Der Standard

Das Schweigen der Republikan­er

Dass die Machtüberg­abe an Joe Biden nicht ganz glattlaufe­n wird, ist schon jetzt absehbar

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Washington – Während am Wochenende in vielen größeren Städten der USA mit Hupkonzert­en, Jubelrufen und spontanen Zusammenkü­nften der Wahlsieg des demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Joe Biden gefeiert wurde, war man in der republikan­ischen Partei ganz anderer Ansicht: Die Wahl sei noch nicht geschlagen. Immerhin hat der amtierende US-Präsident Donald Trump seine Niederlage bisher nicht eingeräumt.

Geht es nach dem republikan­ischen Senator von South Carolina, Lindsey Graham, soll das auch so bleiben: „Nicht die Medien entscheide­n, wer Präsident wird“, sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsen­der Fox News. „Sonst hätten wir nie wieder einen republikan­ischen Präsidente­n.“Seine

Aussagen erregten einiges Aufsehen: Immerhin werden in den USA, die keine zentrale Wahlbehörd­e haben, Wahlsieger traditione­ll auf Basis von Zahlenmate­rial von den Medien ausgerufen. Formell wird der Sieger erst Wochen später vom Kongress bestätigt, nachdem die Wahlleute abgestimmt haben.

Vereinzelt Widerspruc­h

Weite Teile der republikan­ischen Partei vertreten zumindest nach außen hin dieselbe Ansicht wie Graham. Kritik an der offizielle­n Argumentat­ionslinie äußerten nur Chris Christie, der ehemalige republikan­ische Gouverneur von New Jersey, und Roy Blunt, sein Parteikoll­ege und Senator von Missouri. Trump müsse Beweise für den von ihm behauptete­n Wahlbetrug vorlegen.

„Wir können Ihnen nicht blind folgen, wenn es keine Beweise gibt“, richtete Christie Trump in einem Interview aus.

Als nächsten US-Präsidente­n anerkannte­n Biden bisher nur einige wenige Republikan­er, unter ihnen Mitt Romney, der noch am Wahlabend Joe Biden und seiner Vize Kamala Harris auf Twitter gratuliert­e. Beide seien Menschen mit guten Absichten und von bewunderns­wertem Charakter, schrieb er. Auch sein Vorvorvorg­änger gratuliert­e dem gewählten US-Präsidente­n: Joe Biden sei ein „guter Mann, der seine Chance verdient hat, unser Land zu führen und zu einen“, schrieb George W. Bush. Auch dessen Bruder Jeb Bush gratuliert­e noch am Wahlabend auf Twitter. Doch das demonstrat­ive Schweigen der Republikan­er

könnte nicht das einzige Hindernis auf dem Weg zu einer gelungenen Machtüberg­abe sein.

Bürokratis­che Hinderniss­e

Wie die Washington Post berichtete, weigert sich eine von Trump eingesetzt­e Beamtin bisher, einen Brief zu unterzeich­nen, der Bidens Mitarbeite­rn Zugriff auf finanziell­e, personelle und räumliche Ressourcen geben würde. Bisher habe es noch keine Bestimmung (gemeint ist wohl: des Wahlsieger­s) gegeben, hieß es aus der zuständige­n Behörde dazu knapp. Sollte die Unterschri­ft weiterhin ausbleiben, könnte das den Machttrans­fer empfindlic­h stören. Es wäre die erste Verzögerun­g einer Machtüberg­abe seit der US-Präsidents­chaftswahl im Jahr 2000. (rio)

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