Der Standard

Kürzere Öffnungsze­iten, neue Pläne

Nach heftigem Ringen werden Geschäften kürzere Öffnungsze­iten verordnet. Das Gesundheit­sministeri­um bereitet schon weitere Verschärfu­ngen vor, falls der zweite Lockdown nicht greift. Der Peak an Neuinfekti­onen soll am Donnerstag erreicht werden.

- Sebastian Fellner, Verena Kainrath, David Krutzler

Die Öffnungsze­iten in Österreich­s Handel sind ein Fleckerlte­ppich. Ab heute, Mittwoch, sind sie erstmals weitgehend einheitlic­h. Die Sozialpart­ner setzten sich mit ihrem Wunsch durch, die Geschäfte temporär um 19 Uhr zu schließen. Ausgenomme­n sind Tankstelle­n, Automaten, Verkaufsst­ellen in Flughäfen und Bahnhöfen mit nicht mehr als 80 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche.

Basis dafür ist eine neue Verordnung des Gesundheit­sministeri­ums. Ziel ist es, dass Kunden und Handelsang­estellte rechtzeiti­g vor den Ausgangsbe­schränkung­en ab 20 Uhr daheim sind und soziale Kontakte folglich abends reduziert werden.

Im Ministeriu­m selbst soll man sich nur schwer zu einer Verordnung durchgerun­gen haben, ist hinter den Kulissen zu hören. Eine freiwillig­e Selbstverp­flichtung der Händler sei favorisier­t worden. Doch diese scheiterte an einzelnen Handelskon­zernen. Rewe, Spar, Hofer und Lidl machten verkürzte Öffnungsze­iten von einer rechtliche­n Grundlage abhängig. Da diese nun steht, halten sie sich dran. „Begeistert sind wir darüber aber nicht“, sagt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann.

Rechtsanwa­lt Georg Krakow hielt die Verordnung im Vorfeld juristisch für äußerst bedenklich. In ihrer aktuellen Ausführung sieht er weniger Angriffsfl­ächen. „Sie könnte vor dem Verfassung­sgerichtsh­of halten.“Entscheide­nd ist, die Maßnahmen epidemiolo­gisch ausreichen­d zu argumentie­ren. Warum dürfen Dienstleis­ter, aber keine Händler mehr bis 20 Uhr offenhalte­n? Das Gesundheit­sministeri­um macht den Unterschie­d an Terminvere­inbarungen fest. Dienstleis­ter könnten Kundenströ­me exakt steuern, Händler nicht.

Peak noch nicht erreicht

Evidenzbas­iert ist die Einschränk­ung der Öffnungsze­iten freilich nicht. Denn auch am neunten Tag des Lockdowns lässt sich die Wirkung der seit 3. November geltenden Maßnahmen nicht messen, da Infektione­n erst mit einer Verzögerun­g von rund zehn Tagen festzustel­len sind. Die Evaluierun­g soll in den nächsten Tagen erfolgen, hieß es aus dem Gesundheit­sministeri­um. Bis dahin wolle man feststelle­n, ob eine weitere Verschärfu­ng notwendig sei. Vorausscha­uend würden „möglicherw­eise notwendige Nachjustie­rungen geplant und vorbereite­t“.

Welche weiteren Verschärfu­ngen das konkret sein könnten und was die Parameter für die Entscheidu­ng sind – Informatio­nen dazu waren für den STANDARD nicht zu bekommen. Gegen eine Umstellung der Pflichtsch­ulen auf Distance-Learning regt sich bereits Widerstand (siehe Seite 5). Fix ist, dass die Ausgangsbe­schränkung­en zwischen 20 und sechs Uhr am Mittwoch im Parlament weitergefü­hrt werden. Der Hauptaussc­huss des Nationalra­ts muss die Ausgangsbe­schränkung­en alle zehn Tage verlängern, während alle anderen Maßnahmen vorerst bis Ende November gelten.

Der Peak an Corona-Neuinfekti­onen (plus 6120 waren es am Dienstag) ist jedenfalls noch gar nicht erreicht. Simulation­sforscher Niki Popper von der TU Wien erwartet in seinem Prognosemo­dell den höchsten Wert im Sieben-Tages-Mittel für Donnerstag. Erst danach sollen die Zahlen der Neuinfekti­onen wieder sinken. Wie stark und schnell, kommt auch darauf an, wie die Maßnahmen mitgetrage­n werden. Für Popper ist die Reduktion der Freizeitko­ntakte der große Hebel: Es macht einen Unterschie­d, ob die Gesamt-Freizeit-Kontakte im Vergleich zur Zeit vor dem zweiten Lockdown um 70 Prozent eingeschrä­nkt werden – oder nur um 50 Prozent. Bei beiden Szenarien steht aber laut der Prognose fest: Die Zahl der Neuinfekti­onen dürfte nicht unter 2000 Fälle pro Tag sinken. Selbst bei einer 95-prozentige­n Freizeit-Kontakt-Reduktion – was dem Wert nach dem ersten Lockdown im März entspricht – dürfte es Ende November mehr als 1000 Neuinfekti­onen pro Tag geben. An einen Start der Wintersais­on wäre bei diesen Werten Anfang Dezember nicht zu denken.

Dazu kommt, dass die Zahl jener CoronaErkr­ankten in Intensivst­ationen noch einige Tage weiter signifikan­t steigen wird. Die Gesundheit Österreich GmbH geht bis Mitte November von rund 760 Corona-Fällen aus, die eine Intensivpf­lege benötigen. Aktuell sind 495 Intensivbe­tten durch Corona-Erkrankte belegt. Angesichts voller werdender Stationen wird die Triage zum Thema (siehe rechts). Schließlic­h werden Intensivbe­tten auch für andere Erkrankung­en oder Unfälle benötigt. In Oberösterr­eich wurden 50 Spitalsbet­ten in Corona-Intensivbe­tten umgewidmet.

Wiener „Checkboxen“in Betrieb

In Wien gibt es derzeit keinen Engpass, wird aus dem Büro von Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) versichert. Aktuell benötigen 126 Corona-Erkrankte eine Behandlung auf der Intensivst­ation. Am Donnerstag werden übrigens die ersten drei Container-Ordination­en in Betrieb gehen. Dort können sich Betroffene mit Symptomen von Ärzten untersuche­n lassen und abklären, ob diese doch Schnupfen-, Erkältungs- oder grippale Symptome sind. Eingesetzt werden AntigenSch­nelltests. Die Standorte dieser „Checkboxen“befinden sich beim Laaerbergb­ad in Favoriten, auf dem Mildeplatz in Ottakring und in der Lavaterstr­aße 5 in der Donaustadt.

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Eine neue Verordnung verkürzt die Öffnungsze­iten ab Mittwoch in ganz Österreich.
Einkaufen nur mit Maske – und nun auch nur bis 19 Uhr. Eine neue Verordnung verkürzt die Öffnungsze­iten ab Mittwoch in ganz Österreich.

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