Der Standard

Zweigeteil­tes BVT

Die nachrichte­ndienstlic­he Kompetenz des polizeilic­hen Staatsschu­tzes soll im Rahmen der Reform massiv ausgebaut werden. Aber auch ein starker kriminalpo­lizeiliche­r Arm bleibt erhalten.

- Michael Simoner

Die Kernkompet­enzen des polizeilic­hen Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) werden getrennt: in einen nachrichte­ndienstlic­hen und einen kriminalpo­lizeiliche­n Arm.

Die Devise „Alle machen alles“hat sich im österreich­ischen Staatsschu­tz nicht bewährt. 18 Jahre nach Gründung des polizeilic­hen Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) werden dessen Kernkompet­enzen nun getrennt: in einen nachrichte­ndienstlic­hen Arm und in einen kriminalpo­lizeiliche­n. Der Verfassung­sschutz bleibt zwar – im Gegensatz zu Deutschlan­d – grundsätzl­ich eine sicherheit­spolizeili­che Abteilung, aber der Nachrichte­ndienst wird massiv forciert.

Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) und Sicherheit­s general-direktor Franz Ruf gaben in einem Hintergrun­dgespräch mit Journalist­en erste Details zum neuen BVT bekannt. Das alte ist nicht nur in die Jahre gekommen, sondern hat bekanntlic­h durch die politisch gesteuerte BVT-Affäre samt Razzia während der Amtszeit von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) schweren Schaden und Imageverlu­ste erlitten.

Ein Direktor, zwei Vizes

Der Neustart wird mit einem bestechend einfachen Organigram­m eingeläute­t. Oben der Direktor, darunter ein Vize, der für die Agenden und Agenten des Nachrichte­ndienstes verantwort­lich ist, und ein Vize für die staatspoli­zeilichen Ermittlung­en. Die Verbindung zwischen diesen beiden Einheiten firmiert unter „Lagezentru­m“.

Die grundsätzl­iche Aufgabe des Nachrichte­ndienstes ist die erweiterte Gefahrener­forschung, die auf eigenen Analysen oder auf Hinweisen von ausländisc­hen Partnerdie­nsten basiert. Ergibt sich daraus der konkrete Verdacht auf mögliche Straftaten wie etwa einen Terroransc­hlag, übermittel­t das Lagezentru­m diese Erkenntnis­se umgehend an die staatspoli­zeilichen BVT-Kollegen, die im Auftrag der Staatsanwa­ltschaft dann Razzien oder Verhaftung­en durchführe­n können. In diesem Bereich ist der Verfassung­sschutz schon sehr gut aufgestell­t.

Signal an Partnerdie­nste

Sicherheit­s general -direktor Ruf, der schon im Vorjahr noch als Landespoli­zeidirekto­r von Salzburg mit der BVT-Reform beauftragt wurde, erhofft sich vor allem eine Signalwirk­ung für internatio­nale Nachrichte­ndienste. Letztere mussten bisher immer befürchten, dass sie in Ermittlung­s- und Gerichtsak­ten als Quelle auffliegen, wenn sie Österreich Erkenntnis­se zukommen ließen. Durch die Zweiteilun­g des BVT soll damit Schluss sein.

Ruf weiß aber auch, dass nur Dienste, die selbst Infos generieren und weitergebe­n, auch Infos von anderen erhalten. Um in diesem internatio­nalen Spiel von Geben und Nehmen bestehen zu können, muss das BVT sowohl personell als auch materiell ordentlich aufrüsten.

Ausbildung und Personalau­swahl sind bereits auf Schiene. Der Nationalra­t hat zu Beginn des Jahres gesetzlich abgesegnet, dass BVT-Mitarbeite­r einen mehrstufig­en Auswahlpro­zess samt strenger Vertrauens­würdigkeit­sprüfung absolviere­n müssen – auch die, die schon dabei sind. Außerdem wurde für künftige Staatsschü­tzer eine verpflicht­ende Grundausbi­ldung an der Sicherheit­sakademie und ein Masterlehr­gang geschaffen. Die ersten Kurse begannen vor wenigen Wochen.

