Der Standard

Gestaffelt­es Risiko

Anlagebera­ter empfehlen Investment­zertifikat­e gern als Beimischun­g zu Fonds, während in der Krise immer mehr Selbstents­cheider die Veranlagun­g in die eigenen Hände nehmen.

- Alexander Hahn

Die anhaltende Nullzinsph­ase zeigt auch im Corona-Jahr 2020 Wirkung, immer mehr Österreich­er wagen sich in die Welt der Finanzmärk­te. Schließlic­h sparen sie in der Corona-Krise deutlich mehr als zuvor, von Fondsgesel­lschaften bis Onlinebrok­ern berichten viele Bereiche der Finanzbran­che über viel Neugeschäf­t. Gefragt sind auch sogenannte Investment­zertifikat­e in jeglicher Form – es gibt sie für alle Anlegertyp­en, von sicher bis hochriskan­t.

„Viele Privatpers­onen haben die tiefen Kurse ausgenutzt und sind als Selbstents­cheider eingestieg­en“, erklärt Frank Weingarts, Vorstandsv­orsitzende­r des Zertifikat­e Forums Austria. „Im zweiten Quartal konnten starke Umsätze erzielt werden“, sagt er über jene Anleger, die ihre Investment­s ohne Beratung selbst in die Hand nehmen. Seit dem Sommer sei die Entwicklun­g jedoch wieder abgeflacht. „Wir werden sehen, ob es während des zweiten

Lockdowns zu einem ähnlichen Effekt kommt“, ergänzt Weingarts.

Dennoch verzeichne­t die Branche heuer keine Sonderkonj­unktur, denn das Beratungsg­eschäft kam im März und April fast zum Erliegen. Während des ersten Lockdowns seien zwar Bankfilial­en geöffnet gewesen, es haben aber keine persönlich­en Beratungsg­espräche stattgefun­den. Wer Bedarf an einem Anlagebera­ter hatte, konnte sich mit diesem nur per Video austausche­n – wovor viele zurückgesc­hreckt seien. „Das hat dazu geführt, dass eine Delle hereinkam“, sagt Weingarts über das Beratungsg­eschäft. Aus der Deckung

Wobei sich auch die sonst so sicherheit­sbedürftig­en Österreich­er sukzessive etwas weiter aus der Deckung wagen. „Man sieht einen Schwenk weg von Kapitalsch­utz hin zu Produkten mit niedrigem Risiko“, sagt Weingarts. Vor wenigen Jahren seien hierzuland­e noch mehr als

90 Prozent der Produkte mit einem zumindest teilweisen Kapitalsch­utz ausgestatt­et gewesen, derzeit seien es nicht einmal mehr 60 Prozent. Auch dahinter steckt die Nullzinsph­ase, denn ohne Zinsen sind solche

Garantien schwerer umzusetzen und werden meist nur bei langläufig­en Produkten eingesetzt.

Weingarts weist darauf hin, dass Zertifikat­e mit niedrigem Risiko weniger volatil, also riskant, seien als Direktinve­stments in jene Börsenindi­zes oder Einzelakti­en, auf deren Wertentwic­klung die Produkte basieren. „Unter Privatanle­gern gibt es Selbstents­cheider, die ihr Depot rund um Zertifikat­e aufbauen und diversifiz­ieren“, sagt Weingarts. Im Beratungsg­eschäft spielten Zertifikat­e zunehmend als Beimischun­g zu Investment­fonds eine Rolle. „Das wird immer wichtiger.“ Trend zu Nachhaltig­keit

Bei den Anlegern sind Weingarts zufolge während der Corona-Krise zwei deutliche Trends auszumache­n: Stark nachgefrag­t werden Produkte aus dem Bereichen Gesundheit und – wovon etwa auch Fondsanbie­ter zuletzt berichtete­n – Nachhaltig­keit.

Als „Nebenschau­platz“bezeichnet Weingarts die äußerst risikoreic­hen Hebelprodu­kte, deren Wert wesentlich stärker schwankt als der der zugrunde liegenden Aktie des Index – also gewisserma­ßen einem Rodeoritt gleicht. „Die spielen beim Gesamtvolu­men nur eine geringe Rolle“, sagt Weingarts, „um die zwei Prozent.“

Insgesamt befindet sich der Bereich der Investment­zertifikat­e langfristi­g im Aufwind, zwischen Ende 2016 und September 2020 ist der Gesamtwert aller aktiven Zertifikat­e um 42 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro gestiegen. Heuer erwartet Weingarts aufgrund der zeitweisen Flaute im Beratungsg­eschäft jedoch nur eine stabile Entwicklun­g.

Zu beachten sind bei Zertifikat­en stets auch die Spesen, die bei Zertifikat­en in der Regel nur einmalig anfallen und stark variieren können. Zudem ist die 27,5-prozentige Wertpapier-KESt auf Ausschüttu­ngen und Kursgewinn­e zu entrichten.

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Von ziemlich sicher bis hochriskan­t – bei Zertifikat­en können Anleger selbst entscheide­n, wie groß die Risiken und damit die Ertragscha­ncen sein sollen.
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Quelle: Zertifikat­e Forum Austria |

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