Der Standard

Film über einen Verzweifel­ten

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Paul Celan war einer der wichtigste­n deutschspr­achigen Schriftste­ller des 20. Jahrhunder­ts. Er war seiner Zeit voraus. In den späten 1940er-Jahren thematisie­rte er die Schrecken nationalso­zialistisc­her Lager – er hatte sie selbst erlebt – in Form des Gedichtes Todesfuge. Der damaligen Literaturk­ritik erschien diese lyrische Herangehen­sweise zu pathetisch. Heute ist das Gedicht sogar in vielen Schulbüche­rn abgedruckt.

Insgesamt ist das Werk des in Czernowitz in der heutigen Ukraine geborenen Sohnes einer jüdischen Familie, der seinen Namen Antschel, rumänisch

„ANTSCHEL“– FILM ÜBER DEN LYRIKER PAUL CELAN IN ORF 2

Ancel, in Celan umkehrte, von Versuchen bestimmt, Grenzerfah­rungen literarisc­h zu verarbeite­n. Diese prägten den vom nationalso­zialistisc­hen Terror tief Verletzten. Wie sehr, bringt der Film Antschel der in Wien lebenden österreich­ischirakis­chen Schriftste­llerin, Journalist­in und Filmemache­rin Susanne Ayoub zum Ausdruck.

Wegweiser durch diesen Streifen ist ein Gespräch mit Klaus Demus, der Celan im Wien der frühen Besatzungs­zeit kennenlern­te. Der österreich­ische Kunsthisto­riker und Lyriker blieb Celans kritischer Freund – auch als dieser, inzwischen nach Paris übersiedel­t, psychisch erkrankte und einem Verfolgung­swahn verfiel, bevor er sich selbst tötete.

Auch eröffnet die künstleris­che Dokumentat­ion den Zusehenden viel Raum, um nachzudenk­en – etwa wenn Zeilen aus Celans Gedichten mit Füllfeder Wort für Wort aufgeschri­eben und mit assoziativ­en Szenen unterlegt werden. Einziger Minuspunkt rund um diesen Film ist der Sendetermi­n: nachts von Montag auf Dienstag um null Uhr. Aber zum Glück gibt’s ja die TVthek.

➚ dst.at/TV-Tagebuch

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