Retten wir richtig?
Der zweite Lockdown wird viele Milliarden kosten. Der Regierung fehle der Plan für die Zeit danach, und sie tue zu wenig für Arbeitslose, sagt SPÖ-Chefin Rendi-Wagner. Vizekanzler Kogler verspricht im Videotalk: Die Billa-Verkäuferin wird die Zeche für di
Erster Lockdown, zweiter Lockdown. Seit Beginn der Krise agiert die Politik nur noch auf Sicht, oberste Priorität hat einmal mehr das Brechen der aktuellen Infektionswelle. Geht es so weiter, oder hat die Bundesregierung einen Plan, wie eine dritte Welle und ein dritter Lockdown vermieden werden können? Und können wir uns die Krisenpolitik so noch länger leisten? Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), SPÖ-Chefin Pamela RendiWagner und Wifo-Leiter Christoph Badelt diskutierten über diese Fragen in einer neuen Ausgabe des Videotalks STANDARD mitreden.
Die Medizinerin Rendi-Wagner warnte angesichts jüngster Meldungen über Erfolge bei Impfstudien vor Euphorie. Auch wenn die Impfung 2021 kommt, werden wir länger mit dem Virus leben müssen. Bis ausreichend Menschen durchgeimpft sind, werde es dauern. Deshalb brauche es dringend einen mittelbis langfristigen Fahrplan, den Österreich derzeit nicht habe, sagte die Oppositionspolitikerin in Richtung Vizekanzler. Selbst wenn der aktuelle Lockdown erfolgreich sein wird, lasse sich derzeit nicht sagen, ob ein weiterer Lockdown mithilfe von Contact-Tracing abwendbar ist. Denn durch den Zusammenbruch der Kontaktverfolgung könne man
Cluster und Ansteckungsketten nicht mehr nachverfolgen – und deshalb auch nicht sagen, welche Maßnahmen künftig am geeignetsten sind, um die Pandemie einzudämmen, so Rendi-Wagner.
Dass beim Contact-Tracing einiges im Argen liegt, stritt der Vizekanzler nicht ab. „Ich bin vom Verhalten der Bundesländer irritiert und enttäuscht.“Da sei einiges versäumt worden über den Sommer. Das Contact-Tracing könne nach der zweiten Welle aber auf neue Beine gestellt werden, um dann im Idealfall die Pandemie im Griff zu haben.
An dieser Stelle leitete Ökonom Badelt auf die wirtschaftlichen Schäden über. Der bisherigen Krisenpolitik stellt er ein gutes Zeugnis aus. Auch den 80-prozentigen Umsatzersatz für Tourismus und Gastro lobte er. Die Dringlichkeit der Hilfen gebiete es, dass man dabei auch Überförderungen in Kauf nimmt. Aber: Bei kommenden Verschärfungen für den Handel würden die Kosten „in abenteuerliche Bereiche kletuntersten tern“, sollten dieselben Instrumente zur Anwendung kommen. Auch Kogler sagte, für den Handel wird man sich etwas anderes überlegen müssen.
Schlaflose Nächte
Wie viel all die Maßnahmen kosten werden, beschäftigt Kogler derzeit nur peripher. Er schlafe zwar wenig, „aber das hat andere Gründe“. Der Schuldenstand der Republik ist zwar von 70 Prozent der Wirtschaftsleistung in Richtung 90 Prozent
gestiegen. Aber die Zinsen seien niedrig, weshalb das verkraftbar sei. Irgendwann müsse die Neuverschuldung runter, so Kogler. Sein Zeithorizont für das Ende der Schuldenpolitik: drei bis vier Jahre.
Ob danach gespart werden müsse, hänge vom Wirtschaftswachstum ab. Aber: Er könne heute ausschließen, dass die Billa-Verkäuferin die Zeche in Form von höheren Steuern zahlen werde. „Sie haben wir ja gerade erst entlastet“, verwies Kogler auf die Senkung des
Tarifs der Einkommensteuer.
Er forderte eine Millionärssteuer, sagte aber auch, dass es in dieser Legislaturperiode wegen des Nein der ÖVP keine geben wird.
Hitzig diskutiert wurde über die Arbeitslosen. Rendi-Wagner warf den Grünen vor, zu wenig für die über 420.000 Menschen ohne Job zu tun. „Das ist nicht nur menschlich und wirtschaftlich nicht richtig. Es kostet auch Kaufkraft.“Ihre Forderung: das Arbeitslosengeld von aktuell knapp unter 60 auf über 70 Prozent anzuheben. Kogler nannte das vertretbar, mit der ÖVP aber nicht machbar. Wifo-Chef Badelt widersprach: Jetzt in der Krise sei es wichtig, Arbeitslosen zu helfen, da könnte die Regierung auch mehr tun als den 450Euro-Bonus, den es schon gab. Aber: Eine große Arbeitslosengeldreform jetzt, mitten in der Krise, sei falsch.
Hitzig diskutiert wurde auch, ob die Regierung genug investiert, um der Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Rendi-Wagner wünschte sich ein größeres Konjunkturprogramm, Badelt intervenierte und sagte, man könne der Regierung angesichts der Milliardenschulden nicht vorwerfen, nicht zu investieren. Was Kogler dazu sagt? Finden Sie die Antworten im Video.
derStandard.at/Video