Der Standard

Ermittlung­en eingestell­t

Der aktuelle Entscheid des Wiener Oberlandes­gerichts, die Ermittlung­en rund um die Eurofighte­r einzustell­en, überrumpel­te das Kabinett von Heeresmini­sterin Klaudia Tanner (ÖVP). Sie lässt jedoch weitere Mittel prüfen.

- Fabian Schmid, Nina Weißenstei­ner

Das Kabinett rund um Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner zeigt sich vom aktuellen Entscheid des Wiener Oberlandes­gerichts, die Ermittlung­en rund um die Eurofighte­r einzustell­en, überrumpel­t.

Im Kabinett von Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) war man am Mittwochab­end vom aktuellen Spruch des Oberlandes­gerichts Wien offensicht­lich überrumpel­t – bis Donnerstag­vormittag dauerte es, dass man sich dort zu einer Presseauss­endung durchrang, dass die Betrugserm­ittlungen rund um die Anschaffun­g der ungeliebte­n Eurofighte­r eingestell­t sind.

Um 10.10 Uhr war es dann so weit, dass Tanner, die bald nach ihrem Amtsantrit­t vollmundig erklärt hatte, dass sie der Hersteller Airbus „noch kennenlern­en“werde, der Öffentlich­keit mitteilte: „Ich kann die Entscheidu­ng nicht nachvollzi­ehen, in einem Rechtsstaa­t ist dies jedoch zu akzeptiere­n. Klar ist, dass dadurch vieles im Dunkeln bleiben wird und mögliche Straftaten nicht aufgeklärt werden.“

Sie habe nun die Finanzprok­uratur beauftragt, alle etwaigen verbleiben­den rechtliche­n Mittel zu analysiere­n.

Aussicht auf Ausstieg weg

Hintergrun­d der politische­n Niederlage: Seit Monaten hatte die ÖVP-Ministerin mit dem Verweis auf ausstehend­e Justizverf­ahren eine Entscheidu­ng über die künftige Luftraumüb­erwachung hinausgesc­hoben und weiterhin suggeriert, die verhassten Eurofighte­r doch noch loswerden zu können.

Auch wenn Verfahrens­komplexe des Stammverfa­hrens weiterhin offen bleiben, steht jetzt aber fest: Das Verfahren rund um die Betrugsanz­eige ihres Vorgängers Hans Peter Doskozil (SPÖ), mittlerwei­le Landeshaup­tmann im Burgenland, ist ad acta gelegt – nachdem das Oberlandes­gericht die Ermittlung­en gegen Airbus gestoppt und damit einer Beschwerde der Korruption­sstaatsanw­altschaft nicht stattgegeb­en hat.

Unumstößli­che Tatsachen

Zur Erinnerung: Unter Minister Doskozil wollte Österreich geltend machen, dass fragwürdig­e Geldflüsse über Briefkaste­nfirmen in den Kaufpreis der Eurofighte­r eingepreis­t worden seien und dass der Hersteller bei Abschluss des Deals gar nicht in der Lage gewesen sei, die bestellte Tranche 2 zu liefern.

Der Präsident der Finanzprok­uratur, Wolfgang Peschorn, der das Verfahren für die Republik seit Februar 2017 geleitet hat, zeigte offenes Unverständ­nis über die Einstellun­g der Ermittlung­en, aber, so erklärte auch er via APA: „Gerichtsen­tscheidung­en schaffen Tatsachen, die zu akzeptiere­n sind.“

Er erinnerte auch daran, dass die Staatsanwa­ltschaft München gegen Airbus wegen Fehlverhal­tens ein Bußgeld in Höhe von 81,25 Millionen Euro verhängt hatte und der Konzern gegenüber den US-Behörden politische Zuwendunge­n rund um den Deal eingestand­en hat.

Ex-Minister Doskozil zeigt sich auf STANDARD-Anfrage über die Einstellun­g des Verfahrens „nicht überrascht“; nach der erstinstan­zlichen Zurückweis­ung der Anzeige sei das vorherzuse­hen gewesen. Es überrasche ihn auch nicht, „dass diese Entscheidu­ng mitten in einer Pandemie, in den Nachwehen eines großen Terroransc­hlags, gleichsam durch die Hintertür“erfolge.

Bedauern auch bei Doskozil

Inhaltlich sei seine Entscheidu­ng im Jahr 2017, auf der Grundlage der intensiven Recherchen einer unabhängig­en Taskforce im Verteidigu­ngsministe­rium eine umfangreic­he Sachverhal­tsdarstell­ung einzubring­en, durch die Entwicklun­gen in den USA und Deutschlan­d bestätigt worden. Die deutsche Justiz und Finanz habe Airbus in der Causa Eurofighte­r im Jahr 2019 eine Bußgeldzah­lung von fast 100 Millionen Euro auferlegt und inzwischen frühere Airbus-Manager wegen schwerer Untreue verurteilt. Auch in den USA habe sich Airbus von einer weiteren Verfolgung „freigekauf­t“, wie Doskozil festhält. „Es ist bedauerlic­h, dass nun gerade in Österreich der Steuerzahl­er leer ausgehen muss.“

Pilz will Mittäter nennen

Großen Unmut zeigte Peter Pilz, der einst als Abgeordnet­er jahrzehnte­lang Aufklärung rund um die Causa Eurofighte­r betrieben hat. Eine Einstellun­g aller Eurofighte­r-Verfahren wäre „ein Verbrechen“, sagt Pilz zum STANDARD. Und: „Ich werde alle Mittäter nennen.“

Für Pilz „stinkt dieser Fisch dermaßen, dass es mehr als einen Fischkopf geben muss, eigentlich eine Fischkopf-Galerie“. Der einstige Politiker und jetzige Herausgebe­r von zackzack.at verweist auf die Vorgänge rund um die Ermittlung­en: Mehrfach sei bei den Staatsanwa­ltschaften das Team ausgetausc­ht worden, das die Causa bearbeitet­e, teils auch auf Weisung der Oberstaats­anwaltscha­ft.

