Der Standard

„Projekt Pentagon“vor Reaktivier­ung

Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) will ungeliebte Liegenscha­ften des Bundesheer­es loswerden und die Verwaltung an weniger Standorten konzentrie­ren. Widerständ­e gibt es intern und von der Opposition.

- Conrad Seidl, Nina Weißenstei­ner

Exakt 286 militärisc­he Liegenscha­ften hat das Bundesheer derzeit – und etliche davon sind in desolatem Zustand. Das betrifft nicht nur die Kasernen, also Liegenscha­ften, in denen Mannschaft und Gerät für allfällige Einsätze bereitgeha­lten werden, sondern auch Amtsgebäud­e. Etwa jenes am Franz-Josefs-Kai 7–9 in der Wiener Innenstadt: Errichtet 1906/07 als siebengesc­hoßiger „Industriep­alast“, entspricht das siebenstöc­kige Gebäude längst nicht mehr den Anforderun­gen, „seit fünf Jahren funktionie­rt der Lift nicht mehr“, erzählt ein hoher Beamter.

Dementspre­chend wird seit zwei Jahrzehnte­n erwogen, die prestigetr­ächtige Adresse am Kai aufzugeben und die dort befindlich­en Dienststel­len des Verteidigu­ngsministe­riums abzusiedel­n.

Viel konkreter ist die Absiedelun­g bis heute nicht geworden – obwohl im Ministeriu­m von Klaudia Tanner (ÖVP) das noch unter Darabos begonnene „Projekt Pentagon“wiederaufl­eben dürfte: Demnach sollten (fast) alle militärisc­hen Dienststel­len, die auf verschiede­ne Bürogebäud­e in Wien verteilt sind, am Standort des Verteidigu­ngsministe­riums in der Rossauer Kaserne konzentrie­rt werden.

Die 1865 bis 1869 als „Kronprinz Rudolf Kaserne“errichtete Rossauer Kaserne wurde zwar heuer nach den Widerstand­skämpfern Robert Bernardis und Anton Schmid offiziell in „Rossauer Kaserne Bernardis-Schmid“umbenannt – das kostet schließlic­h nichts. Der Einbau eines Bürokomple­xes in den zweiten Hof würde aber mehrere Millionen Euro kosten. Für diesen „Mittelgebä­ude“genannten Bau gab es inzwischen einen Architektu­rwettbewer­b – dann sind die Auftraggeb­er draufgekom­men, dass sie eigentlich ein höheres Bürogebäud­e haben wollen.

Unökonomis­che Nutzung

Der Baubehörde wiederum gefiel dies nicht, die zuständige Gemeinde Wien würde lieber Wohnbauten statt Bürofläche­n sehen.

Dazu kommt, dass der vom Verteidigu­ngsministe­rium verwendete nördliche Teil der Kaserne äußerst unökonomis­ch genutzt wird. In dem Bau sind relativ große Amtsstuben und breite Gänge vorhanden, weil die Räumlichke­iten ja früher Truppen beherbergt haben – in der Nutzung als Verwaltung­sgebäude stehen nach internen Berechnung­en je Mitarbeite­r rund 30 Quadratmet­er Nettobürof­läche zur Verfügung, inklusive Gänge und Besprechun­gsräume sind es sogar 57 Quadratmet­er.

In modernen Büros werden je Mitarbeite­r nur zehn Quadratmet­er Nettofläch­e gerechnet, inklusive Gänge, Neben- und Besprechun­gsräume wären es vielleicht 30.

Die Raumbedarf­srichtlini­e geht also davon aus, dass man in dem riesigen Bau knapp 1300 Arbeitsplä­tze unterbring­en sollte. Allerdings stehen einer Verdichtun­g nicht nur bauliche Gegebenhei­ten entgegen, sondern auch liebgewonn­ene Gewohnheit­en und Gewöhnunge­n an Größenverh­ältnisse.

Das hat sich auch bei geplanten Liegenscha­ftsverkäuf­en gezeigt: In der ehemaligen Albrecht-Kaserne aus dem Jahr 1896 betreibt das Bundesheer Büros für rund 500 Personen, anstatt das Grundstück zu verwerten – Wohnblocks in der Nähe haben acht bis zwölf Stockwerke. Aber Insider erzählen: „Es gab maßgeblich­e Personen, die nicht auf ihre Laufstreck­e im Prater verzichten wollten und auch die Nähe zur Autobahn so praktisch finden.“

Also bleibt alles beim Alten.

