Pandemisch bedingte Airport-Pleiten
Mit den Airlines liegen auch die Flughäfen im Wachkoma. Europaweit könnten viele kleinere Airports die Corona-Krise nicht überleben. Im Sinne des Klimaschutzes wäre das gar nicht so schlecht, sagt manch Experte.
Zwei Schritte vor, einen zurück. Kaum wurde das Flugangebot aufgestockt, musste die AUA ihre Flüge aus Südafrika und Großbritannien wieder aus dem Programm nehmen, weil die Landeverbote für Flieger aus den beiden Ländern bis 24. Jänner verlängert wurden. Die Flüge nach London Heathrow werden bis auf einzelne Verbindungen durchgeführt, alle Rückflüge wurden gestrichen.
Der erhoffte Fortschritt beim Hochfahren aus dem Wachkoma ist nicht so schnell Sicht. Nach Einschätzung der Lotsen-Dachorganisation Eurocontrol wird sich die Luftfahrt nur langsam vom CoronaSchock erholen. In Zahlen gefasst sieht der so aus: rund 6,1 Millionen Flüge und 1,7 Milliarden Passagiere weniger im vergangenen Jahr. Für heuer rechnet man mit gut der Hälfte des Vorkrisenniveaus. Unter den großen Airlines musste die Lufthansa Group besonders viele Flüge absagen, laut Eurocontrol 67 Prozent. Ähnlich dramatisch die Einbrüche bei Easyjet (–67 Prozent) und der British-Airways-Mutter IAG (–65 Prozent). Ryanair hat 59 Prozent weniger Flüge absolviert als 2019.
Der Billigflieger-Riese streicht sein Flugangebot ab 21. Jänner noch einmal drastisch zusammen und erwartet weniger als 1,25 Millionen Fluggäste. Im Februar und März dürften es etwa je eine halbe Million werden. Im Dezember hatte Ryanair 1,9 Millionen Passagiere befördert – minus 83 Prozent zum Jahr davor.
Flughäfen stehen still
All das trifft auch die Flughäfen hart. Der Frankfurter Flughafen verlor seinen ersten Platz als verkehrsreichster Flughafen 2019 an Amsterdam. Dort fielen die Rückgänge etwas weniger drastisch aus. Nach den Staatshilfen für Airlines hält Eurocontrol weitere Finanzhilfen für die Flughäfen notwendig. Fast 200 hauptsächlich kleinere, regionale
Airports in Europa würden in den kommenden Monaten in die Pleite schlittern, sollte sich der Passagierverkehr bis Ende 2020 nicht erholen, schlug die Flughafenbehörde ACI Europe im Oktober Alarm. Österreichische Flughäfen wurden laut Sprecherin nicht berücksichtigt, aber es gelte das gleiche Muster.
So schwarz beurteilt Strategieberater Stefan Höffinger die Lage nicht. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Flughäfen und ihren Geschäftsmodellen. Die heimischen Airports seien vergleichsweise stabil aufgestellt, sagt er. Tatsächlich lieferten sie in normalen Zeiten brav Dividenden an ihre Eigentümer ab, meist Städte und Bundesländer. Das ewige Sorgenkind Klagenfurt ist inzwischen privatisiert, Graz und Wien teilweise. „Einfach weitermachen wird dennoch nicht gehen“, so Höffinger. Immerhin: Eine Pleite gab es bislang noch nicht.
Die Fluggastzahlen für 2020 schauen nach vorläufigen Schätzungen düster aus. 9,7 Millionen
Passagiere – gegenüber 36,2 Millionen 2019 – dürften transportiert worden sein. Wobei Graz mit einem Minus von 85 Prozent auf 156.000 Fluggäste den tiefsten Einschnitt verzeichnete. In Salzburg und Innsbruck fällt der Rückgang mit einem Minus von 61 bzw. 60 Prozent – ersterer auf 700.000, letzterer auf 687.000 Passagiere – vergleichsweise moderat aus. Linz und Klagenfurt sind mit minus 77 beziehungsweise 78 Prozent ebenfalls auf der Verliererseite. Salzburg und Innsbruck profitieren in normalen Jahren insbesondere vom Wintertourismus. „Der Winter 2020 ist tot“, sagt Alexander Klaus, Sprecher des Flughafen Salzburg. Wobei Salzburg, Linz und Klagenfurt schon im Vor-Corona-Jahr weniger Passagiere abfertigten, die anderen Flughäfen legten zu. Besonders deutlich Wien mit über 17 Prozent. Umso tiefer ist der Absturz um ebenfalls 75 Prozent auf acht Millionen – von 31 Millionen Passagieren im Jahr 2019.
Höffinger findet, die Zeit sei reif – so nicht schon geschehen –, über neue Konzepte nachzudenken. Linz sei etwa erfolgreich mit dem Frachtgeschäft, der Flughafen Wien setze auf den Aufbau der Airport-City und auf Pharma-Handling. Da und dort würde es sich anbieten, Billigflieger zu ködern. Den Salzburgern ist das etwa gelungen. Ab Mai fliegt die ungarische Wizz von Salzburg nach Dubai. „Ein Lichtblick“, sagt Flughafen-Sprecher Klaus. Allerdings müsse man heuer zehn Millionen Euro am Kapitalmarkt aufnehmen, um den Betrieb zu sichern. Einen Fixkostenzuschuss wie der Flughafen Wien, der diesen demnächst beantragen will, gebe es nicht. Seine Botschaft an die Regierung: „Bitte die Bundesländer nicht vergessen.“
Günter Emberger, Verkehrsplaner an der TU Wien, hat gegen Hilfen wie diese Grundsätzliches einzuwenden: Aus seiner Sicht würde alle 500 bis 600 Kilometer ein größerer Flughafen reichen. Österreich würde also mit genau einem Airport auskommen. Damit würde der Zugang zu Flügen erschwert, weil sich die Anreise verlängerte und verteuerte. Das würde Flugreisen minimieren und die Umwelt schonen. Ziel müsse Kostenwahrheit beim Fliegen sein, so Emberger. „Ein Recht auf billiges Fliegen gibt es nicht.“