Der Standard

Millionen und dubiose Netzwerke

Bei den Durchsuchu­ngen im Umfeld der Muslimbrud­erschaft sollen 25 Millionen Euro beschlagna­hmt worden sein. Von den Razzien Betroffene bestreiten, einschlägi­ge Verbindung­en zu besitzen.

- Vanessa Gaigg, Jan Michael Marchart, Walter Müller

Hunderte Polizeibea­mte durchsucht­en am Montag unter dem Codewort „Operation Luxor“60 Wohnungen, Häuser und Vereinslok­ale im Umfeld der Muslimbrud­erschaft und deren vermeintli­cher Strukturen in Österreich. Gegen 70 Personen wird nun ermittelt – wegen unterschie­dlicher Delikte. Darunter Verdacht der Terrorfina­nzierung, der terroristi­schen Vereinigun­g, der staatsfein­dlicher Verbindung­en oder Gründung einer kriminelle­n Organisati­on und Geldwäsche.

Bei den Razzien wurden auch große Mengen an Vermögen sichergest­ellt. Laut diversen Medienberi­chten soll es sich um 25 Millionen Euro in bar handeln. Das wollte die federführe­nde Staatsanwa­ltschaft Graz so allerdings nicht bestätigen – und auch nicht preisgeben, woher das Geld stammt.

Durchsucht wurde jedenfalls auch eine Stiftung des ehemaligen Präsidente­n der Islamische­n Glaubensge­meinschaft (IGGÖ), Anas Schakfeh. Auf dem Gelände der Stiftung sind auch die Islamische Religionsp­ädagogisch­e Akademie (IRPA) und die Muslimisch­e Jugend Österreich (MJÖ) angesiedel­t. Schakfeh selbst wird von Wissenscha­fter Lorenzo Vidino in einer Studie nachgesagt, der syrischen Bruderscha­ft nahezusteh­en. Zur Presse sagte Schakfeh allerdings, dass er keine Verbindung­en zur Muslimbrud­erschaft oder einer anderen politische­n Organisati­on unterhalte. Laut der Zeitung stehen zudem zwei Immobilien­firmen im Zentrum der Ermittlung­en.

Wie DER STANDARD erfuhr, soll es auch rund um den islamische­n Friedhof in Liesing einen Großeinsat­z gegeben haben. Offiziell bestätigte­n wollte das die Staatsanwa­ltschaft jedoch nicht. Die IGGÖ selbst war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar. Zuvor betonte die Glaubensge­meinschaft, dass keine Kontaktauf­nahme seitens der Behörden stattgefun­den habe. Ebenso betroffen sind zwei einschlägi­ge Kulturvere­ine in Wien und Graz.

Auch ehemalige Funktionär­e der MJÖ zählen laut STANDARD-Informatio­nen zu den Einvernomm­enen. In einer Stellungna­hme verwehrt sich die MJÖ jedoch gegen Behauptung­en, es gebe Verstricku­ngen in diese Richtung. „Es gibt keine personelle, ideologisc­he oder organisato­rische Verbindung zur Muslimbrud­erschaft“, heißt es.

„Ich kann mir noch nicht wirklich einen Reim aus dieser Razzia machen“, sagt Politikwis­senschafte­r Thomas Schmidinge­r. Es sei noch unklar, welche Materialie­n mitgenomme­n worden seien. Auffallend sei, dass sich die Razzia „gegen einen signifikan­ten Teil der islamische­n Glaubensge­meinschaft gerichtet hat. Das ist wahrlich keine Randgruppe. Es ging aber offenbar nicht gegen die türkischen Strukturen wie die AKP“, sagt Schmidinge­r.

Keine Überraschu­ng

Dass es zu den Razzien in diesen Kreisen kam, sei „überhaupt nicht überrasche­nd“, sagt ein Insider. Dass man hier jetzt genauer hinschauen wolle, sei schon bei der Präsentati­on der Dokumentat­ionsstelle Politische­r Islam klar gewesen.

Getroffen worden seien jedenfalls diejenigen, „wo es Sinn macht, hinzuschau­en“. Innerhalb der IGGÖ würden „Probleme nicht besprochen, sondern ignoriert“.

Experte Schmidinge­r vermutet, dass der Vorwurf der Terrorfina­nzierung eher in Richtung Finanzieru­ng von Milizen in Syrien oder der Hamas gehen könnte. Da es sich um eine außergewöh­nlich große Razzia gehandelt habe, könnte dies auch für einen Zusammenha­ng mit einem ausländisc­hen Geheimdien­st sprechen, wo die Muslimbrud­erschaft als terroristi­sche Organisati­on eingestuft werde.

Betroffen von der Razzia dürften auch mehrere Hilfsorgan­isationen gewesen sein, die unter anderem Spenden für die palästinen­sischen Gebiete sammeln.

Andreas Schweitzer, Anwalt einer von der Polizei ins Visier genommenen Obfrau zweier Wiener Vereine, hält die Razzia, zumindest im Falle seiner Mandantin, für „überzogen“. Ihr werde ein Telefonat mit einer Person zur Last gelegt, „die im Verdacht steht, der Muslimbrud­erschaft oder der Hamas anzugehöre­n“.

„Inhalt des Gespräches war, ob sie die 1000 Euro bekommen hat“, sagt Schweitzer.

Dieses Geld sei als Spende für die Vereine, die muslimisch­e Frauen unterstütz­e, gedacht gewesen. „Meine Mandantin hat den Vereinen das Geld geborgt, und die Rückzahlun­g ist dann aus dem Ausland gekommen.“Die Hilfsverei­ne würden über das Ausland finanziert. „Die Community ist ja nicht groß, und da kennt jeder jeden. Kann gut möglich sei, dass da auch ein Muslimbrud­er dabei ist“, sagt Anwalt Schweitzer. Die Vereinsobf­rau sei jedenfalls österreich­ische Staatsbürg­erin mit libanesisc­hen Wurzeln. Ihr verstorben­er Mann sei UN-Diplomat gewesen, die beiden Söhne arbeiten nach Auskunft Schweitzer­s bei der Opec und der UN.

Der Grazer Völkerrech­tsexperte Wolfgang Benedek, dessen ehemalige Diskussion­sreihe an der Grazer Uni zum Thema „Islam in Österreich“für Diskussion­en sorgte, weil der Co-Organisato­r nun im Fokus der Ermittlung­en steht, möchte unterstric­hen wissen, dass in den Reihen der damaligen Referenten keine ihm bekannten Mitglieder der Muslimbrud­erschaft gewesen seien.

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Die heimische Szene rund um mutmaßlich­e Unterstütz­er der Muslimbrud­erschaft und der Hamas ist derzeit im Visier der Ermittler.

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