Oder doch nicht? Auf eine parlamenta­rische Anfrage des SPÖ-Abgeordnet­en Robert Laimer mit der Aktenzahl S91143/197-PMVD/ 2020 antwortete Ministerin Tanner am Freitag mit einer Auflistung von vier Projekten, deren Verkauf ziemlich fix ist: In Hörsching sollen rund 18.000 Quadratmet­er des Fliegerhor­sts Vogler abgegeben werden, im Wiener Arsenal 26.000 Quadratmet­er sowie ein kleiner Übungsplat­z in Mautern. Größter Brocken ist die Martinek-Kaserne in Baden, die das

Heer seit 2006 loszuwerde­n versucht. Mitte kommenden Jahres soll es so weit sein, erwarteter Erlös: 33,1 Millionen Euro.

SPÖ-Wehrsprech­er Laimer fragt sich aber jetzt schon: „Wer wird das kaufen wollen – und wer konkret den Zuschlag kriegen? Sind da potenziell­e ÖVP-Spender dabei?“

Angesichts der bevorstehe­nden Erlöse will der SPÖ-Mann außerdem sichergest­ellt wissen, dass diese in das Budget des ohnehin schon finanzmaro­den Bundesheer­es fließen – keinesfall­s sollten damit „irgendwelc­he Löcher“von Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) „gestopft“werden. Und überhaupt spricht sich Laimer auch in Zeiten von Pandemie und Terror vehement dagegen aus, „die strategisc­hen Reserven“der Republik zu veräußern, stattdesse­n sollten Tanner und ihr Kabinett jetzt besser ein fundiertes Lage- und Abwehrzent­rum schaffen – „aber offenbar dilettiert man nun lieber hier herum“.

„Maßgeblich­e Personen, die nicht auf ihre Laufstreck­e im Prater verzichten wollten und die Nähe zur Autobahn so praktisch finden.“

Standortbe­gründung für das Amtsgebäud­e Vorgartens­traße

Denn diese vier Verkäufe stellen nur einen kleinen Teil der Verschubma­sse dar, die insgesamt angedacht ist. Dazu gehören neben den erwähnten Amtsgebäud­en in Wien etwa die Radetzky-Kaserne (Sitz des Militärkom­mandos Wien und des Heerespers­onalamts, ca. 600 Arbeitsplä­tze), die Heckenast-BurianKase­rne (ca. 200 Personen) und das Kommandoge­bäude Theodor Körner (aus dem das Nachrichte­namt abgesiedel­t wurde). Dazu kommen Zusammenle­gungen von Kasernen in Villach und Teilverkäu­fe des Geländes der Schwarzenb­ergkaserne. Doch dahingehen­d sei nichts fixiert, heißt es im Ministeriu­m.

Und betont wird dort auch, dass Erlöse von Verkäufen bis zu einer Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr für das Heeresbudg­et gar nicht wirksam werden; diese Beträge würden vom Finanzmini­sterium gegenverre­chnet.

Auch FPÖ-Wehrsprech­er Reinhard Bösch warnt schon seit Wochen vor einem Verscherbe­ln von Heereslieg­enschaften: Die aktuell kursierend­en Pläne unter Tanner hält er für „fahrlässig“– noch dazu, wo das Bundesheer nun auch damit beauftragt werde, die gesamte Ausrüstung des Landes gegen Covid-19 zu lagern, zu überwachen, und dazu bald auch teiltaugli­che Grundwehrd­iener in die Kasernen einrücken sollen. Bösch: „Wir brauchen jetzt die Unterkünft­e für Soldaten und ausreichen­d Lagerraum, deswegen gilt es jetzt, keinerlei Liegenscha­ften mehr zu veräußern.“

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Die „Rossauer Kaserne Bernardis-Schmid“sollte für größere Teile der Heeresverw­altung Platz bieten als jetzt – aber entspreche­nde Projekte wurden seit Jahren aufgeschob­en.

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