Der Standard

„In der Vermittlun­g werden die Corona-Monate eine Lücke bilden“

Die Autorin Lydia Mischkulni­g erzählt, wie es ihr zwischen abgesagten Lesungen, neu nachkommen­den Büchern und Hilfsgelde­rn geht

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Als Erscheinun­gstermin für mein Buch Die Richterin war eigentlich der Herbst geplant, es ist dann aber doch schon im Sommer gedruckt worden – mit der Idee, dass es so vielleicht noch Schwung holen kann, bevor die zweite Corona-Welle mit einem neuen Lockdown kommt. Als es im Juli ausgeliefe­rt wurde, hat es sich auch gut verkauft. Dann erschien im September aber eine Flut neuer Bücher. Meine Lesungen für den Herbst wurden ohnehin bereits mit Fragezeich­en ausgemacht, nun sind alle Termine für November abgesagt worden. Mit Auftritten geht es bei mir erst im Februar weiter. Es lässt sich momentan nicht viel machen.

Die Verdienste­ntgänge, die Autoren dadurch haben? Manche Lesungen macht man um 500 Euro, manche um 800 Euro, manche Autoren bekommen auch viel mehr. Mir sind etwa zehn Lesungen ausgefalle­n, grob gerechnet geht es für mich also um etwa 5000 Euro Einnahmene­ntgang. Wenn man einen Preis oder ein Stipendium bekommt oder als Ersatz einen Essay oder etwas wie die Corona-Tagebücher für das Literaturh­aus Graz schreiben kann, fängt einen das schon auf. Dort wurde mir die abgesagte Lesung zudem abgegolten.

Manche Veranstalt­er bieten einem hingegen Streams als Ersatz für Lesungen an. Das ist nicht so meines, weil mir die Tonqualitä­t auf Plattforme­n wie etwa Zoom zu schlecht ist. Ich finde die Stimme bei einer Dichterles­ung nämlich sehr wichtig. Auch körperspra­chliche Eigenheite­n und Feinheiten von Mitteilung gehen im Netz verloren. Mir ist durch die Absagen klarer geworden, welche besondere Qualität der Austausch mit Lesern hat.

Finanziell geholfen hat uns Autoren auch die Unterstütz­ung durch die Verwertung­sgesellsch­aft Literar-Mechana. Von den Regierungs­hilfen habe ich anfangs mit wenig Verwaltung­saufwand ein paar Hundert Euro überwiesen bekommen, mir dann aber gedacht, ich schreibe lieber mein Buch fertig, als in der nächsten Runde diesen ganzen Aufwand auf mich zu nehmen. Außerdem hatte ich vergangene­s Jahr glückliche­rweise ein Stipendium bekommen und gefunden, das ist genug. Nur für einen Schreibpla­tz hat man ja nicht so viel finanziell­en Aufwand wie etwa bildende Künstler, die ein Atelier erhalten müssen.

Wenn es mit der zweiten Welle aber so weitergeht, werde ich mir natürlich überlegen, ob ich auf staatliche Hilfsprogr­amme zugreife, wenn es eng wird. Aber jetzt warte ich noch auf Februar, wenn ausgeschüt­tet wird, was mein Buch eingespiel­t hat. Ich hoffe, dass es damit wieder für eine Weile geht. In der Zwischenze­it arbeite ich an Aufträgen, für die es ein normales Honorar gibt.

Literaturp­reise werden zwar auch weiterhin ausgelobt. Vom Land Kärnten habe ich etwa einen Würdigungs­preis für mein Buch zugesproch­en bekommen, der im Dezember übergeben wird – aber normalerwe­ise ist so etwas von Leseauftri­tten begleitet, und das sind eigentlich immer Effekte, die ein Buch ins Gespräch bringen oder zumindest am Köcheln halten. Das wird nun ausbleiben, fürchte ich.

In der Vermittlun­g des zeitgenöss­ischen Schreibens werden die von Corona betroffene­n Monate eine Lücke bilden. Denn es gibt wahnsinnig viele Bücher, die seit dem Frühjahr liegen geblieben sind, und zu wenig Vermittlun­gskanäle für alle diese Titel.

Zugleich werden von den Verlagen die nächsten Frühjahrsp­rogramme projektier­t. Mit welchem Zaudern das wohl vonstatten­geht, auch was die Promotion anbelangt? Man weiß ja nicht, wie es im Jänner weitergeht!

Ich denke schon darüber nach, wie es mit dem Buch jetzt liefe, wenn die Corona-Krise nicht wäre: Hätte es noch viele Lesungen gegeben? Spannende Begegnunge­n? Einladunge­n zu Festivals? Und wie hätten sich dadurch die Bedingunge­n für das Schreiben der nächsten Bücher verbessert?

LYDIA MISCHKULNI­G, geb. 1963, lebt in Wien. „Die Richterin“ist bei Haymon erschienen.

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Foto: Margit Marnul

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