Der Standard

Der Nerz-Schlachtbe­fehl war illegal

17 Millionen Nerze sollten wegen der Gefahr, dass sich in ihnen Corona-Mutationen entwickeln, in Dänemark getötet werden. Die Anordnung dazu entsprach allerdings, wie sich nun herausstel­lt, nicht dem Gesetz. Sorge vor Mutationen bleibt.

- Manuel Escher, Klaus Taschwer

Die Gräben sind längst ausgehoben, und mehr als 2,5 Millionen tote Nerze liegen schon darin. Doch der Befehl, mit dem die dänische Regierung vergangene Woche hastig die Schlachtun­g aller rund 17 Millionen der Mardertier­e in Auftrag gegeben hat, hätte so allem Augenschei­n nach nicht fallen dürfen. Premiermin­isterin Mette Frederikse­n gestand Mitte der Woche ein, dass sie per Gesetz eigentlich nur das Ende jener Nerze hätte besiegeln dürfen, die innerhalb einer 7,8 Kilometer großen Infektions­zone in der Provinz Nordjütlan­d lebten. Dort hatte sich laut den Gesundheit­sbehörden eine Mutation des Coronaviru­s von Nerzen aus auch auf Menschen verbreitet, die womöglich für eine Impfung unempfindl­icher wäre.

Mittlerwei­le allerdings gibt es heftige Kritik an der Entscheidu­ng. Das liegt zum einen daran, dass die besagte Mutation („Cluster 5“) unter Menschen offenbar schon wieder ausgestorb­en ist. Insgesamt zwölf Fälle habe es ursprüngli­ch gegeben, so das staatliche Serum-Institut.

Glücksspie­l mit der Demokratie

Mindestens eine Diagnose habe aber zurückgeno­mmen werden müssen – und der letzte Fall bei einem Menschen sei im September diagnostiz­iert worden. Zum anderen ist es die dänische Mitte-rechts-Opposition, die gegen das Vorhaben, die gesamte Pelzindust­rie im Land einzustell­en, Sturm läuft. Es gebe für die rund 1100 Pelzfarmen und ihre Mitarbeite­r im ganzen Land keinen ausreichen­den Entschädig­ungsplan, argumentie­rt sie.

Und vor allem: Dass die Regierung ohne rechtliche Grundlage die Tötung sämtlicher Nerze im Land befohlen habe, sei „ein Glücksspie­l mit der dänischen Demokratie“, wie es der Chef der liberalen Venstre-Partei, Jakob EllemannJe­nsen, ausdrückt. Premiermin­isterin Frederikse­n ist in der Defensive. Dass das Vorhaben der Regierung illegal gewesen sei, habe sie vergangene Woche noch nicht gewusst, sagt sie. Und auch Landwirtsc­haftsminis­ter

Mogens Jensen gesteht ein:

„Wir haben einen Fehler gemacht.“Es habe in der Tat keine rechtliche Grundlage für sein Handeln gegeben. Farmen außerhalb der 7,8-Kilometer-Zone hätte man nicht schließen dürfen.

Das große Schlachten geht im Land mit der bisher weltgrößte­n Nerzproduk­tion dennoch vorerst weiter, denn die meisten Betriebe rechnen immer noch mit ihrem baldigen Ende. Was sie bisher nicht hatte, will die sozialdemo­kratische Minderheit­sregierung nun schaffen: ein Gesetz, auf dessen Basis das Ende der Nerzwirtsc­haft im Land begründet werden kann.

Die aktuelle Virusmutat­ion dürfte, auch wenn sie noch nicht ausgestorb­en sein sollte, zwar nicht den Horrorszen­arien der dänischen Forscher entspreche­n, vermuten die Mehrheit der Experten und auch die WHO. Sie gehen mittlerwei­le davon aus, dass die Gefahr, die durch „Cluster 5“ausgeht, geringer sein dürfte, als man in Dänemark zunächst annahm. Es scheint zwar der Fall zu sein, dass Antikörper gegen Covid19-Infektione­n im Fall dieser Virusvaria­nte ein wenig schlechter wirken könnten. Der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t Wien hält es aber für unwahrsche­inlich, dass die bereits entwickelt­en Impfstoffe ihre Wirkung verlieren könnten. Und völlig auszuschli­eßen sei, dass es sich um eine so starke Mutation handeln würde, „dass man von Covid20 sprechen müsste“.

Allgemein stellen die Nerzfarmen für den Kampf gegen das Coronaviru­s aber dennoch eine große Gefahr dar, halten Wissenscha­fter in Dänemark laut Medienberi­chten dagegen. Dass das Virus sich in der Nerzpopula­tion massiv ausbreite und sich von dort wieder auf den Menschen verbreiten könne, wisse man. Zudem sei Corona auch für die Tiere selbst eine Gefahr. Diese würden oft schwer erkranken, vor allem ältere Tiere würden dann an massiven Atembeschw­erden zugrunde gehen.

Es ist ohnehin Schlachtsa­ison

Anderswo hat das freilich noch nicht zu einem Umdenken geführt. Auch in Finnland und Polen werden Nerze im großen Stil für die Pelzproduk­tion gehalten, dort will man keine Corona-Welle auf den Farmen festgestel­lt haben. Ebenso ist es nach einem Bericht des Guardian in Schweden. Dort sagt der Chef der Tierschutz­organisati­on Djurens Rätt der Zeitung aber auch: Es sei zwar keine Massenschl­achtung aus Gesundheit­sgründen zu erwarten, aber „die meisten Tiere werden ohnehin gerade wegen der Pelzsaison getötet“.

Anders in den Niederland­en: Dort hat die Regierung bereits ein Ende der Produktion verfügt, nachdem in mehreren Produktion­sstätten im Sommer das Virus festgestel­lt worden war. Ein Reservoir wird dennoch bleiben, denn auch in den USA hat sich das Virus auf Pelzfarmen in Wisconsin, Michigan und Utah verbreitet. Mehr als 15.000 Nerze sollen dort bereits daran verendet sein. An eine Schließung der Betriebe denkt das US-Landwirtsc­haftsminis­terium dennoch nicht.

„Es ist völlig auszuschli­eßen, dass man von Covid-20 sprechen müsste.“

Virologe Norbert Nowotny beruhigt hinsichtli­ch der Nerz-Corona-Mutation

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Anhänger der Tierschutz­organisati­on Peta demonstrie­rten vor der dänischen Botschaft in London für eine Schließung von Nerz-Pelzfarmen.

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