Vier Abgeordnete wurden in Hongkong aus dem Parlament ausgeschlossen, 19 weitere kündigten ihren Rücktritt an.
Peking macht in der Sonderverwaltungszone Hongkong Ernst: Vier Abgeordnete wurden aus dem Parlament ausgeschlossen, 19 folgen aus Solidarität freiwillig nach. Sie orten ein Ende von „Ein Land, zwei Systeme“.
Die vier Oppositionspolitiker waren Peking schon länger ein Dorn im Auge: Alvin Yeung, Kwok Ka-ki, Dennis Kwok und Kenneth Leung mussten am Mittwoch das Hongkonger Parlament verlassen, nachdem nur Stunden zuvor ein neues Gesetz in Kraft getreten war. Dieses besagt, dass Hongkongs Regierung nun Abgeordnete aus dem Parlament werfen kann, ohne dafür einen Gerichtsbeschluss einholen zu müssen.
Die neue Bestimmung kommt vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking. Gründe für einen Ausschluss sind demnach zum Beispiel, sich für die Unabhängigkeit Hongkongs einzusetzen, die nationale Sicherheit zu gefährden oder ausländische Kräfte dabei zu unterstützen, sich in innere Angelegenheiten einzumischen. Die vier Betroffenen hätten die nationale Sicherheit gefährdet, gab die Stadtregierung bekannt, ohne aber Details zu nennen.
Aus Solidarität mit den vier ausgeschlossenen Politikern kündigten 19 weitere Oppositionsabgeordnete ihren Rücktritt an. Das ist die vollständige prodemokratische Fraktion in Hongkongs Parlament, das insgesamt 70 Sitze hat.
Der Sprecher der Fraktion, Wu Chi-wai, kritisierte, dass mit dem neuen Gesetz die Gewaltentrennung in Hongkong beendet wäre. Alle Macht würde in der Hand von Regierungschefin Carrie Lam liegen, die wiederum eine Marionette der Zentralregierung in Peking sei. „Das ist das Ende von ‚Ein Land, zwei Systeme‘“, sagte er.
Mit dem neuen Gesetz hat Peking ein weiteres Instrument in der Hand, um sich unliebsamer Politikerinnen und Politiker in Hongkong zu entledigen. Bereits im Juni hatte die Zentralregierung ein höchst umstrittenes, weitreichendes Sicherheitsgesetz erlassen, das ihr direkteren Zugriff auf Hongkong verschaffte. Dem waren monatelange Proteste in Hongkong vorausgegangen, teilweise gingen Hunderttausende auf die Straßen, um sich gegen Pekings zunehmenden Einfluss zu wehren. In Hongkong herrscht ja im Gegensatz zum Festland ein demokratisches System vor, das auch nach der Rückgabe von Großbritannien an China 1997 erhalten blieb, und zwar qua Vertrag für mindestens 50 weitere Jahre. Nach Pekinger Lesart müssten die Bestimmungen in der Finanzmetropole aber schon zuvor angeglichen werden. Nach Erlass des Sicherheitsgesetzes im Juni haben etliche Demokratieaktivisten das Land verlassen.
Die vier nun entlassenen Politiker sind allesamt vehemente Verteidiger der Demokratie. „Wenn ordnungsgemäßes Handeln und der Kampf für Demokratie zum Ausschluss führen können, dann ist mir der Ausschluss eine Ehre“, sagte Kwok auf dem Weg aus dem Versammlungssaal.
Die vier waren schon im Juni von den Lokalwahlen ausgeschlossen worden, die im September hätten stattfinden sollen. Wegen der Corona-Krise wurden diese aber um ein Jahr verschoben. Das sei auch der Grund, warum es zu keiner Nachbesetzung durch Nachwahlen kommen wird, sagte Lam am Mittwoch. In bereits einem Jahr würden ohnehin Wahlen stattfinden.
Dominic Raab, Außenminister der ehemalige Kolonialmacht Großbritannien, beschrieb den Schritt als „Angriff auf Hongkongs Autonomie und Freiheit“. Andere Länder hielten sich bisher mit Reaktionen zurück.
Hotline für Denunzianten
Immer strikter setzt Peking sein System, das es auf dem Festland seit Jahrzehnten erprobt, auch in Hongkong um. Am Montag hat die Hongkonger Polizei eine Telefonhotline eingerichtet, die Einwohnerinnen und Einwohner dazu anstiftet, Verstöße ihrer Nachbarn gegen das Gesetz zu melden. Über die Nummer können Anrufer auch Bilder, Text-, Audio- und Videodateien schicken – und zwar anonym.