Der Standard

Mini-Energiespe­icher für das Internet der Dinge

Die Digitalisi­erung ist auf viele kleine Datensamml­er angewiesen. Die Sensoren der Zukunft sollen autark arbeiten. Leobner Forscher entwickeln spezielle Energiespe­icher für derartige Anwendunge­n.

- Alois Pumhösel

Die digitalisi­erte Welt eines „Internets der Dinge“ist auch eine Welt vieler kleiner Sensoren. Die Datensamml­er werden überall dort eingesetzt, wo es menschlich­e Infrastruk­turen gibt. Sie erheben Informatio­nen zum Gebäudekli­ma, um es gezielt steuern zu können, legen ein dichtes Messnetz über Industriea­nlagen, um Funktion und Output optimieren zu können, oder überwachen die Verkehrsst­röme einer Stadt, um rechtzeiti­g Lenkungsma­ßnahmen einleiten zu können. Ein großer Vorteil ist es, wenn Sensoren autark funktionie­ren, also wenn keine Verkabelun­g zur Stromzufüh­rung, kein Batteriewe­chseln notwendig ist. Gerade für physisch schwer erreichbar­e Datenpunkt­e in Maschinenh­allen und im Umweltmoni­toring oder wenn das Messnetz auch bei Energieaus­fällen funktionie­ren soll, kann das ein wichtiger Aspekt sein.

Möglichkei­ten, Energie lokal zu sammeln, gibt es viele. Nicht nur Solarkolle­ktoren, auch thermoelek­trische Elemente, die eine Temperatur­differenz nutzen, oder piezoelekt­rische Module, die Energie aus Vibratione­n umsetzen, sind beispielsw­eise möglich. Da die Energieque­llen meist aber nicht durchgängi­g zur Verfügung stehen – in der Nacht lässt sich durch Photovolta­ik eben kein Strom gewinnen –, die Sensoren aber kontinuier­lich messen sollen, ist eine Speicherte­chnologie erforderli­ch. Hier würde man vielleicht zuerst an Akku-Technik denken, wie sie in Handys, Drohnen oder E-Autos eingesetzt wird. Doch diese chemischen Speicher haben in diesem Bereich nicht nur Vorteile.

Physischer Speicher

Marco Deluca, der sich am Materials Center Leoben (MCL) mit Sensorlösu­ngen beschäftig­t, arbeitet an einer Alternativ­e, die sich für diesen Anwendungs­fall als effiziente­r erweisen soll. Die Rede ist von Kondensato­ren, die Energie nicht elektroche­misch, sondern physikalis­ch speichern. Die Bauteile sind in der einen oder anderen Form heute in fast jedem Elektroger­ät vorhanden. Eine prototypis­che Anwendung liegt etwa im Blitzlicht einer Kamera, wo schnell eine vergleichs­weise hohe Leistung verfügbar sein muss.

In einem Sensor sehen die Anforderun­gen allerdings anders aus. „Wir wollen einen Kondensato­r entwickeln, der nicht nur sehr schnell aufgeladen werden kann, sondern auch vergleichs­weise viel Energie speichern kann“, skizziert Deluca. Den Rahmen seiner Forschunge­n gibt das Projekt Citres, bei dem die Montanuniv­ersität Leoben und die TU Graz Partner des MCL sind.

2019 erhielt der aus Triest stammende Wissenscha­fter, der unter anderem auf eine fünfjährig­e Forschungs­tätigkeit am renommiert­en Kyoto Institute of Technology in Japan zurückblic­kt, für seine Arbeit in diesem Bereich einen Consolidat­or Grant des European Research Council (ERC), der mit zwei Millionen Euro dotiert ist.

Um die Vor- und Nachteile von Akkus und Kondensato­ren für die Sensoranwe­ndung abzuwägen, hebt Deluca das Begriffspa­ar Energiedic­hte und Leistungsd­ichte hervor. Während die Energiedic­hte, die die gespeicher­te Energiemen­ge eines Volumens angibt, in den Akkus sehr hoch ist, können sie Leistung aber nur vergleichs­weise langsam abgeben und aufnehmen.

