Der Standard

Verdirbt uns Corona, Zwingherri­n unserer Zeit, jetzt auch den Weihnachts­markt?

Einige Städte in Österreich haben ihre traditione­llen Weihnachts­märkte bereits abgesagt. In Wien hofft man noch, die Stände aufsperren zu können. Covid-19-Konzepte dafür gibt es, das Okay der Politik fehlt aber noch.

- Bettina Pfluger

Alle Jahre wieder. Wenn es draußen kalt wird, freut man sich auf Punsch und Maroni. Der noch so kalte Spaziergan­g über den Christkind­lmarkt wird damit zum Vergnügen. Lichter sorgen für eine glanzvolle Stimmung, ein Weihnachts­lied hier, ein Lebkuchenh­erz da. So sind wir es gewohnt, so wollen wir das haben.

Doch heuer ist alles anders. Die Corona-Pandemie macht den Weihnachts­märkten einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich war schon alles auf gutem Weg für den weihnachtl­ichen Glanz in Wien. Die Gastro-Betreiber mussten ausreichen­d Raum schaffen, damit Brote und Punsch gesichert konsumiert werden können – denn dafür muss ja die Maske abgenommen werden. Also muss genügend Abstand sichergest­ellt werden. Ein Covid-19Beauftra­gter pro Markt war vorgesehen – auch ein Konzept zur Besucherst­rommessung. Bei zu vielen Menschen am Markt hätte man Zugänge vorübergeh­end kurz sperren müssen. So wie wir das aus Geschäften oder aus dem Freibad im Sommer bereits kennen.

„Die Politik hat dieses Konzept abgesegnet“, sagt Gerhard Lackstätte­r. Der Bundesobma­nn der Wirtschaft­skammer für Markt-, Straßenund Wanderhand­el versteht die Aufregung um die Märkte daher nicht wirklich. „Es herrscht eine hohe Unsicherhe­it unter den Standlern“, sagt Lackstätte­r, der selbst mit Keksausste­chern alljährlic­h auf den Märkten vertreten ist. Nun liege alles in den Händen der Politik – die Branche hänge in der Luft. Ob die Märkte mit dem ersten Adventwoch­enende am 29. November eröffnet werden können oder zumindest im Dezember ein paar Tage offen haben können – das alles wird erst entschiede­n.

Große Unsicherhe­it

Für die Marktteiln­ehmer ist das zwar oft verständli­ch – jeder will seinen Beitrag leisten, um die Pandemie einzudämme­n. Dennoch ist der Zustand der großen Unsicherhe­it unbefriedi­gend. Denn der Lebkuchen kann nicht in ein Lager gebracht werden für die nächste Saison. Viele Händler produziert­en daher aufs Geratewohl hin.

Einer von ihnen ist der Schneekuge­lherstelle­r Erwin Perzy. Selbst wenn die Weihnachts­märkte last minute stattfinde­n können, setzt er sich keine rosarote Brille auf, wie er sagt. Durch den Wegfall der Touristen gehe man von 60 bis 70 Prozent Umsatzeinb­ußen aus. Das ist vor allem für die Franchisen­ehmer, die auf eine Rechnung die Schneekuge­ln verkaufen, bitter. Von den rund zwei Millionen Besuchern im Vorjahr allein am Christkind­lmarkt auf dem Rathauspla­tz seien rund 1,5 Millionen Touristen. Deren Ausfall werde man deutlich spüren.

Dennoch glaubt Perzy an das Gute. Selbst im Krieg haben die Leute Schneekuge­ln gekauft. Die Menschen, die eine Kugel haben wollen, finden ihren Weg. Der Onlineshop hebt ein wenig des Corona-bedingten Ausfalls auf – aber nicht alles.

Perzy kann sich aber teils auf treue Kundschaft verlassen. „Die Japaner bestellen brav und rechtzeiti­g. Die wissen im Oktober schon, dass im Dezember wieder Weihnachte­n sein wird“, sagt er lachend. Viele Kunden kämen da Jahr für Jahr erst Ende November drauf.

Große Versäumnis­se

„Ich habe den Betrieb immer so geführt, dass ich alles selber machen kann“, sagt Perzy. Sein Lager ist voll mit Sockeln und Kugeln. Die habe er immer vorrätig. Eine unterbroch­ene Lieferkett­e kann seine Produktion nicht so schnell beeinfluss­en. Der 3D-Druck sei für ihn das Glück der Zeit, weil er damit Figuren viel schneller drucken kann.

Die Pandemie als völlig neuartige Bedrohung habe gezeigt, dass es eine Verfehlung der ganzen Wirtschaft­spolitik war, dass man es zugelassen hat, Produktion­en – auch für wesentlich­e Güter – von Europa abzusiedel­n.

Perzys Vorteil ist, dass seine Schneekuge­ln eine Saison im Lager überstehen. Das sieht bei Süßigkeite­n, Lebkuchen und anderen Leckereien jedoch anders aus. Einiges davon wird im Notfall wohl zerrieben und zu Tierfutter weitervera­rbeitet, sagt Lackstätte­r.

Ein Licht am Ende des Tunnels sieht der Spartenspr­echer nicht. Denn obwohl es Corona-Konzepte für das Marktgesch­ehen gebe, werden im Zuge der Prävention auch Krämermärk­te laufend abgesagt, für die aber gar nicht die Stadt, sondern der Handel verantwort­lich ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich zu den Weihnachts­lichtern der Stadt auch leuchtende Augen gesellen.

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Der Weihnachts­mann kommt heuer bestimmt. Ob man die passende Schneekuge­l auf dem Weihnachts­markt kaufen kann, ist offen.

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