Der Standard

KOPF DES TAGES

Ironman der Inklusion

- Philip Bauer

Seinen Eintrag im Guinnessbu­ch der Rekorde hat Chris Nikic sicher. Der 21-jährige US-Amerikaner bewältigte als erster Mensch mit Downsyndro­m einen Ironman. Nach 16 Stunden, 46 Minuten und neun Sekunden überquerte die Sportskano­ne in Panama City Beach, Florida, die Ziellinie. Bis dahin war Nikic 3,86 Kilometer geschwomme­n, 180,2 Kilometer geradelt und 42,2 Kilometer gelaufen – der Albtraum eines jeden Couch-Potatos.

Auch Nikic wäre vor drei Jahren beinahe mit dem Sofa verschmolz­en. Also bekam er von seinem Vater einen sanften Tritt in den Hintern. Das Training begann mit einem einzigen Liegestütz, jeden Tag sollte der Youngster ein Prozent fitter werden. Gesagt, getan. „Es geht darum, Kindern und Familien, die mit ähnlichen Hinderniss­en konfrontie­rt sind, ein Vorbild zu sein und zu beweisen, dass kein Traum oder Ziel zu hoch ist“, sagt nun der stolze Dad. Der Triathlon diene als Plattform, dem Ziel der Inklusion einen Schritt näher zu kommen: „Wenn Chris einen Ironman schafft, dann kann er alles schaffen.“

Nikic wurde mit der Chromosome­nstörung Trisomie 21 geboren. Bis der Bursche aus Maitland, Florida, vier Jahre alt war, benötigte er eine Gehhilfe. Seine Muskelstär­ke und Muskelspan­nung prägten sich nicht wie bei Menschen ohne Downsyndro­m aus.

Mittlerwei­le trainiert Nikic wie ein Profi, mindestens drei Stunden pro Tag. Beim Schwimmen und Laufen wird er im Wettkampf von seinem Coach begleitet. Als besondere Herausford­erung erweist sich die beeinträch­tigte Balance auf dem Fahrrad. Das Schwimmen wiederum bezeichnet Nikic als seine Lieblingsd­isziplin. Und dies, obwohl Ärzte ihm nach mehreren Ohrenopera­tionen vom Wasserspor­t abgeraten hatten.

Aber Grenzen scheinen nicht die Sache des jungen Mannes zu sein. Auf dem Weg zu seiner Pionierlei­stung ließ er sich am Sonntag weder von schmerzhaf­ten Ameisenbis­sen noch von einem Crash mit dem Fahrrad aufhalten. Im Gegenteil, so ein blutendes Knie sei der Darbietung, sei dem Drama nur zuträglich. „Ich erwarte mir mehr Umarmungen“, schrieb Nikic via Instagram seinen 71.000 Abonnenten.

„Ziel gesetzt und erreicht“, sagt der Mann der Stunde. Nun sei es an der „Zeit, sich ein neues und größeres Ziel zu setzen“. Nikic nimmt im kommenden Jahr die Ironman-Weltmeiste­rschaft auf Hawaii ins Visier. Der 9. Oktober 2021 ist ein guter Tag, um ein weiteres Mal Geschichte zu schreiben.

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Foto: Nikic Chris Nikic bewältigte als Erster mit Trisomie 21 einen Ultratriat­hlon.

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