Zweigeteiltes BVT
Die nachrichtendienstliche Kompetenz des polizeilichen Staatsschutzes soll im Rahmen der Reform massiv ausgebaut werden. Aber auch ein starker kriminalpolizeilicher Arm bleibt erhalten.
Die Kernkompetenzen des polizeilichen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) werden getrennt: in einen nachrichtendienstlichen und einen kriminalpolizeilichen Arm.
Die Devise „Alle machen alles“hat sich im österreichischen Staatsschutz nicht bewährt. 18 Jahre nach Gründung des polizeilichen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) werden dessen Kernkompetenzen nun getrennt: in einen nachrichtendienstlichen Arm und in einen kriminalpolizeilichen. Der Verfassungsschutz bleibt zwar – im Gegensatz zu Deutschland – grundsätzlich eine sicherheitspolizeiliche Abteilung, aber der Nachrichtendienst wird massiv forciert.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Sicherheits general-direktor Franz Ruf gaben in einem Hintergrundgespräch mit Journalisten erste Details zum neuen BVT bekannt. Das alte ist nicht nur in die Jahre gekommen, sondern hat bekanntlich durch die politisch gesteuerte BVT-Affäre samt Razzia während der Amtszeit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) schweren Schaden und Imageverluste erlitten.
Ein Direktor, zwei Vizes
Der Neustart wird mit einem bestechend einfachen Organigramm eingeläutet. Oben der Direktor, darunter ein Vize, der für die Agenden und Agenten des Nachrichtendienstes verantwortlich ist, und ein Vize für die staatspolizeilichen Ermittlungen. Die Verbindung zwischen diesen beiden Einheiten firmiert unter „Lagezentrum“.
Die grundsätzliche Aufgabe des Nachrichtendienstes ist die erweiterte Gefahrenerforschung, die auf eigenen Analysen oder auf Hinweisen von ausländischen Partnerdiensten basiert. Ergibt sich daraus der konkrete Verdacht auf mögliche Straftaten wie etwa einen Terroranschlag, übermittelt das Lagezentrum diese Erkenntnisse umgehend an die staatspolizeilichen BVT-Kollegen, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft dann Razzien oder Verhaftungen durchführen können. In diesem Bereich ist der Verfassungsschutz schon sehr gut aufgestellt.
Signal an Partnerdienste
Sicherheits general -direktor Ruf, der schon im Vorjahr noch als Landespolizeidirektor von Salzburg mit der BVT-Reform beauftragt wurde, erhofft sich vor allem eine Signalwirkung für internationale Nachrichtendienste. Letztere mussten bisher immer befürchten, dass sie in Ermittlungs- und Gerichtsakten als Quelle auffliegen, wenn sie Österreich Erkenntnisse zukommen ließen. Durch die Zweiteilung des BVT soll damit Schluss sein.
Ruf weiß aber auch, dass nur Dienste, die selbst Infos generieren und weitergeben, auch Infos von anderen erhalten. Um in diesem internationalen Spiel von Geben und Nehmen bestehen zu können, muss das BVT sowohl personell als auch materiell ordentlich aufrüsten.
Ausbildung und Personalauswahl sind bereits auf Schiene. Der Nationalrat hat zu Beginn des Jahres gesetzlich abgesegnet, dass BVT-Mitarbeiter einen mehrstufigen Auswahlprozess samt strenger Vertrauenswürdigkeitsprüfung absolvieren müssen – auch die, die schon dabei sind. Außerdem wurde für künftige Staatsschützer eine verpflichtende Grundausbildung an der Sicherheitsakademie und ein Masterlehrgang geschaffen. Die ersten Kurse begannen vor wenigen Wochen.
Auf der Einkaufsliste stehen u. a. Analysetools und moderne, in sich geschlossene Computersysteme.
Eine Abschätzung der Kosten gibt es noch nicht, der Innenminister will jedenfalls kein Sparefroh sein.
Auf seiner Wunschliste steht überhaupt ein kompletter Neubau für das BVT. Fürs Erste wird aber wohl einmal eine Übersiedelung des Verfassungsschutzes von der Rennwegkaserne in Wien-Landstraße in die Meidlinger Kaserne in Wien-Meidling stattfinden. Glücklich sind Nehammer und Ruf mit diesen Immobilien nicht, weil in Kasernen die Gebäude an den Außenseiten liegen. Moderne, sichere und abhörsichere Infrastruktur hat aber ihren Kern im Inneren einer Anlage.
Eine Verfassungsmehrheit für gesetzliche Änderungen braucht es nach Ansicht von Nehammer und Ruf nicht. Es seien nur leichte Anpassungen vonnöten. Das polizeiliche Staatsschutzgesetz wurde erst 2016 reformiert und brachte damals eine massive Ausweitung der Befugnisse. Seit damals kann das BVT etwa bezahlte V-Leute anheuern oder Standortdaten und IP-Adressen nicht nur von Verdächtigten, sondern auch von Kontakt- und Begleitpersonen abfragen.
Ausschreibungen für die Spitzenposten sollen Ende des Jahres erfolgen, Mitte 2021 könnte das neue BVT starten, gibt sich Ruf optimistisch.
Wer sich einmal damit abgefunden hat, dass der Verfassungsschutz in Österreich das – auch aus historischen Gründen angelegte – polizeiliche Korsett nicht abstreifen kann, wird die nun präsentierte Reform des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) nicht ablehnen. Schon das vor 18 Jahren gegründete BVT war besser als die bis dahin wild wuchernden Einheiten der Staatspolizei und der Terrorbekämpfung. Und das neue BVT sollte besser aufgestellt sein als das alte.
Der Verfassungsschutz muss zwar weiterhin den Spagat zwischen nachrichtendienstlichen Aufgaben (Infogewinn zur Gefahrenerforschung) und operativen Aufgaben (Ermittlungen und Verhaftungen) schaffen, doch es wurde eine Trennung vollzogen. Die scharfe Zweiteilung und die Stärkung des nachrichtendienstlichen Armes werden vor allem die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnerdiensten verbessern. Bisher war nicht auszuschließen, dass in Ermittlungs- oder Gerichtsakten Angaben dazu auftauchten, woher bestimmte Informationen kamen. Das ließ Hinweise aus dem Ausland nicht gerade sprudeln. Nun sollten Quellen besser geschützt sein.
Ob die Kontrollmechanismen ausreichen, muss sich erst zeigen. Operative BVT-Fahnder unterliegen wie alle Polizisten der Kontrolle von unabhängigen Gerichten, die BVT-Agenten sind dem internen (aber unabhängigen) Rechtsschutzbeauftragten verpflichtet – und natürlich dem Parlament.
Was nicht verschwiegen werden darf: Die klare Stärkung des BVT-Nachrichtendienstes richtet sich vor allem an Länder wie Deutschland, die USA, Israel und – wie sich seit dem Wiener Terroranschlag zeigt – auch an Frankreich. Damit wird Österreich auch verstärkt in das Visier des islamistischen Terrors geraten. Umso wichtiger ist eine starke nachrichtendienstliche Allianz mit Verbündeten.