Der Standard

Joe Biden will die US-Klimapolit­ik komplett umkrempeln. Gelingt ihm das auch ohne Mehrheit im Senat?

Donald Trump hat seinem Amtsnachfo­lger in der Klimapolit­ik viel verbrannte Erde hinterlass­en. Schafft der Demokrat eine Wende in der Klimapolit­ik? Und wie gelingt das ohne Mehrheit im Senat?

- ANALYSE: Nora Laufer

Es waren geradezu apokalypti­sche Bilder, die im Sommer über den Atlantik schwappten: San Francisco in einer dicken Rauchschwa­de, brennende Wälder und zerstörte Häuser. Mehr als 16.000 Quadratkil­ometer – das entspricht der Fläche der Steiermark – sind allein heuer und nur im Bundesstaa­t Kalifornie­n abgebrannt. Mindestens 31 Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Auch auf der anderen Seite des Kontinents gibt es zahlreiche Tote zu beklagen. Denn noch nie haben so viele Tropenstür­me in die USA die Landmasse erreicht wie heuer.

Dass all das mit der Erderwärmu­ng zusammenhä­ngen könne, ist für Donald Trump eine Mär. Darauf angesproch­en, konterte der US-Präsident im September, die Wissenscha­ft habe ja keine Ahnung. Die Temperatur­en würden schon sinken, man müsse nur abwarten. Ganz andere Töne sind vom Präsidente­n in spe zu hören: Joe Biden will die USA bis 2050 klimaneutr­al machen, bis 2035 im Stromsekto­r auf erneuerbar­e Energien umsteigen und Subvention­en für fossile Brennstoff­e beenden.

Die Erwartunge­n für die künftige Ausrichtun­g der US-Klimapolit­ik

sind unter Beobachter­n hoch, der Ausgangspu­nkt zugleich denkbar niedrig: Die Vereinigte­n Staaten sind nach wie vor der zweitgrößt­e Treibhausg­asemittent der Welt; Trump hat mehr als 125 Umwelt- und Klimageset­ze seines Vorgängers Barack Obama geschwächt oder rückgängig gemacht und ist aus dem Pariser Klimaabkom­men ausgetrete­n.

Biden hat viel Aufräumarb­eit vor sich, weder die Dringlichk­eit des Themas noch seine politische­n Kontrahent­en sind ihm dabei eine Hilfe.

Denn im Senat, ohne dessen Zustimmung

Biden in vielen Bereichen die Hände gebunden sind, könnte es wieder zu einer republikan­ischen Mehrheit kommen. Das entscheide­t sich allerdings erst im Jänner bei einer Stichwahl im Bundesstaa­t Georgia.

Chancen ohne Senat?

Haben die Klimapläne der Demokraten dann überhaupt eine Chance? Ja, sagt Gernot Wagner. Der Klimaökono­m der New York University meint, dass sich vieles tun wird –

mit oder ohne Senat. Zwar kann Biden ohne die Mehrheit keine Klimageset­ze einführen, dafür hat er andere Möglichkei­ten: Der ehemalige Außenminis­ter John Kerry und die Abgeordnet­e Alexandria OcasioCort­ez haben laut Wagner 56 Maßnahmen identifizi­ert, die die Administra­tion auch so setzen kann.

Biden kann dabei zum Beispiel auf „executive orders“– Durchführu­ngsverordn­ungen – zurückgrei­fen. Durch eine solche will Biden etwa als erste Amtshandlu­ng dem Pariser Klimadeal wieder beitreten. Die Verordnung­en gehen aber noch viel weiter. Biden könnte aus Sicht von Experten beispielsw­eise den Bau neuer fossiler Förderanla­gen in öffentlich­en Arealen einschränk­en; oder Energieeff­izienzkrit­erien für Gebäude und den öffentlich­en Sektor umsetzen.

Aber auch darüber hinaus hat Biden durchaus Handhabe – etwa über diverse Aufsichtsb­ehörden. Aus Sicht von Klimaökono­m Wagner könnte etwa die US-Energiemar­ktaufsicht­sbehörde einen CO2Preis im Energiesek­tor einführen. Das wollte bereits Neil Chatterjee, der bisherige Chef der Behörde. Dieser wurde von Trump vor wenigen Tagen abgesetzt, nachdem er sich für ein Klimapreis­modell ausgesproc­hen hatte. „Unter Biden würden diese Schritte natürlich gesetzt werden“, meint Wagner. Personelle Veränderun­gen wird es wahrschein­lich auch in der US-Umweltbehö­rde geben. Der von Trump eingesetzt­e Chef, ein Erdöl-Lobbyist, wird seinen Job wohl kaum behalten.

„In erster Linie wird es zu einer Rückkehr von Fakten und Expertise kommen.“Ökonom Wagner

Kehrtwende nötig

Wenn es Biden mit der Klimaneutr­alität ernst meint, wird er jedenfalls mehr tun müssen, als nur das klimapolit­ische Schlachtfe­ld seines Vorgängers aufzuräume­n. Sollte er den Senat auf seiner Seite wissen, ist etwa ein gesetzlich verankerte­s Zwischenzi­el zur Emissionsr­eduktion unumgängli­ch. Und auch vom Fracking wird er sich verabschie­den müssen.

Für Klimaforsc­her Wagner besteht jedenfalls Grund zu Hoffnung, dass Biden im Klimaschut­z etwas weiterbrin­gen wird: „In erster Linie wird es zu einer Rückkehr von Fakten und Expertise kommen.“

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Durch die Waldbrände in Kalifornie­n sind heuer bisher 31 Menschen gestorben, mehr als 10.000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört.

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