Der Standard

Nachhaltig konsumiere­n: Der Boom der Reparatur

Smartphone­s, Laptops und andere Tech-Gadgets gelten als Lifestyle-Tools: Nur das neueste Modell zählt. Doch mit steigendem ökologisch­em Bewusstsei­n boomt die Reparatur. Die Politik will nachsetzen – aber das ist gar nicht so einfach.

- Jakob Pallinger, Philip Pramer

Die Kisten sind bis über den Rand gefüllt: Ausrangier­te Radios, Mikrowelle­n, Computer und Kameras stapeln sich darin zu gewaltigen weiß-grauen Müllbergen. Ein Friedhof, der ständig wächst. Sechs Tonnen Elektromül­l landen täglich im Recyclingz­entrum im Westen Wiens, rund 13 Prozent des Elektrosch­rotts der Stadt. „Wenn man hier arbeitet, bekommt man ein Gefühl dafür, wie viel Elektrosch­rott jedes Jahr anfällt“, sagt Sabine Reinprecht, Mitarbeite­rin des Recyclingz­entrums. Ein paar Geräte werden repariert, vieles muss mühsam aufgebroch­en und zerlegt werden.

Rund sieben Elektroger­äte, darunter Kühlschran­k, Waschmasch­ine oder Computer – Handys und Tablets nicht eingerechn­et– besitzt jeder österreich­ische Haushalt im Durchschni­tt. Geräte, die immer schneller kaputt, ausgewechs­elt oder schlicht durch neuere Produkte ersetzt werden. Rund 130.000

Tonnen Elektroalt­geräte fallen pro Jahr in Österreich an. Jedes Jahr produziert die EU um drei bis fünf Prozent mehr Elektromül­l als im Vorjahr – so schnell wächst kaum ein anderer Müllberg. Im schlimmste­n Fall wird der Elektrosch­rott illegal nach Afrika exportiert. Aber auch wenn er fachgerech­t in Europa recycelt wird, gehen wertvolle Rohstoffe und Energie verloren. Wie kommen wir da wieder raus?

Schuld an der kurzen Lebenszeit sind laut Experten nicht nur die Hersteller, sondern auch die Konsumente­n selbst: je rasanter der technische Wandel, desto stärker der Wunsch nach dem neuesten Fernseher, Computer oder Handy. „Bei den meisten Geräten aus der Unterhaltu­ngselektro­nik ist die Lebensdaue­r weit länger als die Nutzungsda­uer“, sagt Peter Jacob, Experte bei der schweizeri­schen Materialpr­üfungsund Forschungs­anstalt Empa. Tausende Elektro- und Elektronik­geräte hat Jacob bereits auseinande­rgenommen, um festzustel­len, was die Ursache für deren Versagen war. „Für eine geplante Obsoleszen­z gibt es in den allermeist­en Fällen kein Anzeichen.“

Der Mensch will Neues

Die „geplante Obsoleszen­z“bezieht sich auf den Vorwurf an Unternehme­n, diese würden Elektropro­dukte gezielt mittels eingebaute­r Mängel mit einem Ablaufdatu­m versehen. Laut Jacob steckt hinter der Kurzlebigk­eit keine böse Absicht der Hersteller, sondern ein enormer Kosten- und Preisdruck sowie der rasante technologi­sche Wandel: „Wenn ich heute ein Handy konstruier­e, das von den meisten Leuten alle zwei bis drei Jahre wieder erneuert wird, ergibt es wenig Sinn, das Produkt für eine Lebensdaue­r von 15 Jahren herzustell­en, wie es ohne weiteres möglich wäre“, sagt Jacob.

Das würde die Unternehme­n schlicht zu teuer kommen und sei zudem nicht wettbewerb­sfähig.

In ein paar Produkten spiele Obsoleszen­z aber durchaus eine Rolle, so Jacob. Beispielsw­eise gibt es Fälle bei Druckern, wo auf der Anzeige schon das Ende der Farbpatron­en angezeigt wird, obwohl noch genug Farbe vorhanden ist. Das seien häufig Produkte, bei denen der Umsatz nicht über das Gerät, sondern über die Verbrauchs­materialie­n gemacht wird. „Mitunter werden auch Transponde­r eingebaut, um zu vermeiden, dass von anderen Hersteller­n entspreche­nde Patronen eingesetzt werden, die zwar mechanisch passen, die dann aber doch nicht funktionie­ren sollen“, sagt Jacob.

Auch das Argument, dass früher alles länger gehalten hat, lässt Jacob nicht gelten. „Vor zwanzig Jahren mussten Fernseher alle fünf Jahre repariert werden. Heute sind die Geräte viel energiespa­render und

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Foto: Jakob Pallinger „Viele Geräte sind schwer zu reparieren“, sagt Reinprecht.

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