Klassenkampf
Alles wartet gespannt auf heute, Freitag: Dann wird sich entscheiden oder, konkreter, dann wird die Regierungsspitze entscheiden, wie fest die Schrauben im Lockdown noch angezogen werden, um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus nicht nur zu bremsen, sondern die Infektionszahlen so drastisch nach unten zu drücken, dass eine Überlastung des Spitalsbereichs verhindert werden kann. Die Schulen – jene, die noch offen sind, Volksschulen und Sekundarstufe I – sind ins Zentrum einer polarisierten Lockdown-Debatte gerückt. Gekämpft wird um jede Klasse. Wie die Regierung und die Opposition das Thema Schulschließung sehen
In der politischen Arena sind die Positionen zu einer etwaigen Totalsperre des Schulbereichs recht klar, aber so wie in der Gesellschaft auch polarisiert. Auf der einen Seite steht Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der die Schulen lieber schon vor Wochen geschlossen hätte, als noch immer um diese Entscheidung ringen zu müssen. Ringen nicht nur mit dem Bildungsministerium unter Heinz Faßmann – auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht Schulschließungen skeptisch. Allerdings deutete Donnerstagnachmittag einiges darauf hin, dass die Sekundarstufe I ab Dienstag geschlossen werden könnte. Die Kindergärten bleiben offen.
Anschober hielt sich am Donnerstag noch bedeckt: „Ich habe immer gesagt, wir werden nach zehn Tagen beginnen zu evaluieren. Wir haben heute Tag zehn.“Berücksichtigt werde nicht nur das Infektionsgeschehen an den Schulen, sondern auch, welche Auswirkungen weitere Maßnahmen auf das Gesamtsystem hätten. Der „große Erfolg“des ersten Lockdowns sei durch eine breite Kontaktreduktion von Gastronomie über Handel bis Schule gelungen.
Die Opposition ist geschlossen gegen Schulsperren. Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wäre das „eine Maßnahme von geringem Nutzen und großem Schaden“, weder für Treffsicherheit noch Wirksamkeit gebe es eine Datengrundlage. Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid forderte stattdessen umfangreiche Schutzmaßnahmen für offene Schulen, etwa regelmäßige Tests und Screenings der Lehrer sowie eine Maskenpflicht für Pädagogen, mehr Gurgeltests für Schulkinder und die Anmietung zusätzlicher Räume.
Warnung vor einer „Lost Generation“
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sieht in Schulsperren den „allerallerletzten Weg“, bevor das Gesundheitssystem zu kippen drohe. Die Notwendigkeit offener Schulen, ganz besonders auch für Schüler aus sozial benachteiligten Familien, begründete sie neben der Bildungsdimension auch mit der Wichtigkeit sozialer Kontakte für Kinder. Und mit Blick auf die Eltern, vor allem Mütter, sagte sie: „Homeschooling und Homeoffice zusammen geht sich einfach nicht aus. Punkt.“
FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl warnte indes vor einer „Lost Generation“und sagte: „Für uns ist das keine Option, die Schulen müssen offen bleiben.“Die FPÖ würde auch die Oberstufen, deren Unterricht seit knapp zwei Wochen auf Distance-Learning umgestellt ist, wieder in die Klassenzimmer zurückholen. Denn, so Brückl: „Die Eltern haben mittlerweile mehr Angst vor Homeschooling als vor Corona.“