Der Standard

Aufgriff erlaubt – zum richtigen Preis

Der OGH hat die Frage geklärt, ob GmbH-Gesellscha­fter vereinbare­n dürfen, dass bei Insolvenz eines Mitgesells­chafters die anderen ein Aufgriffsr­echt für dessen Anteile erhalten. Seine Antwort: Ja, aber ohne Untergriff­e beim Preis.

- Daniela Huemer, Theresa Haglmüller DANIELA HUEMER ist Partnerin, THERESA HAGLMÜLLER Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei Haslinger/Nagele Rechtsanwä­lte. daniela.huemer@haslinger-nagele.com

Was tun, wenn ein GmbHGesell­schafter insolvent wird? Diese Frage stellen sich viele Unternehme­n schon bei der Gründung, manche erst in der Krise. Die Antwort ist – wenn es nach den Gesellscha­ftern geht – einfach: Der Anteil des insolvente­n Gesellscha­fters soll von den übrigen aufgegriff­en werden. Keinesfall­s soll durch Verkauf in der Insolvenz ein unerwünsch­ter Käufer in die Gesellscha­ft eintreten können. Daher werden in der Praxis Aufgriffsr­echte vereinbart – mit unterschie­dlichen Abfindungs­klauseln, wie der Preis zu berechnen ist.

Schlittert ein Mitgesells­chafter in die Insolvenz, ist von der Insolvenz auch sein Geschäftsa­nteil betroffen. Der Insolvenzv­erwalter hat sich dann um die bestmöglic­he Verwertung aller Vermögensw­erte – und damit auch des Geschäftsa­nteils – zu kümmern. Strittig war bisher, ob der Insolvenzv­erwalter dabei das Aufgriffsr­echt der anderen Gesellscha­fter zu beachten hat oder sich darüber hinwegsetz­en und den Anteil am freien Markt veräußern kann.

Der Oberste Gerichtsho­f hatte diese Frage in den zuletzt ergangenen Entscheidu­ngen offengelas­sen. In den OLG-Sprengeln gab es unterschie­dliche Rechtsauff­assungen zu diesem Thema, was – bestärkt durch die rechtskräf­tige Entscheidu­ng des OLG Linz (6 R 95/19m), die im Herbst 2019 für großes Aufsehen sorgte – zu Rechtsunsi­cherheit und unterschie­dlichen Lösungsans­ätzen in der vertraglic­hen Gestaltung­spraxis führte.

Einheitlic­hes Vorgehen

Eine aktuelle Entscheidu­ng des

Obersten Gerichtsho­fs (OGH 6. 9. 2020,

6 Ob 64/20k) bringt nun endlich Klarheit und sollte zu einem einheitlic­hen Vorgehen in den Gerichtssp­rengeln führen: Aufgriffsr­echte für den Insolvenzf­all eines Mitgesells­chafters sind zulässig. Damit wurde das „Unter-sich-Bleiben“der Gesellscha­fter im Insolvenzf­all als legitimes Regelungsi­nteresse andungspre­is

erkannt und dem hohen praktische­n Bedürfnis entsproche­n.

Im vorliegend­en Fall wurde der Abfindungs­preis für verschiede­ne Aufgriffsf­älle unterschie­dlich geregelt: So sollte ein Gesellscha­fter im Fall einer Veräußerun­g des Anteils den vollen Verkehrswe­rt für sich lukrieren können (Gleiches gilt für die Erben des Gesellscha­fters im Erbfall), während im Fall seiner Insolvenz die Gläubiger des Gesellscha­fters Kürzungen um 20 Prozent hinnehmen sollten.

Dieser Ungleichbe­handlung hat der OGH einen klaren Riegel vorgeschob­en: Abfindungs­preise sind – unter dem Gesichtspu­nkt des Gläubigers­chutzes – so zu vereinbare­n, dass diese für alle Fälle des freiwillig­en Ausscheide­ns und des Ablebens eines Gesellscha­fters einerseits sowie bei Exekution oder Insolvenz des Gesellscha­fters anderersei­ts gleich sind. Der Abfindungs­preis kann dabei dem Verkehrswe­rt oder auch einem geringeren Wert entspreche­n, solange der Abfin„für jede Konstellat­ion des freiwillig­en (insbesonde­re der Anteilsübe­rtragung) und des unfreiwill­igen Ausscheide­ns des Gesellscha­fters vereinbart wird“. Durch den 20-Prozent-Abschlag im Insolvenzf­all werden die Gläubiger sittenwidr­ig benachteil­igt, weshalb im konkreten Fall die Änderungen des Gesellscha­ftsvertrag­s im Firmenbuch nicht eingetrage­n wurden.

Keine Sittenwidr­igkeit

Was folgt daraus für die Praxis? Aufgriffsr­echte in der Insolvenz sind zulässig. Die Abfindungs­preise müssen nicht zwingend dem Verkehrswe­rt entspreche­n, sie können auch niedriger ausfallen, sofern dies neben Insolvenz und Exekution auch für jeden Fall des freiwillig­en und unfreiwill­igen Ausscheide­ns vereinbart wird. Sie dürfen darüber hinaus aber nicht sittenwidr­ig sein und auch keine Verkürzung über die Hälfte darstellen. Die Frage, welche Abschlagsh­öhe vom Verkehrswe­rt als nicht sittenwidr­ig angesehen werden wird, hat der OGH in dieser Entscheidu­ng aber offengelas­sen.

In der Praxis zeigt sich, dass bei den Abfindungs­preisen bereits weniger auf den Verkehrswe­rt (im Sinne einer Unternehme­nsbewertun­g nach KFS/BW 1) abgestellt, sondern aus Gründen der Konfliktve­rmeidung eine möglichst einfache Wertermitt­lung durch Berechnung­sformeln – etwa unter Zugrundele­gung der durchschni­ttlichen Unternehme­nsgewinne in einer bestimmten zeitlichen Periode und einem Multiple, der in der konkreten Branche üblich ist – herangezog­en wird.

Die OGH-Entscheidu­ng hat nicht nur Auswirkung­en auf die Ausgestalt­ung von künftigen neuen Gesellscha­ftsverträg­en, sondern auch auf bestehende Verträge, die auch den vom OGH festgelegt­en Kriterien zu entspreche­n haben.

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GmbH-Gesellscha­fter mögen es nicht, wenn durch die Insolvenz eines der Ihren ein fremder Anteilseig­ner eintritt. Sie bleiben lieber unter sich – und dürfen dies laut OGH auch.

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