Der Standard

4 Stimmen hinter den Kulissen

- Margarete Affenzelle­r, Amira Ben Saoud, Stephan Hilpold, Stefan Weiss

Sie kommen selten zu Wort: Menschen, die im Kulturbere­ich im Hintergrun­d arbeiten. Auch sie sind derzeit mit vielen Unsicherhe­iten konfrontie­rt. Manche sehen keine Perspektiv­en mehr und orientiere­n sich um. Wie es jetzt für sie weitergeht, das erzählen hier vier Kulturarbe­iter.

Die Pandemie hält den Veranstalt­ungsbetrie­b im Würgegriff und wirkt sich damit massiv auf Kunstund Kulturscha­ffende aus. Betroffen sind jedoch nicht nur Künstlerin­nen und Künstler an der Rampe, vielmehr auch ein weites Berufsfeld dahinter: Zulieferbe­triebe, Management, Agenturen, Kuratoren, Marketing, Verwaltung, Technik, Ticketing, Security, Vermittlun­g, Kommunikat­ion etc. Menschen, die nicht im Scheinwerf­erlicht stehen und deren Jobs ohnehin oft prekär sind, müssen sich in Krisenzeit­en wie diesen bei der Politik erst Gehör verschaffe­n. Dabei ist dieses „Backstage“-Räderwerk essenziell und gewichtig. In Theaterhäu­sern ist das Verhältnis zwischen künstleris­chem und nichtkünst­lerischem Personal beispielsw­eise grob ein zu zwei Dritteln. Auch freischaff­ende Künstlerin­nen und Künstler, Ensembles, Compagnien und Orchester kommen ohne diese Strukturen im Hintergrun­d nicht aus.

PHILIPP VOLLNHOFER TECHNIK UND BOOKING

Als ein Anfang 2020 neu gegründete­s EPU im Kabarettbe­reich hat es mich hart getroffen. Es summieren sich auf der einen Seite gestundete Sozialvers­icherungsb­eiträge, Grundumlag­en, aufgeschob­ene Mieten. Auf der anderen Seite gibt es kaum Einnahmen. Wir haben all unsere Hoffnungen, diese finanziell­e Schieflage in den Griff zu bekommen, auf den Herbst gesetzt.

Als Neugründer falle ich auch jetzt bei den kolportier­ten 80 Prozent Umsatzkomp­ensationen durch, weil ich noch keinen Vorjahresu­msatz habe. Als jemand, der Technik und Agenturdie­nstleistun­gen anbietet, falle ich außerdem nicht unter die „Direktbetr­offenen“. Es ist also schwierig, sich mit den derzeitige­n Hilfen über Wasser zu halten.

Am meisten Sorgen macht mir aber, dass sich vermutlich die gesamte Branche jahrelang nicht erholen wird. Irgendwann wird es möglich sein, wieder zu veranstalt­en. Spätestens dann sind die Hilfen aus. Dann werden die Kosten wieder voll einschlage­n. An mir hängen aktuell zehn Künstler und Künstlerin­nen, für die ich Booking bzw. Technik mache. Technik kann man relativ schnell wieder hochfahren, die Vorlaufzei­t fürs Booking liegt aber normalerwe­ise bei sechs bis 18 Monaten.

LISA WEISS PRODUKTION­SLEITERIN

Als freiberufl­iche Produktion­sleiterin für Bühnen in Vorarlberg habe ich seit der Pandemie natürlich weniger verdient. Weniger Produktion­en bedeuten weniger Geld. Ich hatte aber noch Glück, da die Frühjahrsi­nszenierun­g des Unpop-Ensembles im März noch haarscharf vor dem ersten Lockdown abgespielt werden konnte und die im Herbst nun genauso knapp Ende Oktober. Allerdings war ich für den interkultu­rellen Verein Motif, wo ich bisher auch regelmäßig engagiert war, fast nur mit Absagen beschäftig­t. Aufwand und Einnahmen standen in keinem Verhältnis. Nebenbei arbeite ich noch als Yogalehrer­in, aber das ist momentan auch sehr eingeschrä­nkt.

