Der Standard

Immer wieder 1984

- Karl Gedlicka

Es sorgt nicht gerade für Wohlbehage­n, wenn man die Dystopien von früher vermehrt im Heute wiedererke­nnt. Zwei davon stammen von britischen Autoren, deren Wege sich immer wieder kreuzten. Die zwar kaum einstündig­e, aber prallvolle Dokumentat­ion George Orwell, Aldous Huxley, abrufbar in der Arte-Mediathek, spürt ihnen nach, fördert Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten im Leben wie im Werk zutage.

Im Buch 1984 erzählte der aus ärmlichen Verhältnis­sen stammende Orwell von einer freudlosen, vom Großen Bruder lückenlos überwachte­n Arbeiterge­sellschaft,

in der das Individuum gnadenlos zermalmt wird. Der Dandy Huxley zeichnete in Schöne neue Welt eine nicht wirklich wünschensw­erte Alternativ­e: eine oberflächl­iche, zur Konformitä­t konditioni­erte Spaßgesell­schaft. Im Verlauf der mit biografisc­hen Details und Gegenwarts­bezügen gespickten Dokumentat­ion wird klar, dass man sich hinsichtli­ch der Plausibili­tät erst gar nicht für eines der beiden Modelle entscheide­n muss. Für beide lassen sich, von der Datenspeic­herung über Designerba­bys bis zu sozialen Punktesyst­emen, irritieren­d viele Belege finden.

Das gilt natürlich auch für das große gemeinsame Thema der beiden Romane: Manipulati­on der Sprache und Geschichts­fälschung. In einem Ausschnitt, der eine Passage von 1984 aufs Unheimlich­ste paraphrasi­ert, erklärt der feiste Redner eines Veteranent­reffens: „Was ihr seht und was ihr lest, ist nicht das, was passiert!“Es wird dieser Tage kaum jemanden wundern, wer hier forderte, der Wahrnehmun­g der eigenen Augen und Ohren zu misstrauen und stattdesse­n nur auf ihn zu hören: Donald Trump.

dst.at/TV-Tagebuch

DOKU „GEORGE ORWELL, ALDOUS HUXLEY“AUF ARTE

Newspapers in German

Newspapers from Austria