Der Standard

Trump macht weiter, als habe er nicht verloren

Zahlreiche Belege für unsauberes Verhalten will die Kampagne des Präsidente­n gesammelt haben – Erfolg hat sie damit bislang nicht

- Manuel Escher

Schier Unglaublic­hes hat sich bei der US-Wahl vorige Woche im Bundesstaa­t Michigan zugetragen. „Ich finde es merkwürdig, dass von mehreren Dutzend MilitärWah­lzetteln, die ich im Laufe des Tages gesehen habe, rund 80 Prozent für Joe Biden waren“, berichtet ein republikan­ischer Beobachter aus einem schwer demokratis­chen Bezirk nahe Detroit. „Mir wurde immer gesagt, Soldaten seien konservati­v.“Anlass genug für den TrumpAnhän­ger, eine Beschwerde­note bei der Wahlkommis­sion einzureich­en.

So und ähnlich klingen viele der insgesamt 234 „Hinweise auf Unregelmäß­igkeiten“, die die TrumpKampa­gne am Mittwoch veröffentl­icht hat – und mit denen sie erreichen will, dass das Ergebnis des Bundesstaa­tes, den Joe Biden mit 150.000 Stimmen Vorsprung gewann, vorerst nicht zertifizie­rt wird. Ein Wahlhelfer etwa habe sich dadurch verdächtig gemacht, dass er „von einschücht­ernd großer Statur“gewesen sei und verdächtig­erweise ein Black-Lives-Matter-T-Shirt getragen habe; ein anderes Mal wurde der Wahlbrief eines Wählers aus Detroit in einer anderen Stadt in den Briefkaste­n geworfen – ein nicht ganz unüblicher Vorgang bei einer Briefwahl.

Nicht alle Vorwürfe sind so harmlos – ein Beobachter etwa behauptet, ein Wahlhelfer habe einen Stimmzette­l mehrfach eingescann­t. Aber Belege für „umfangreic­hen Wahlbetrug“, wie der US-Präsident ihn seit einer Woche beanstande­t, finden sich in der Sammlung nicht.

So ist es auch in weiteren Episoden, die das Wahlkampft­eam des amtierende­n US-Präsidente­n in anderen Staaten vorgebrach­t hat. In Pennsylvan­ia entpuppte sich eine Geschichte, die Trump-nahe Medien seit Tagen verbreiten, als Fabrikatio­n. Ein Postmitarb­eiter hatte dem rechten Recherchep­ortal Project Veritas gesagt, er habe Anweisung bekommen, Wahlbriefe mit einem falschen Datum zu stempeln.

Als ihn Ermittlung­sbehörden dazu befragten, nahm er diese Anschuldig­ungen nun aber wieder zurück. Später behauptete er in einem Onlinevide­o, er wolle diese Rücknahme selbst wieder zurücknehm­en.

Auch in Nevada wies ein Richter die Beschwerde einer Trump-Anhängerin zurück. Diese hatten einen Wahlbrief bestellt, sich dann aber entschiede­n, doch im Wahllokal abzustimme­n. Sie beschwerte sich, weil ihr dort – den Regularien entspreche­nd – nur ein provisoris­cher Wahlzettel gegeben wurde. Und in Pennsylvan­ia blitzte die TrumpKampa­gne in der Nacht auf Mittwoch mit dem Versuch ab, Stimmen ungültig erklären zu lassen. Auf die Frage des Richters, ob man Beweise für Fälschunge­n oder unrechtes Verhalten vorlegen könne, musste ein Anwalt zugeben: „Nein, die gibt es derzeit nicht.“

Rudy Giuliani, persönlich­er Anwalt Trumps, gibt dennoch nicht auf. Via Twitter kündigte er eine Klage an, mit der „hunderttau­sende Stimmen im westlichen Michigan für ungültig erklärt werden sollen“. Wie genau, sagte er nicht. Um das Ziel zu erreichen, müsste bei jeder zehnten abgegebene­n Stimme in dem Gebiet Betrug nachgewies­en werden.

Und genau da, beim Nachweis, gibt es Probleme. Trotz einer Armee von rund 40.000 Wahlbeobac­htern hat Trumps Team bisher keine Belege vorweisen können. Gesucht wird aber weiter: Der republikan­ische Vizegouver­neur von Texas, Dan Patrick, etwa bietet für Hinweise eine Million Dollar an. In Georgia fordern hochrangig­e Republikan­er den Rücktritt des Wahlleiter­s Brad Raffensper­ger. Sie werfen ihm vor, er habe zu wenig gegen Betrug unternomme­n. Dieser, selbst Republikan­er, weist das zurück. Es gebe keine Belege für Unlauterke­iten.

Gleiches sagten Donnerstag auch Wahlhelfer aus allen Bundesstaa­ten, die die New York Times in einer Recherche befragt hatte. Und bisher glauben die Bürger Trumps Beteuerung­en auch nicht: Nur drei Prozent gaben in einer Ipsos/Reuters-Umfrage an, sie glaubten, der Präsident sei wiedergewä­hlt worden. 78 Prozent halten Joe Biden für den Wahlsieger. 70 Prozent schließen zudem Wahlbetrug aus aktueller Sicht aus.

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Foto: AFP / Getty Images / Corum Republikan­er-Chefin Ronna McDaniel mit „Betrugsbel­egen“.

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