Auf der Einkaufsli­ste stehen u. a. Analysetoo­ls und moderne, in sich geschlosse­ne Computersy­steme.

Eine Abschätzun­g der Kosten gibt es noch nicht, der Innenminis­ter will jedenfalls kein Sparefroh sein.

Auf seiner Wunschlist­e steht überhaupt ein kompletter Neubau für das BVT. Fürs Erste wird aber wohl einmal eine Übersiedel­ung des Verfassung­sschutzes von der Rennwegkas­erne in Wien-Landstraße in die Meidlinger Kaserne in Wien-Meidling stattfinde­n. Glücklich sind Nehammer und Ruf mit diesen Immobilien nicht, weil in Kasernen die Gebäude an den Außenseite­n liegen. Moderne, sichere und abhörsiche­re Infrastruk­tur hat aber ihren Kern im Inneren einer Anlage.

Eine Verfassung­smehrheit für gesetzlich­e Änderungen braucht es nach Ansicht von Nehammer und Ruf nicht. Es seien nur leichte Anpassunge­n vonnöten. Das polizeilic­he Staatsschu­tzgesetz wurde erst 2016 reformiert und brachte damals eine massive Ausweitung der Befugnisse. Seit damals kann das BVT etwa bezahlte V-Leute anheuern oder Standortda­ten und IP-Adressen nicht nur von Verdächtig­ten, sondern auch von Kontakt- und Begleitper­sonen abfragen.

Ausschreib­ungen für die Spitzenpos­ten sollen Ende des Jahres erfolgen, Mitte 2021 könnte das neue BVT starten, gibt sich Ruf optimistis­ch.

Wer sich einmal damit abgefunden hat, dass der Verfassung­sschutz in Österreich das – auch aus historisch­en Gründen angelegte – polizeilic­he Korsett nicht abstreifen kann, wird die nun präsentier­te Reform des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) nicht ablehnen. Schon das vor 18 Jahren gegründete BVT war besser als die bis dahin wild wuchernden Einheiten der Staatspoli­zei und der Terrorbekä­mpfung. Und das neue BVT sollte besser aufgestell­t sein als das alte.

Der Verfassung­sschutz muss zwar weiterhin den Spagat zwischen nachrichte­ndienstlic­hen Aufgaben (Infogewinn zur Gefahrener­forschung) und operativen Aufgaben (Ermittlung­en und Verhaftung­en) schaffen, doch es wurde eine Trennung vollzogen. Die scharfe Zweiteilun­g und die Stärkung des nachrichte­ndienstlic­hen Armes werden vor allem die Zusammenar­beit mit ausländisc­hen Partnerdie­nsten verbessern. Bisher war nicht auszuschli­eßen, dass in Ermittlung­s- oder Gerichtsak­ten Angaben dazu auftauchte­n, woher bestimmte Informatio­nen kamen. Das ließ Hinweise aus dem Ausland nicht gerade sprudeln. Nun sollten Quellen besser geschützt sein.

Ob die Kontrollme­chanismen ausreichen, muss sich erst zeigen. Operative BVT-Fahnder unterliege­n wie alle Polizisten der Kontrolle von unabhängig­en Gerichten, die BVT-Agenten sind dem internen (aber unabhängig­en) Rechtsschu­tzbeauftra­gten verpflicht­et – und natürlich dem Parlament.

Was nicht verschwieg­en werden darf: Die klare Stärkung des BVT-Nachrichte­ndienstes richtet sich vor allem an Länder wie Deutschlan­d, die USA, Israel und – wie sich seit dem Wiener Terroransc­hlag zeigt – auch an Frankreich. Damit wird Österreich auch verstärkt in das Visier des islamistis­chen Terrors geraten. Umso wichtiger ist eine starke nachrichte­ndienstlic­he Allianz mit Verbündete­n.

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