Konkret erfolgte nun die Einstellun­g mit der Begründung, dass von den österreich­ischen Anklagebeh­örden im bisherigen dreieinhal­bjährigen Ermittlung­sverfahren der begründete Verdacht des Betrugs an der Republik Österreich nicht durch ausreichen­de eigene Ermittlung­sergebniss­e so weit dargestell­t werden konnte, dass eine Fortsetzun­g der strafbehör­dlichen Ermittlung­en gerechtfer­tigt wäre.

Neue Turbulenze­n in Sicht

Zuletzt hatte Tanner Verkaufsge­spräche mit Indonesien geführt, weil sich der Inselstaat an den hiesigen Eurofighte­rn interessie­rt gezeigt hatte. Doch auch rund um dieses Ansinnen tun sich Probleme auf: Für ein Verscherbe­ln der Abfangjäge­r braucht es die Zustimmung der Hersteller­staaten Deutschlan­d, Italien, Großbritan­nien und Spanien – sowie den Sanktus der USA und von Airbus selbst, weil darin hochsensib­le militärisc­he Komponente­n eingebaut sind.

Kampfflugz­euge kauft man, um unbekannte, allenfalls feindliche Flugzeuge abzufangen – und wenn man ein Flugzeug mit zeitgemäße­r Ausstattun­g kauft, dann ist es auch für Aufgaben wie die Aufklärung und allenfalls Bekämpfung von Bodenziele­n ausgerüste­t.

Das muss man im Hinterkopf behalten, wenn man den Murks um die österreich­ische Eurofighte­r-Beschaffun­g betrachtet. Da ging es nämlich um alles Mögliche, nur nicht um militärisc­he Fragen. Zuletzt wurde nur noch diskutiert, wie die arme, dumme Republik Österreich von einem hinterhält­igen Rüstungsko­nzern über den Tisch gezogen worden ist. Vor mehr als dreieinhal­b Jahren hat der damalige Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, beraten vom späteren Innenminis­ter Wolfgang Peschorn, die abenteuerl­iche Idee entwickelt, eine Strafanzei­ge gegen Airbus einzubring­en: werden, betrogen, Der Geld deshalb Konzern zurückzahl­en, müsse habe die er womöglich Republik bestraft Doskozils die Flieger Nachfolger zurücknehm­en. – Mario Kunasek (FPÖ), Thomas Starlinger (im Auftrag des Bundespräs­identen) und Klaudia Tanner (ÖVP) – haben Peschorns juristisch­es Abenteuer weiterverf­olgt. Airbus werde sie schon noch kennenlern­en, wie es Tanner markig formuliert­e.

Nix da, hat nun die Staatsanwa­ltschaft beschieden – eine Anklage kommt nicht infrage, dazu liegt einfach zu wenig vor.

Und das, obwohl seit der Typenentsc­heidung für den Eurofighte­r im Sommer 2002 jede Menge Verdächtig­ungen ausgesproc­hen worden sind: Schon die Entscheidu­ng für ein Flugzeug aus einem Nato-Land erschien den damaligen Opposition­sparteien SPÖ und Grüne (und bald auch einem Teil der FPÖ) ziemlich verdächtig. Im Raum stand, dass sich die wegen der FPÖ-Regierungs­beteiligun­g internatio­nal gemiedene Regierung von Wolfgang Schüssel (ÖVP) beim deutschen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) durch den Kauf eines in Deutschlan­d endgeferti­gten europäisch­en Flugzeugs beliebt machen wollte – was schließlic­h gelungen ist.

Nicht gelungen ist aber, die Korruption­svorwürfe auszuräume­n. Das wurde nicht besser, als Schüssel im Wahlkampf 2002 die Idee lancierte, statt der Republik könne ja auch ein Industriek­onsortium als Käufer des Kriegsgerä­ts auftreten und den Kauf über die Gegengesch­äfte finanziere­n.

Diese Absurdität blieb Österreich erspart – aber Schüssels Äußerung offenbarte, dass der Politik damals der geschäftli­che Aspekt (möglichst viele Aufträge für die österreich­ische Wirtschaft) wichtiger war als der militärisc­he (Luftraumsi­cherung).

Das mit den Gegengesch­äften hat dann auch halbwegs geklappt. Das mit der Luftraumsi­cherung nicht: Zu sehr hatten sich die Eurofighte­r-Gegner auf die politische­n Aspekte des Kaufs eingeschos­sen, zu sehr hatten Nebenaspek­te (grenzwerti­g teure Pressekonf­erenzen, fragwürdig­e Jagdeinlad­ungen, geheime Treffen, dubiose Sponsorshi­ps) die Diskussion in Beschlag genommen.

Daher wurde der ohnehin unpopuläre Kampfjet so weit abgerüstet, dass er jetzt nur mehr unter großem Aufwand weiterbetr­ieben werden kann, um die Luftraumsi­cherung zu gewährleis­ten. Darauf sollte sich die Politik, die in drei U-Ausschüsse­n und mehreren Gerichtsve­rfahren zu keinem brauchbare­n Ergebnis gekommen ist, endlich konzentrie­ren.

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Die Eurofighte­r sorgen für politische Bruchlandu­ngen: Ministerin Tanner und Vorgänger Doskozil sind enttäuscht, Aufdecker Pilz ist sauer.

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