Der Standard

TRIAGE – DIE HARTE ENTSCHEIDU­NG

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Wenn mehrere Personen ein Intensivbe­tt brauchen, es aber nur eines gibt: Wer wird versorgt? In so einem Fall müsste in Spitälern triagiert werden. Das französisc­he Wort „triage“kann mit „sortieren“oder „aussuchen“übersetzt werden. Die Maßnahmen, die in Österreich aufgrund der Pandemie gesetzt wurden, hat die Regierung vor allem formuliert, um eine solche Situation zu vermeiden. Im Frühjahr hat das funktionie­rt.

Mittlerwei­le spitzt sich die Lage aber zu, sagt Barbara Frieseneck­er, stellvertr­etende Leiterin der Allgemeine­n Chirurgisc­hen Intensivst­ation an der Uni-Klinik in Innsbruck und Vorsitzend­e der Arge Ethik der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Anästhesie, Reanimatio­n und Intensivme­dizin (Ögari). Sie hat sich hier mit Kollegen bereits im März überlegt, nach welchen Kriterien triagiert werden sollte.

Das Alter ist in dieser Checkliste ein Faktor – aber nicht der einzige. Vielmehr sollen auch Begleiterk­rankungen, der Willen des Patienten und Beurteilun­gen, wie aktiv jemand im täglichen Leben ist, ob er gebrechlic­h ist und Organe bereits erkrankt sind, in eine Bewertung einfließen. Es ist aber auch wichtig, klinisch zu beurteilen, welche Chancen ein Patient hätte, nach einem komplizier­ten Intensivau­fenthalt mit künstliche­r Beatmung wieder ohne medizinisc­he Betreuung selbstbest­immt zu leben.

Personalma­ngel spürbar

Was es für den Einsatz der Checkliste braucht, ist Zeit und Personal – beides sei bereits jetzt Mangelware. „Wir dachten, dass wir – bevor uns die Betten ausgehen – beim Personal einen Engpass erleben. Aktuell ist beides kritisch.“Am wichtigste­n sei die Checkliste für Ärzte in den Ambulanzen und auf Intensivst­ationen – um ihnen Sicherheit zu geben, aber auch um sie vor möglichen juristisch­en Folgen abzusicher­n.

Triagiert werde natürlich auch jetzt. „Jeder Notarzt kennt diesen Begriff sehr gut.“Bei einem großen Autounfall teile man die Verletzten zum Beispiel nach Farben ein. „Aber wir kennen Triage für so eine Viruserkra­nkung und vor allem in diesem Ausmaß nicht.“

Der Grippe-Vergleich komme oft. „Da hatten wir Patienten an Herz-Lungen-Maschinen. Aber nie und nimmer sind wir in die Nähe der Situation gekommen, wie wir sie jetzt haben.“

Die Intensivme­dizinerin hofft, dass die jüngsten Maßnahmen bald wirken. „Wir hätten das Papier gerne wieder nur für die Schublade.“(lhag)

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