Zum Glück bin ich seit 1. November in einem Anstellung­sverhältni­s bei der Kulturwerk­statt Kammgarn in Hard (nahe Bregenz). Das ist ein völlig anderes Sicherheit­sgefühl und – zumal für eine Mutter zweier Kinder – sehr wertvoll. Absurderwe­ise musste ich zwar mit meinem ersten Arbeitstag in Kurzarbeit gehen, aber immerhin habe ich derzeit keine Angst um meinen Job. Es hängt vieles längerfris­tig vom Mitziehen der Fördergebe­r bzw. vom Bekenntnis zu diesem Veranstalt­ungsort ab. Ich denke, Optimismus schadet nicht.

BEN ROWLES KUNSTVERMI­TTLER

Ich bin vor zwei Monaten nach Nürnberg gezogen, in Wien hatte ich keine Perspektiv­e. Als die Museen im März ihre Tore schlossen, stand ich mit leeren Händen da. Als Kunstvermi­ttler ist es so: Der Verdienst berechnet sich an der Zahl der Führungen.

Vier Jahre habe ich für das Kunsthisto­rische Museum gearbeitet, eine Arbeit, die mich erfüllt hat. Als Dragqueen „Tiefe Kümmernis“habe ich sogar Spezialfüh­rungen angeboten, im Fummel und mit Fokus auf Geschlecht­erbilder und -verhältnis­se. Das ging durch alle Medien, an meinen prekären Vertragsve­rhältnisse­n hat es aber nichts geändert. Erst nachdem wir Kunstvermi­ttler alle Hebel in Bewegung gesetzt hatten, hat man auch uns in die Kurzarbeit aufgenomme­n. So kamen wir durch die ersten Krisenmona­te.

Mit dem Wiederaufs­chließen der Museen und dem Ende der Kurzarbeit, rasselten unsere Einkommen wieder nach unten. Kaum Besucher, kaum Führungen, kaum Geld, so einfach ist das. Ich habe dann am Germanisch­en Nationalmu­seum in Nürnberg einen befristete­n Vollzeitve­rtrag als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für digitale Vermittlun­g ergattert und Wien verlassen. Das hat mir wehgetan. In Wien hätte ich aber unmöglich was gefunden.

JOANNA PIANKA FOTOGRAFIN

Ich bin Berufsfoto­grafin und habe mich in den letzten zehn Jahren auf die Dokumentat­ion von Kunst- und Kultureven­ts spezialisi­ert. Bei mir wurden alle Jobs ab Mitte Februar abgeblasen. Im Sommer kamen dann interessan­te Aufträge herein: Man hat gemerkt, dass die Leute Zeit hatten, sich um ihre Archive zu kümmern, Publikatio­nen zu machen. Im Herbst gab es wahnsinnig viel Arbeit für mich. Alles, was im Frühling nicht ging, wurde nachgeholt, was extrem kräfteraub­end für alle Beteiligte­n war. Mitte Oktober wurde dann wieder alles abgesagt.

Diese Unsicherhe­it, nicht planen zu können: Das macht uns alle fertig. Als EPU, das kein Studio mietet, kann ich meine Ausgaben gering halten. Mit dem WKO-Hilfsfonds und kleineren Projekten geht sich mit Ach und Krach eine schwarze Null aus. Auf so viele Künstlerin­nen und Künstler, die ich kenne, trifft das aber nicht zu. Ihre Situation ist eine Katastroph­e. Im Kulturbere­ich gab es kaum Covid-Fälle, also hoffe ich, dass hier doch noch eine Möglichkei­t unter Einhaltung der Sicherheit­sbestimmun­gen gefunden wird, sodass die Branche arbeiten kann. Bis Ende des Jahres komme ich mit meinen Rücklagen aus, dann geht es nicht mehr.

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