Verschärfung des Lockdowns kündigt sich an
Appell von Anschober an Einkaufszentren Heftige Debatte über Schulschließungen
Wien – Angesichts steigender Infektionszahlen wird eine Verschärfung des Lockdowns immer wahrscheinlicher. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass kommende Woche auch der Handel und Dienstleistungen geschlossen werden – mit Ausnahme von Super- und Drogeriemärkten sowie Apotheken. Die – unbestätigten – Maßnahmen könnten am Samstag verkündet werden und am Montag oder Dienstag in Kraft treten.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach am Donnerstag jedenfalls davon, dass die Situation in Einkaufszentren nicht tragbar sei. Betreiber und Besucher müssten sich dringend an die geltenden Schutzmaßnahmen halten.
Heftig debattiert wird noch über Schulschließungen. Es zeichnet sich ab, dass zumindest die Unterstufe kommende Woche dichtmachen wird. Um die Volksschulen wird laut Insidern noch gerungen, Kindergärten sollen offen halten. Teilweise Schulschließungen würden die Wirtschaft zusätzlich treffen: Derzeit gibt es 1,2 Millionen Erwerbstätige mit Kindern unter 15 Jahren. Mehrere Unternehmen berichten, dass ihnen Lieferverzögerungen und teilweise auch Pönalen drohen. Zudem würden Kunden auf andere Anbieter ausweichen, wenn Waren nicht rechtzeitig geliefert werden.
Die Zahl der Neuinfektionen stieg weiter an, sie lag am Donnerstag bei über 9000 Fällen. Allerdings kam es erneut zu gröberen Datenproblemen. Aufgrund von Nachtragungen war der Wert besonders hoch. Dass die Fälle am falschen Tag eingetragen wurden, ändere aber nichts daran, dass sie existieren, betonte Anschober. (red)
Zehn Tage wollte die Regierung abwarten, ehe sie sich ein Bild über die Wirksamkeit des am 3. November in Kraft getretenen Teil-Lockdowns macht – so lange dauert es wegen der Inkubationszeit und anderer Effekte, bis klare Schlüsse möglich sein sollten. Nun ist diese Frist verstrichen. Wenn nicht schon am Freitag, so werde die Koalition bis spätestens Samstag zu einem Urteil kommen, heißt es aus dem Kanzleramt – und daraus entsprechende Konsequenzen ziehen.
Doch an welchen Schrauben können und wollen ÖVP und Grüne drehen? Noch verrät kein Regierungsmitglied, welche Pläne – sofern überhaupt ausdiskutiert – in den Schubladen liegen. Dass der Handel und Dienstleistungsbetriebe schließen werden, zeichnet sich jedoch ab. So waren auch im ersten Lockdown die meisten Betriebe geschlossen, Ausnahmen gab es etwa für Trafiken, Apotheken und Supermärkte.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) macht kein Hehl daraus, dass er mit dem Shoppingverhalten der Österreicherinnen und Österreicher unglücklich ist. Am Donnerstag sprach er von „besorgniserregenden Bildern von größeren Menschenansammlungen“in den Einkaufszentren, von engem Gedränge und dem gemeinsamen Konsum von Essen und Getränken. Er appellierte daher an Betreiber wie Besucher, sich an die vorgeschriebenen Maßnahmen zu halten. Ansonsten werden neue kommen, schwingt da mit.
Datenchaos und zu viel Freizeitvergnügen
Was die Regierung unter Zugzwang bringt: Der Lockdown II scheint nicht richtig zu greifen. Aktuell lasse sich aus den Daten nur eine bescheidene Dämpfung der Infektionskurve ablesen, sagt der Simulationsforscher Niki Popper, der im Prognoseteam des Gesundheitsministeriums sitzt: „Die Auswirkungen der Maßnahmen sind sehr gering – viel geringer als erhofft.“
Dies könne, so Popper, zwei Ursachen haben. Im erfreulicheren Fall liegt es am Umstand, dass die verfügbaren Daten veraltet sind: Weil die Erfassung der laufend auftretenden Fälle eine Zeitlang dauert, hinkt die Statistik hinterher. Fast ein Dreivierteljahr nach der ersten bestätigten Infektion mit Sars-CoV-2 ringen Ages, Innen- und Gesundheitsministerium stärker als zuvor mit der Verlässlichkeit ihrer Zahlen.
Im Dashboard wurden etwa Anfang der Woche – nun nachträglich berichtigt – weniger als die Hälfte der tatsächlichen Neuansteckungen angezeigt. Umgekehrt wurde die Zahl der Intensivpatienten am Dienstag von zunächst 580 auf 495 nach unten korrigiert, ohne weitere Erklärung. Die falschen Ergebnisse und„ kurzfristigen Verzögerungen“führt man im Gesundheitsministerium auf die„ hohe Auslastung der Server durch die zahlreich einlangenden Labormeldungen“zurück.
Popper und sein Team versuchen allerdings, den Verzögerungseffe kt heraus zurechnen. Für entscheidend hält der Experte deshalb den zweiten möglichen Grund für die ausbl eiben denLockdown- Effekte .„ Die Menschen haben ihre Freizeit kontakten icht stark genug reduziert “, sagt er .„ Offenbar gibte seinen V erlag erungs effekt. Die geschlossenen Wirtshäuser führten dazu, dass sich die Menschen stattdessen in Einkaufszentren drängen .“Conslusio:Natürl ich seien auch andere Maßnahmen möglich, aber ohne Einschränkung des Freizeit verhaltens würde alles nicht reichen.
Bewegungsdaten vonGooglez eigen, dass die Besucher zahl in Restaurants, Einkaufszentren und Unterhaltungs einrichtungen mit bis zu minus 67 Prozent aktuell zwar weit unter dem Vor krisen niveau liegt. Im erstenLockdown lag der Wert aber bei 90 Prozent.
Selektive Lockdown-Regeln denkbar
Denkbar sind auch selektive Lockdown-Regeln. Das gilt für die Schulen (siehe Seite 4), wo zwischen Volksschulen und Unterstufe unterschieden werden könnte, ebenso wie für den Handel. Wäre es rechtlich etwa zulässig, die gescholtenen Einkaufszentren zu sperren, die einzelnen Geschäfte in den Straßen aber offen zu halten? Solange es sachlich, in diesem Fall also medizinisch begründbar ist, sei dies möglich, sagt der Anwalt und Rechtsprofessor Georg Eisenberger.
Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Einkaufszentrenverbandes, sieht allerdings keinen Grund für irgendeine Schließung. „Es gibt europaweit nachweislich keine Clusterbildung in Shoppingzentren“, sagt er und warnt: „In 14 Tagen beginnt das Weihnachtsgeschäft. Haben die Geschäfte da noch zu, werden viele Firmenleichen den Wegesrand pflastern.“
Donnerstag war neben alledem auch der traditionelle Tag der Ampelschaltung. Schon seit einer Woche ist ganz Österreich auf der Corona-Ampel auf Rot gestellt, die Schaltung dieser Woche blieb zu Redaktionsschluss noch aus. Vor Monaten, als einer Ampelschaltung noch konkrete Maßnahmen folgten, bedeutete Rot übrigens: Homeschooling, Besuchsverbot in Heimen und Krankenhäusern – und bis auf die nötigsten Geschäfte auch ein geschlossener Handel.