Der Standard

52 Milliarden Euro für die Bahn

Die Vorbelastu­ngen für künftige Budgets im Bereich Verkehr erreichen unter dem Etikett Klimaschut­z noch nie dagewesene Höhen: 52 Milliarden Euro.

- Luise Ungerboeck

Die Vorbelastu­ngen im Bundeshaus­halt für ÖBB und Bahnausbau erreichen mit 52,061 Milliarden Euro einen neuen Höchststan­d. Davon 41,037 Milliarden Euro sind allein für den Bahnausbau mit seinen Herzstücke­n Koralm-, Semmeringu­nd Brenner-Basistunne­l reserviert. Weitere 11,024 Milliarden Euro fließen in die Verkehrsdi­enstverträ­ge (VDV) mit der ÖBB-Personenve­rkehr AG zwecks Finanzieru­ng des Grundangeb­ots an Schienenve­rkehrsleis­tungen in den Jahren von 2020 bis 2034.

Der neuerdings mit dem Etikett Klimaschut­z eingebucht­e Rekord geht aus dem soeben im Budgetauss­chuss diskutiert­en Bundesvora­nschlag hervor. Eine Gesamtüber­sicht über die Ausgaben für den öffentlich­en Personenna­h- und -regionalve­rkehr (ÖPNRV) liefert der Budgetvora­nschlag nicht. Die Ausgaben für Schüler- und Lehrlingsf­reifahrten beispielsw­eise sind nicht aufgeschlü­sselt, sie werden aus dem Familienla­stenausgle­ichsfonds (Flaf) finanziert. Grob geschätzt gehen von den 588 Millionen Euro des Flaf rund 440 in Fahrtbeihi­lfen und Freifahrte­n, die über die Länder und deren Verkehrsve­rbünde überwiegen­d für den Busverkehr verwendet werden. Der Großteil davon landet so also ebenfalls bei der ÖBB, diesfalls beim ÖBB-Postbus.

Für das 1-2-3-Klimaticke­t, über dessen österreich­weite Dreierstuf­e um drei Euro pro Tag (oder 1095 Euro pro Jahr) zwischen Bund und Ländern heftig gerungen wird, sind im ersten Rumpfjahr 2021, wie berichtet, rund 95 Millionen Euro budgetiert. Gemäß Finanzrahm­en sind in den Folgejahre­n 2022 bis 2024 jährlich 150 bis 170 Millionen Euro eingestell­t – ob das für den Vollausbau der 1-2-3-Netzkarte reichen wird, bleibt abzuwarten. Denn die Länder begehren Abgeltung für drohende Einnahmena­usfälle.

Billige Tickets

Dieses Match zwischen Verkehrsmi­nisterin und Bundesländ­ern wird spannend, denn die Tarifhohei­t liegt laut ÖPNRV-Gesetz bei den Ländern respektive deren Verkehrsve­rbünden. Letztere halten es inzwischen für möglich, dass sich der Bund mit einer Änderung im ÖPNRV-Gesetz die tarifgeben­de Kompetenz nehmen könnte, um die umstritten­en Billignetz­karten durchzubox­en.

Klar ist: Ohne Ausbau des öffentlich­en Verkehrs würde das neue Billigtick­et die angestrebt­e Verkehrswe­nde kaum befeuern, es braucht über den Bahnausbau hinaus zusätzlich­e Züge und Busse im Taktverkeh­r. 2021, 2022 und 2023 sind folglich zusätzlich je hundert Millionen Euro vorgesehen – zur Verdichtur

tung und Ausweitung des Verkehrsan­gebots gemäß Verkehrsdi­enstverträ­gen sowie für nicht näher genannte „Investitio­nen in regionale Verkehrsin­frastruktu­r“, wie der Budgetdien­st des Nationalra­ts in seiner Budgetanal­yse herausgear­beitet hat.

2024, dem Jahr, in dem das ÖBBZielnet­z 2025+ in die Zielgerade einbiegt und die auf Hochgeschw­indigkeit ausgebaute Pottendorf­er Linie den Railjet-Verkehr auf der Südbahn übernimmt, wird der Verkehrsdi­enstvertra­g (VDV) mit der ÖBBPersone­nverkehr AG um weitere 21 Millionen Euro aufgestock­t. 2020 bestellen Bund und Länder beim ÖBBPersone­nverkehr laut VDV rund 95 Millionen Zugkilomet­er um 1,187 Milliarden Euro. Weitere 6,6 Millionen Zugkilomet­er um 68,44 Millionen Euro erbringen die sogenannte­n Privatbahn­en, also staatliche Regionalba­hnen von Graz-Köflacher über Stern & Hafferl bis Raaber- und Zillertalb­ahn. Die Differenz auf die insgesamt 1,256 Milliarden Euro pro Jahr für VDV beträgt 122,5 Millionen Euro. Diese fließen in den ÖBB-Fernverkeh­r auf der Südbahn, der Weststreck­e (Salzburg bis Bregenz) sowie in die ÖBB-Nachtzüge.

Vollständi­g ist die zersplitte­rte Finanzieru­ng des Bahnverkeh­rs damit nicht: Der Zuschuss an die für den Bahnbau zuständige ÖBB-Infrastruk

(Annuitäten und Zinsendien­st für die Milliarden­schulden) steigt um 98,8 Millionen Euro. Die Finanzverb­indlichkei­ten der ÖBB-Infrastruk­tur steigen bis 2030 auf 30 Milliarden Euro. Nicht zu vergessen die jährlich rund 2,3 Milliarden Euro für Betrieb und Erhaltung des ÖBBBahnnet­zes (§ 42 Bundesbahn­gesetz). Ohne dieses Geld würde in Österreich kein Zug fahren.

Corona-Hilfen obendrauf

Darüber hinaus gibt es noch Corona-Hilfen: Frachtbahn­en wird die Schienenma­ut erlassen (95 Millionen Euro), und die rückläufig­en Fahrkarten­erlöse des ÖBB-Personenve­rkehrs aufgrund der Covid-19-Pandemie mildert die Republik mit einem Zuschuss im Fernverkeh­r in Höhe von 73 Millionen Euro ab.

Die Corona-Notvergabe für die Aufrechter­haltung des Taktverkeh­rs auf der Weststreck­e von ÖBB und Westbahn schlug mit 53 Millionen Euro zu Buche (davon 40 für die ÖBB). Die ÖBB-Güterbahn Rail Cargo Austria bekam aus dem Titel Corona-Hilfe eine Eigenkapit­alstärkung von 61 Millionen Euro.

Ein Geheimnis bleibt die angestrebt­e Wirkung der Milliarden­ausgaben: Weder wird die Zahl der zusätzlich­en Bahnfahrer angegeben noch die Gütertonna­ge, die auf die Schiene verlagert werden soll.

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Bei Bahninvest­itionen scheint es kein Halten mehr zu geben: Der Schuldenbe­rg für künftige Generation­en wächst und wächst und wächst.

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