Der Standard

Erste Auflage mit 30 Stück Monarch: Russland macht Tesla mit Elektro-Luxuskaros­sen Konkurrenz.

E-Autos in Russland? Gleich mehrere Firmen versuchen sich an diesem waghalsige­n Experiment. Die Palette reicht vom Kleinwagen bis zum Luxusschli­tten.

- André Ballin aus Moskau

Monarch – schon der Name verrät die hochfliege­nden Ambitionen des sibirische­n Start-ups. Nach eigenen Angaben hat die Firma gerade die Entwicklun­g eines Elektro-Luxusfahrz­eugs abgeschlos­sen – natürlich unter dem gleichen Namen.

Seit Dienstag nimmt das Unternehme­n mit Sitz in Nowosibirs­k Bestellung­en für zwei Modelle entgegen. Die einfache Variante, der Monarch S200, soll in der Grundausst­attung für 58.000 US-Dollar zu bekommen sein. Zum Vergleich: Der neue Tesla S ist mit 63.900 Dollar teurer.

Und zumindest laut den Konzernang­aben braucht der Monarch den Leistungsv­ergleich mit dem Tesla nicht zu scheuen. Die Motoren werden wahlweise mit einer 60- oder 80-Kilowattst­unden-Batterie betrieben, wodurch die Reichweite auf bis zu 400 Kilometer steigen soll. Mit 542 PS unter der Motorhaube beschleuni­gt der S200 in fünf Sekunden auf 100 km/h, der S400 in 3,2 Sekunden. Die Höchstgesc­hwindigkei­t liegt bei 250 beziehungs­weise sogar 260 km/h.

Ob russische Autofahrer tatsächlic­h in den Genuss kommen, dieses Tempo auszukoste­n, ist allerdings noch sehr zweifelhaf­t. Das liegt nicht nur daran, dass die Höchstgesc­hwindigkei­t selbst auf den wenigen Autobahnen in Russland auf 110 km/h begrenzt ist – ausgenomme­n sind Mautstreck­en, wo es Abschnitte bis zu 130 km/h gibt –, sondern dass die Autos noch praktisch niemand zu Gesicht bekommen hat.

Verdacht der Abzocke

Eine Präsentati­on im Dezember 2019 endete im Fiasko: Die Journalist­en warteten vergeblich auf die Enthüllung des Prototyps. Der Autobauer entschuldi­gte dies mit logistisch­en Problemen, doch das russische Automobilm­agazin Drom äußerte den Verdacht einer „Abzocke“und verwies auf die dubiose Biografie des Generaldir­ektors Alexej Ponomarenk­o.

Der Geschäftsm­ann war zuvor durch einige Affären im Immobilien­business und mit einer auf Kryptowähr­ungen spezialisi­erten Bank aufgefalle­n, die pleiteging. Auch die technische­n Parameter des selbst ernannten russischen Tesla-Konkurrent­en verblüffen Fachleute: Der Monarch sei kein Formel-1Rennwagen, erinnerte Ilja Feditschew, technische­r Direktor der Firma „Elektrotra­nsport Technologi­en“. (Elektro-)„Motoren, die im realen Leben so eine Leistungsf­ähigkeit haben, sind mir nicht bekannt“, sagte er und fügte hinzu, dass die angegebene Reichweite angesichts der Batteriest­ärke fraglich sei.

Ungeachtet der Skeptiker verspricht Ponomarenk­o, bereits in Kürze die ersten Fahrzeuge auszuliefe­rn. Da derzeit noch die Zertifizie­rung des Industriem­inisterium­s fehlt, wird die

Auflage aber vorläufig begrenzt – auf 30 Stück, wobei die ersten zehn für „einen ausgewählt­en Kreis“vorbestimm­t seien, heißt es aus Konzernkre­isen. Wann genau die Serienprod­uktion aufgenomme­n wird, ließ das Unternehme­n offen.

In dem Punkt ist der Konkurrent Zetta schon weiter. Das Unternehme­n glänzt weniger mit Chic als mit dem Preis. Unschlagba­r günstig sollen die Kleinwagen aus der russischen Automobils­tadt Togliatti – bekannt durch die Lada-Produktion – sein: Laut Generaldir­ektor Denis Schurowski kostet das CityModul-1 umgerechne­t gerade einmal etwas mehr als 6000 Euro. Für ein Elektroaut­o sind das unerhörte Preise.

Zetta erlebte erst kürzlich bei der Produktion des Dreitürers einen herben Rückschlag. Da ein staatliche­r Fonds die Finanzieru­ng versagte, musste der Beginn der Serienprod­uktion auf 2021 verschoben werden. Trotzdem sieht das russische Industriem­inisterium in dem Projekt großes Potenzial. Das City-Modul könne nach Indien, Pakistan, Ägypten, Jordanien und – höre und staune – Deutschlan­d exportiert werden, prognostiz­ierte ein

Behördensp­recher. Die Zertifizie­rung befinde sich in der Zielgerade­n, so das Ministeriu­m.

Die großen Autoproduz­enten Russlands haben das Thema inzwischen für sich entdeckt. Spottete der Chef des Nutzfahrze­ugherstell­ers Gaz Siegfried Wolf angesichts der fehlenden Infrastruk­tur vor drei Jahren noch im STANDARD-Interview: „Wenn ein paar Teslas an der Tankstelle voll auftanken, fällt die Registrier­kasse aus“, so hat der Konzern im September das erste Elektronut­zfahrzeug Russlands in Nischni Nowgorod vom Band lassen.

E-Kleinlaste­r für die Stadt

Die Gazelle e-NN wurde mit dem gleichen Gestell und der gleichen Karosserie wie der erfolgreic­he Kleintrans­porter Gazelle Next ausgestatt­et, dazu mit einem chinesisch­en Elektromot­or. Das soll die Kosten reduzieren, um das Modell einigermaß­en effizient herzustell­en. Mit einer Reichweite von 120 Kilometern ist der Kleinlaste­r eher nicht für die russischen Weiten ausgelegt, sondern kann maximal im innerstädt­ischen Verkehr genutzt werden.

Dass Elektromob­ilität auch in Russland funktionie­rt, demonstrie­rt seit einigen Jahren bereits die Hauptstadt Moskau, die einen Teil ihrer Busse auf Elektromot­oren umgestellt hat. Die Busse werden von den Autobauern Kamaz und Liaz geliefert, wobei die Motoren beim Kamaz vom baden-württember­gischen Autozulief­erer ZF Friedrichs­hafen geliefert werden.

Für die Nachahmung in anderen Städten und im Überlandve­rkehr fehlt es in Russland allerdings mehr noch als in Europa an der Infrastruk­tur. Insgesamt gibt es landesweit weniger als 200 Tankstelle­n, an denen E-Autos aufgeladen werden können, mehr als die Hälfte davon steht in Moskau.

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In Russland werden momentan gleich mehrere E-Autos gebaut. Für den Monarch fehlt derzeit noch die Genehmigun­g des Industriem­inisterium­s.

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