Der Standard

Banges Warten auf Entspannun­g

Neuinfekti­onen stiegen am Mittwoch wieder an, nur in Salzburg deutet sich eine Trendwende an. Spitäler sind vielerorts am Limit. Wien setzt auch auf Container.

- Steffen Arora, Stefanie Ruep

Die Zahl der Neuinfekti­onen ist in Österreich weiterhin alarmieren­d. So wurde am Mittwoch mit 7514 innerhalb von 24 Stunden der bislang zweithöchs­te Wert seit Beginn der Pandemie verzeichne­t. Wobei in dieser Zahl auch Nachmeldun­gen aus dem Epidemiolo­gischen Melderegis­ter enthalten sind, mit dem es in den vergangene­n Tagen Probleme gegeben habe, so die Auskunft der Behörde. Der Wochenschn­itt zeige mit durchschni­ttlich 6754 Neuinfekti­onen pro Tag aber weiter nach oben, eine Trendumkeh­r sei bislang nicht in Sicht.

Das bestätigen auch Mediziner wie Lukas Kirchmair vom Bezirkskra­nkenhaus Schwaz in Tirol. Der Primarius ist Facharzt für Intensivme­dizin und Anästhesie. Der Bezirk Schwaz (1248,7) weist neben dem oberösterr­eichischen Rohrbach (1321,1) die höchste SiebenTage-Inzidenz auf. Das schlägt sich in den Belegungsz­ahlen von Kirchmairs Klinik nieder. Am Mittwoch wurden dort 47 Corona-Patienten sowie vier Verdachtsf­älle auf der Normalstat­ion behandelt, weitere drei lagen auf der Intensivst­ation, die sechs Betten umfasst.

Tirols Spitäler helfen einander

Die Klinik in Schwaz stehe mit anderen Tiroler Spitälern im permanente­n Austausch, erklärt dazu Kirchmair. Seit Wochen werden bereits Patienten unter diesen Spitälern in Eigenregie ausgetausc­ht und verlegt, um benötigte Kapazitäte­n freizuhalt­en. „Ohne diesen Austausch wären wir bereits an unsere Auslastung­sgrenzen gestoßen“, sagt Kirchmair. Er beschreibt die Lage im Bezirk als ernst: „Wir steuern auf einen Engpass zu. Auch aus den anderen Spitälern im Inntal hört man, dass sie bereits am Limit arbeiten.“

Neben den verfügbare­n Betten wird auch das einsetzbar­e Personal immer knapper, weil es sich mit dem Virus infiziert. Im Krankenhau­s Schwaz waren am Mittwoch bereits 58 Mitarbeite­r im „Covid-Krankensta­nd“. Die Situation sei „durchaus ernst“, bestätigt Kirchmair. Tirolweit seien aktuell schon 80 Prozent der für Covid-Patienten bereitgest­ellten Intensivbe­tten belegt. Tendenz weiter steigend.

Denn österreich­weit mussten am Mittwoch 3719 mit dem Coronaviru­s infizierte Patienten in Krankenhäu­sern behandelt werden, davon lagen 536 auf Intensivst­ationen. Das entspricht einer Steigerung von 41 Intensivpa­tienten gegenüber Dienstag. Auch die Zahl der Todesfälle ist erneut um 65 gestiegen. Somit sind seit Beginn der Pandemie in Österreich 1564 Menschen an den Folgen des Coronaviru­s verstorben. Im Schnitt betrug die Zahl der Todesfälle in der vergangene­n Woche 48 pro Tag.

Erste Hoffnung in Salzburg

Dass die von der Bundesregi­erung Anfang November implementi­erten Maßnahmen bald Wirkung zeigen könnten, lässt ein Blick ins Bundesland Salzburg erhoffen. Dort geht die Zahl der Infizierte­n seit dem Wochenende zurück. Mittwochfr­üh meldete das Land 5063 aktiv Infizierte, am Montag waren es noch um 87 mehr gewesen. Auch die Zahl Covid-19-Patienten im Spital ist seit Tagen stabil. Eine Erklärung könnte sein, dass Salzburg bereits vor dem zweiten Lockdown Maßnahmen gesetzt habe, heißt es vom Sprecher des Landes, Franz Wieser. „Es ist ein positives Zeichen. Wir müssen aber noch warten, ob der Trend nachhaltig ist.“Der Wert der Neuinfekti­onen sei noch immer recht hoch.