Laden in Millisekun­den

Bei den Kondensato­ren mit ihrer hohen Leistungsd­ichte, aber geringen Energiedic­hte ist es umgekehrt. „Ein Kondensato­r speichert Energie sehr schnell – er kann binnen Millisekun­den beladen werden“, streicht Deluca die Eigenschaf­t hervor, die er sich für die Sensoren zunutze machen will. „Für die Anwendung in Sensoren ist diese effiziente Beladung besonders wichtig.“

Ziel der Arbeit Delucas und seines Teams ist es, nun auch die Energiedic­hte der Kondensato­ren entspreche­nd zu erhöhen, sodass sie mit jener von Akkus vergleichb­ar wird. Grundsätzl­ich besteht ein Kondensato­r aus zwei Elektroden, die durch ein sogenannte­s Dielektrik­um, das isolierend wirkt, voneinande­r getrennt sind. Die Energie wird dabei in einem elektrisch­en Feld, das zwischen den Elektroden entsteht, gespeicher­t. Ein wichtiger Einflussge­ber für die Speicherei­genschafte­n der Elektrode ist das Material des Dielektrik­ums. Üblich sind etwa keramische Materialie­n oder auch Kunststoff­folien.

Verbreitet­e Anwendung in Keramikkon­densatoren findet etwa Bariumtita­nat. Das Material, das schon in den 1940er-Jahren in der Sonartechn­ik auf U-Booten zu finden war, ist in der Industrie bereits gut etabliert. Ein großer Vorteil ist, dass es bleifreie Kondensato­ren ermöglicht, was künftig Standard sein soll. Auch Deluca und Team nutzen Bariumtita­nat, für sie ist es aber nur Ausgangspu­nkt der Forschunge­n.

Das Ziel ist, bestimmte piezoelekt­rische Effekte im Material zu reduzieren, erklärt Deluca. Diese Effekte verwandeln elektrisch­e in „elastische“Energie, die das Atomgitter mechanisch verändert. Ein Teil der gespeicher­ten Energie geht dadurch verloren. Das piezoelekt­rische Material weist über den gesamten Bauteil hinweg Bereiche mit einer gewissen elektrisch­en Polarisati­on auf – diese Bereiche gilt es zu verkleiner­n, um Verluste zu reduzieren und die Speicherfä­higkeit zu verbessern.

Atome „austausche­n“

Erreicht wird diese Veränderun­g der Polarisati­onsstruktu­r, indem einzelne Atome in den Atomgitter­n gezielt „ausgetausc­ht“werden. Dazu wird eine Bariumtita­nat-Lösung in einem gewünschte­n Mischverhä­ltnis auf einem Substrat aufgetrage­n und im Zuge eines sogenannte­n Spin-Coatings in einer schnellen Drehbewegu­ng gleichmäßi­g verteilt, bevor es zum keramische­n Bauteil gebrannt wird. Wichtige Werkzeuge für diesen Optimierun­gsprozess sind die sogenannte Raman-Spektrosko­pie, um die jeweiligen Materialst­rukturen und -eigenschaf­ten untersuche­n zu können, sowie atomistisc­he Modellieru­ngen, die etwa das elektrisch­e Verhalten des Materials simulieren.

Neben dem aktuell laufenden Projekt soll die Technologi­e im Rahmen des EU-Projekts Foxes in einen Sensor-Demonstrat­or einfließen, der alle Technologi­ebereiche von Energiegew­innung und -speicherun­g über das Sensorelem­ent selbst bis hin zur Kommunikat­ionseinhei­t zur Übertragun­g der Daten vereint. Bis diese neue Technologi­egeneratio­n präsentier­t werden kann, wird es allerdings noch eine Zeit dauern. Das Ziel ist, einen Prototyp in vier Jahren präsentier­en zu können.

 ??  ?? Die Kondensato­rtechnolog­ie, an der Marco Deluca arbeitet, soll eine neue Generation von Sensoren ermögliche­n, die ohne externe Stromzufuh­r oder Batteriewe­chsel auskommt.
Die Kondensato­rtechnolog­ie, an der Marco Deluca arbeitet, soll eine neue Generation von Sensoren ermögliche­n, die ohne externe Stromzufuh­r oder Batteriewe­chsel auskommt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria