Das Kreuz mit Corpus Christi
Das 2017 eröffnete Eisenpelletswerk in Corpus Christi in Texas beschert der Voestalpine herbe Verluste. Bahn- und Autobranche ziehen an, dafür schwächelt die Nachfrage aus Luftfahrt, Öl- und Gasproduktion.
Es ist ein bitterer Cocktail, der dem Stahl- und Verarbeitungskonzern Voestalpine in der Corona-Pandemie verabreicht wird. Dramatisch reduzierte Auslieferungen an Öl-, Gas- und Flugbranche, Stahlpreisverfall, hohe Eisenerzpreise – und 198 Millionen Euro an außertourlichen Abschreibungen, von denen 168 Millionen Euro auf das Eisenpelletswerk in Corpus Christi entfallen und der Rest auf Tubulars, das Röhrenwerk im steirischen Kindberg.
„Ohne Texas wären wir im zweiten Quartal (per 30. September) bereits deutlich positiv“, sagte Voestalpine-Finanzvorstand Robert Ottel bei Vorlage der Halbjahreszahlen. Die Ertragserwartungen am Golf von Mexiko erfüllten sich wieder einmal nicht, zu groß sei die Disparität zwischen dem aufgrund der Nachfrage in China wieder gestiegenen Erz- und dem niedrigen Schrottpreis. Das um deutlich mehr als eine Milliarde Euro errichtete und 2017 in Betrieb genommene Werk in Texas wurde mehrfach abgewertet, es steht inzwischen nur mehr mit 448 Millionen Euro in den Büchern.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Der Umsatz brach um ein Fünftel auf 5,1 Milliarden Euro ein, das Ergebnis von 24,8 Millionen Euro im Vorjahresquartal auf minus 206,1 Millionen Euro. Im operativen Geschäft waren die Einbußen nicht so groß wie von Analysten erwartet, der operative Gewinn (Ebitda) gab von 295 auf 237,2 Millionen nach.
In dieser Situation ist die breite Aufstellung des Konzerns wieder einmal ein Vorteil: Die Bahnsysteme laufen dank öffentlicher Investitionen ebenso wie geschmiert wie die Lagertechnik (ehemals Profilform), die vom Onlinehandel am Laufen gehalten wird.
Dass die Tendenz Richtung Besserung gehe, sei auch daran ablesbar, dass der Bereich Metal Forming im zweiten Quartal nur mehr 500 Millionen Euro hinter den Vorjahreswerten liege. Im ersten Lockdown, also von April bis Juni, war der Umsatz allein mit der Automobilindustrie um 38 Prozent eingebrochen, rechnete Ottel vor.
Geholfen haben auch der Schuldenabbau (um eine Milliarde) und die Drosselung von Investitionen (245 statt 337 Mio. Euro), allerdings hätten die drei Sonderabschreibungen das Eigenkapital dezimiert. Mit zwei Milliarden Euro seien die Liquiditätsreserven ausreichend. Auf Dauer könne man allerdings nicht weniger investieren, als die Abschreibungen ausmachen. Diesbezüglich sei die Corona-Investitionsprämie eine Hilfe, die man auch nützen werde, sagte Konzernchef Herbert Eibensteiner.
Auf der zweiten Baustelle, dem Automotive-Werk in Catersville, sei zwar „das große Bluten vorbei“, operativ sei man aber noch nicht dort, wo man hinmüsse, auch weil der US-Automarkt ausgelassen habe.
Ein Jahresüberschuss wird sich bei einer Ebitda-Bandbreite von 800 Millionen bis einer Milliarde Euro eher nicht ausgehen, räumten Ottel und Eibensteiner ein. Die Nachfrage vor allem aus China sei wieder da, aber Corona-bedingt gebe es zu viele Risiken. Südamerika, wo die Voestalpine mit Villares Metals im Edelstahlbereich stark ist, sei ein sehr spezieller Markt und damit ein eigenes Kapitel.
Kündigungen seien – abgesehen von den 300 im Edelstahlwerk in Kapfenberg und 250 in Kindberg – derzeit nicht geplant. Der Sozialplan sei im Wesentlichen fixiert. 2500 Mitarbeiter seien in Österreich in Kurzarbeit, in Deutschland rund 1200 und weitere 1800 in Ländern mit ähnlichen Lohnsubventionsmodellen. Zum Vergleich: Zu Beginn der Covid-Pandemie waren mehr als 10.000 Voestler in Kurzarbeit.
An der Börse verloren Voestaktien zeitweise vier Prozent. (ung)