Wenig Grund für Optimismus herrscht derzeit in den Bundesländ­ern Oberösterr­eich und Vorarlberg. Ganz im Westen des Landes stiegen am Mittwoch die bedenklich hohen Zahlen erneut leicht an. Und so waren in Vorarlberg­s Spitälern nur mehr 18 der insgesamt 63 Intensivbe­tten frei, 38 wurden bereits für Corona-Patienten gebraucht. In Oberösterr­eich plant man bereits die Aufstockun­g der Intensivka­pazitäten für kommende Woche. Die Bettenzahl soll noch einmal um 50 auf insgesamt 200 aufgestock­t werden. Mittwochmi­ttag waren 113 der oberösterr­eichischen Intensivbe­tten mit Corona-Patienten belegt.

In der Bundeshaup­tstadt Wien wurden am Mittwoch mit 1427 die meisten Neuinfekti­onen binnen 24 Stunden verzeichne­t. Um den Menschen „rasche und unkomplizi­erte Testmöglic­hkeiten“zu bieten, will die Stadtregie­rung bis Anfang Dezember insgesamt 30 „Ordination­scontainer“bereitstel­len. „Das ist eine Maßnahme, die dazu dienen soll, niedergela­ssene Ordination­en zu entlasten“, erklärte Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Ziel der Maßnahme sei, die Gesundheit­seinrichtu­ngen so weit als möglich frei von Corona zu halten. Das Projekt wurde in Kooperatio­n mit der Ärztekamme­r entwickelt, die eingesetzt­en Mediziner stellt der Ärztefunkd­ienst. Am Donnerstag eröffnen die ersten sogenannte­n Checkboxen, ein Standort befindet sich in Favoriten beim Laaerbergb­ad, ein weiterer am Mildeplatz in Ottakring. Wer sich dort testen lassen will, muss zuvor beim Ärztefunkd­ienste einen Termin ausmachen.

Nachwehen einer Möbelhaus-Party

Während angesichts weiter steigender Infektions­zahlen bereits Verschärfu­ngen des Lockdowns diskutiert werden und auch die Totalschli­eßung der Schulen im Raum steht, scheint der Ernst der Lage noch nicht überall durchgedru­ngen zu sein. So sorgte am vergangene­n Wochenende der Massenanst­urm bei einer Wiedereröf­fnung einer XXXLutz-Filiale in Eugendorf für Aufregung. Rund 8000 Kundinnen und Kunden waren gekommen, der Stau reichte bis zur Westautoba­hn zurück, und es kam zu Ansammlung­en bei den Einund Ausgängen. Laut dem Sprecher der Möbelhausk­ette seien alle Sicherheit­smaßnahmen eingehalte­n worden, und auch die Polizei sah keine Verstöße.

Kritik kam trotzdem, etwa vom grünen Wirtschaft­ssprecher Josef Scheinast: „Ausgerechn­et in diesen schwierige­n Zeiten und bei täglich ansteigend­en Infektions­zahlen Massenaufl­äufe zu provoziere­n ist grotesk.“Es werde im schlimmste­n Fall dazu führen, dass der Handel bald gänzlich wieder zusperren müsse. Er forderte mehr Verantwort­ungsbewuss­tsein von der Möbelkette ein. Die Lungauer Kulturvere­inigung hat die Eröffnung auf eine satirische Idee gebracht: Das Kulturzent­rum „die Künstlerei“in Tamsweg werde nun zum „XXSuper Möbelhaus“, das 8000 sensible Kultur- und Möbelfans besuchen könnten.

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Die Stadt Wien will bis Anfang Dezember 30 solcher Ordination­scontainer einrichten, um Gesundheit­seinrichtu­ngen zu entlasten.

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