eingeschrä­nkt sei. „Die größte Herausford­erung“im transatlan­tischen Verhältnis werde aber die Haltung gegenüber China sein.

... und bangen

Einige Investoren zeigen sich auch besorgt darüber, was Trump noch als „lahme Ente“bis zur Amtsüberga­be im Jänner unternehme­n könnte. Dies könnte zu Verwerfung­en am Aktienmark­t führen, warnen sie. (Reuters, bpf)

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