Pleitewelle rollt aus Westen an
Experten sagen für 2021 ein Hochschnellen der Firmenpleiten voraus – wegen des Tourismus ausgehend von Westösterreich
Wien – Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Die Firmenpleiten sind in Österreich im ersten Halbjahr mit 998 Fällen laut Statistik Austria um fast ein Viertel zurückgegangen – ein Wert, der eher an Hochkonjunktur erinnert denn an Wirtschaftskrise. Entsprechend pessimistisch blicken Experten auf nächstes Jahr, in dem sich der Insolvenzrückstau lösen sollte.
„Der Rückgang wurde durch die Maßnahmen der Regierung zur Minimierung der Covid-Schäden verursacht“, betont Wifo-Ökonom Thomas Url. Wenn Regelungen wie die Stundung von Steuern, Abgaben und Gebühren auslaufen – nach derzeitigem Stand am 15. Jänner 2021 –, zeichne sich eine Flut an Firmenpleiten ab.
Zudem verweist er auf eine Hochrechnung des Gläubigerschützers KSV 1870, wonach es in den ersten drei Quartalen zwar deutlich weniger Pleiten gegeben habe, sich dabei aber die Verbindlichkeiten auf 2,7 Milliarden Euro verdoppelt hätten und um zwölf Prozent mehr Dienstnehmer betroffen seien. „Das ist ein
Alarmsignal für nächste Jahr. Es ist mit einer beträchtlichen Anzahl an Insolvenzanträgen zu rechnen“, sagt Url und rechnet vor: In der Regel schlittern in Normaljahren ihm zufolge etwa zwei bis drei Prozent aller Unternehmen in eine Insolvenz, in Krisenjahren klettere die Rate auf sechs bis neun Prozent. Somit erwartet der Volkswirt für nächstes Jahr den Rückstau aus dem Krisenjahr 2020 zuzüglich der laufenden Insolvenzen aus einem „Halbkrisenjahr“, wie Url 2021 bezeichnet.
Mit einem deutlichen Anstieg der Firmenpleiten rechnet er im ersten
Halbjahr, sofern nicht die Regierung mit weiteren Maßnahmen eine Bereinigung nach hinten schiebt. Dies würde jedoch zum Entstehen von Zombiefirmen, also eigentlich nicht mehr überlebensfähigen Unternehmen, führen, wenn man den reinigenden Insolvenzprozess zu lange stoppe. Diese Firmen würden Ressourcen binden und das Grundvertrauen in der Wirtschaft erodieren lassen wie „immer mehr Sand, der ins Getriebe kommt“.
Auch Creditreform-Geschäftsführer Gerhard Weinhofer, der wiederholt vor dem Entstehen von
Zombiefirmen warnte, rechnet 2021 mit einem Hochschnellen der Firmenpleiten – wenngleich er dies erst ab dem Sommer erwartet. Ausgehend von den am stärksten kriselnden Branchen wie Tourismus, Gastgewerbe oder Teile des Handels werde sich die Entwicklung kaskadenartig ausbreiten, denn: Jede Branche sei zumindest indirekt von der Krise betroffen, betont Weinhofer. Einsetzen werde die Entwicklung wegen des Tourismus zunächst in Westösterreich, erwartet der Gläubigerschützer, der auch Großinsolvenzen nicht ausschließt. (aha)